Seit 30 Jahren werden Daten kurdischer Vereine an den Verfassungsschutz und mindestens einmal auch an ausländische Geheimdienste übermittelt. Das geht aus einer Anfrage der linken Abgeordneten Gökay Akbulut hervor.
Kurdische Vereine unterliegen in Deutschland einer Politik der systematischen Kriminalisierung. Dazu gehört auch die Erfassung der Mitglieder und Vertreter:innen der Vereine. Wie aus einer mündlichen Frage der migrationspolitischen Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Gökay Akbulut, hervorgeht, werden aufgrund eines 1994 im Zusammenhang mit dem Verbot der PKK verfassten Erlasses des damaligen Innenministers Manfred Kanther (CDU) alle Daten der kurdischen Vereine automatisch an das BKA und den Inlandsgeheimdienst Verfassungsschutz weitergeleitet. Diese Praxis dauert bis heute an, obwohl der Erlass selbst für das Bundesinnenministerium als nicht mehr auffindbar gilt. Akbulut fordert den sofortigen Stopp dieses „unverantwortlichen Umgangs mit Bürgerdaten“.
Grundrechtsverletzung auf Basis von „verschwundenem“ Erlass
Offenbar wurden allein in den vergangenen drei Jahren dem Geheimdienst und dem Bundeskriminalamt Daten von 209 kurdischen Vereinen übermittelt. So legitimierte 2019 der damalige parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium, Stephan Mayer (CSU), den Grundrechtseingriff mit den Worten: „Nach dem Verbot der PKK organisierten sich PKK-nahe Vereine nach außen sichtbar lediglich unter dem Aspekt der Zugehörigkeit ihrer Mitglieder zur kurdischen Gemeinde, ohne den Bezug zur PKK offenzulegen. Mit dieser klandestinen Vorgehensweise versuchte und versucht man, entsprechende Maßnahmen deutscher Sicherheitsbehörden zu unterlaufen. Aus diesem Grund findet eine grundsätzliche Überprüfung der vom Bundesverwaltungsamt übermittelten Daten auf Anhaltspunkte für Aktivitäten zugunsten der PKK statt.“
Obwohl die Bundesregierung von „Spontanübermittlungen“ spricht und damit suggerieren möchte, dass es sich um Einzelfälle handelt, ist die Übermittlung, wie Mayer 2019 erklärte, per Erlass geregelt. Gegenüber Akbulut erklärte nun der Innenstaatssekretär Mahmut Özdemir (SPD): „Der erfragte Erlass aus dem Jahr 1994 ist leider derzeit nicht auffindbar.“ Die Übermittlung von Daten ist sogar gesetzeswidrig.
Kurdische Identität unter Generalverdacht
Özdemir begründet das Vorgehen juristisch und sagt, dass „Sicherheitsbehörden die erforderlichen personenbezogenen Daten zur Erfüllung ihrer Aufgaben, insbesondere im Hinblick auf mögliche staatsgefährdende Tätigkeiten oder Tätigkeiten, die den Strafgesetzen zuwiderlaufen, übermittelt werden“ könnten. Allerdings zitiert Özdemir das Gesetz selektiv, denn laut Gesetz dürfen nur Informationen ans BfV übermittelt werden, wenn die Vereine verfassungsfeindliche Bestrebungen „erkennen lassen“. Kurdisch sein wird so unter einen gesetzeswidrigen Generalverdacht gestellt. Akbulut bezeichnet die Weitergabe daher als „rechtlich und politisch völlig inakzeptabel“.
Wie die Bundesregierung im April erklärte, wurden solche Daten an mindestens einen ausländischen Nachrichtendienst weitergegeben. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich um den türkischen MIT handelt. Genauere Informationen werden nicht gegeben, da „eine Freigabe durch den ausländischen Nachrichtendienst“ nicht vorliege.[1]