Gründe, die zum Simkos Aufstieg beitrugen
The plight of kurdisch Nationalism: Critical Analysis of the Kurdish National Movement in Turkey, Iraq, Iran and Syria around the first World War
University of Waikato
By Handren Delan
Aus dem Englischen übersetzt von Berfîn
Gründe, die zum Aufstieg Simkos beitrugen
Um die Jahrhundertwende stritten mindestens drei Stammesführer um die höchste Führungsposition der Shihak22. Der Stärkste war wahrscheinlich Ali Agha von den Avdovi Pisaqas; seine Söhne Jafar Agha und Ismail Agha, genannt Simko, erlangten einen guten Ruf als mutige Kämpfer. Der zweite Führer war Umar Agha, der den Mamedi-Stamm führte (einigen Quellen zufolge, war er ein Onkel von Simko, aber hier gibt einige Unsicherheiten) und der dritte war Mustafa Agha von den Kardar Pisaqas (ihm folgte später sein Bruder Ismail), der noch weitere Stämme und Unterstämme unter seiner Kontrolle hatte. Es gab in diesen Jahren eine hohe Fluktuation unter den Stammesführern. Ein anderer Zweig der Avdovi Pisaqas, geführt von Alis Bruder Yusuf, der weiter südlich lebte, wurde versprengt als Ali auf Yusufs Kosten an die Macht kam, und viele von ihnen wurden in der Folge von den gegnerischen Kardars getötet. Umar Agha, von den Mamedis, wurde 1902 von iranischen Vertretern getötet, ebenso 1906 Mustafa Agha von seinen Avdovi-Gegnern. Jafar Agha, der zwar offizielle Titel trug aber trotzdem weiterhin die Regierung von Azerbaijan durch seine Überfälle auf Urmiyeh, Salmas und Koy beunruhigte, wurde um die selbe Zeit scheinbar vom iranischen Thronerben nach Tabriz eingeladen und heimtückisch ermordet23.
Es muss angemerkt werden, dass durch das Nichterscheinen der meisten anderen erfahrenen Stammesführer Simkos schneller Aufstieg ermöglicht wurde. Er war jedoch ein cleverer und opportunistischer Politiker, der genau wusste, wann er sich mit wem verbünden musste. Als junger Mann hatte er seinen Bruder Yusuf bei dessen Überfällen unterstützt und während seiner ganzen Laufbahn führte er seine Überfälle fort, wodurch sich ihm viele Rohlinge anschlossen.
Während der Constitutional Revolution of Persia wandte sich Simko gegen die Konstitutionalisten (städtische Azaris) und unaufgefordert schloss er sich mit 300 Reitern den Streitkräften von Iqbal al-Saltaneh (Governeur von Maku) an, gegen den anjuman von Khoy oder die Konstitutionalisten. Als Belohnung wurde Simko zum Untergouverneur des Qotur-Distrikts ernannt. Um von ihm gegen die konstitutionelle Bewegung profitieren zu können, bestätigte die Zentralregierung seine Ernennung24.
Weder die Türken noch die Russen besetzten vor dem ersten Weltkrieg Shihaks Land; Simkos Kontakte mit beiden waren hauptsächlich indirekt. Er scheint vor 1913 mit pro-osmanischen und anti-russischen Azerbaijanis zusammengearbeitet zu haben, aber 1913 lieferte er einige, die bei ihm um Aufnahme gebeten hatten, den Russen aus, um zu versuchen, deren Wohlwollen zu gewinnen. Offensichtlich war er erfolgreich, denn im selben Jahr notiert ein russischer Beobachter, dass ihm zwei Stammesführer auf russischen Druck hin Treue schworen, die vorher Anhänger von Simkos Hauptgegner Ismail Agha von Kardar Pisaqas gewesen waren.
Zu jener Zeit war Simko in regelmäßigem Kontakt mit kurdischen nationalistischen Kreisen. Nationalistische und private Ambitionen waren untrennbar in ihm verbunden. Er hatte eine Schwester von Sheikh Sayyid Taha geheiratet, Enkel und Nachfolger des berühmten Sheikh Ubeydullah. Das war eine zweckdienliche Heirat, denn Sayyid war der einflussreichste Mann jenseits der Grenze, außerdem ein führender Nationalist. Simko und Sayyid Taha sollten innerhalb der nächsten Dekade häufig zusammenarbeiten. Ein anderer Kontakt Simkos war Abd al-Razzaq Bedirkhan aus der berühmten nationalistischen Familie, die sich zurückführt auf die Emirs von Botan. Zuvor waren Sayyid Taha, Abd al-Razzad und Simkos Bruder Jafar nach Russland eingeladen worden, von wo sie zurückgekehrt waren mit „großzügigen Geschenken“ und ermutigenden Botschaften, die ihre Vorstellung und Ambitionen anregten. 1912 veröffentliche Abd al-Razzaq eine monatlich erscheinende kurdische Zeitung in Urmiyeh. Nach einiger Zeit jedoch wurde er von den Russen aus Urmiyeh ausgewiesen und einen Historiker zufolge war es Simko, der die Verantwortung für die Zeitung übernahm, bis ihr Erscheinen im Jahre 1914 eingestellt wurde25. Simko, Chef des führenden Shikah-Stammes trat 1914 auf als die mächtigste Gestalt unter den anderen kurdischen Stämmen im Nord- und Südteil Iranisch Kurdistans, die über Respekt und Autorität verfügte. Seine Bedeutung war eine Herausforderung für die Zentralregierung.
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22- Shikak ist der Name des großen kurdischen Stammes im Norden von iranisch Kurdistan, das an die heutige Grenze zur Türkei angrenzt. Er setzt sich zusammen aus vielen kleinen Stämmen um Urumeya, Salmas und Khoy. Das Gebiet blieb während des ersten Weltkrieges unberührt. Diese Stämme waren besser organisiert und disziplinierter als andere kurdische Stämme weiter südlich in iranisch Kurdistan.
23- Martin van Bruinissen: „Agha, shaik and state: the social and political structures of Kurdistan. London: Zed Books, 1992 S.32
24- ebenda S. 34
25- ebenda S. 45. [1]