Folter im Gefängnis ist nicht immer eine physische Maßnahme, sondern findet auch auf psychologischer Ebene statt. Rechtsanwalt Fırat Taşkın beschreibt die Hintergründe der Maßnahmen gegen politische Gefangene in der Türkei.
Die Angriffe und Unterdrückungsmaßnahmen des türkischen Staates gegen politische Gefangene werden von Tag zu Tag härter. Jeden Tag kommt ein neues Beispiel für die repressiven Praktiken der Gefängnisverwaltungen hinzu. Politische Gefangene werden nach Vollendung ihrer regulären Haftstrafe nicht entlassen und Kranke bekommen keinen Zugang zu ausreichender medizinischer Versorgung und werden dem Tod überlassen.
Rechtsanwalt Fırat Taşkın, Mitglied der Juristenvereinigung ÖHD, hat sich in Amed (tr. Diyarbakir) gegenüber ANF zu dem unmenschlichen Umgang mit Gefangenen in der Türkei geäußert. Er weist darauf hin, dass der Druck, der durch das derzeitige politische Umfeld entsteht, auch in den Gefängnissen zu spüren ist. Dieser Druck führe zu einer Zunahme von Rechtsverletzungen, die eine systematische Form angenommen und sich zu Folter entwickelt haben, so Taşkın: „Wir wissen, dass Folter nicht nur auf körperlicher Ebene stattfindet, sondern auch auf soziologischer und psychologischer. Das Recht auf Leben, das wichtigste und grundlegendste Recht, steht im Schatten der Sicherheitspolitik in den Gefängnissen. Kranke Gefangene, die nicht in der Lage sind, sich selbst zu versorgen, haben aufgrund des Drucks in den Gefängnissen keinen Zugang zur medizinischen Versorgung, und es wird kein geeignetes Umfeld für ihre Behandlung geschaffen. Die Anträge der Gefangenen auf Aussetzung des Strafvollzugs scheitern an den Haftfähigkeitsbescheinigungen der gerichtsmedizinischen Institute, die in keiner Weise überprüft werden und die entsprechend der aktuellen politischen Atmosphäre keine fairen und unparteiischen Gutachten erstellen.
Leibesvisitation auf dem Weg ins Krankenhaus
Taşkın erinnert daran, dass im vergangenen Jahr 48 kranke Gefangene ums Leben gekommen sind, und sagt: „Obwohl ständig kranke Gefangene ihr Leben verlieren, befinden sich immer noch etwa 1.500 schwer Kranke im Gefängnis. Selbst den dringendsten Behandlungswünschen der Gefangenen wird nicht rechtzeitig entsprochen. Wenn sie zur Behandlung ins Krankenhaus gebracht werden, sind sie trotz schwerer Erkrankungen mit doppelten Handschellen gefesselt und im Gefangenentransporter einem quälenden Druck ausgesetzt. Auf dem Weg zum und vom Krankenhaus werden sie einer Leibesvisitation und einer Munddurchsuchung unterzogen. Der Druck, dem die Gefangenen beim Zugang zur Behandlung ausgesetzt sind, macht die Behandlung zu einer Tortur.
Gefängnisse werden zu Folterzentren
Rechtsanwalt Taşkın weist darauf hin, dass Gefängnisse keine hygienische Umgebung sind und die Gefangenen keinen Zugang zu gesunder und ausreichender Nahrung haben: „Die Tatsache, dass der Vitaminbedarf der Gefangenen nicht gedeckt wird, dass sie nur sehr begrenzten Zugang zu warmem Wasser haben, und viele andere Verstöße erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass die Gefangenen chronische und dauerhafte Krankheiten entwickeln. Der Druck, der Gefängnisse zu Folterzentren macht, macht sich auch soziologisch bemerkbar. Bekanntlich werden die Gefangenen willkürlich in Städte verbannt, die weit von ihren Familien entfernt sind. Auch hier gilt, dass Gefangene, die von ihren Familien isoliert sind, ihre Rechte auf soziale Aktivitäten nicht wahrnehmen können und voneinander ferngehalten werden. Der soziologische Druck, der durch diese und ähnliche Maßnahmen auf die Gefangenen ausgeübt wird, richtet großen Schaden an.
Durchgehende Kameraüberwachung
Den Gefangenen wird eine Isolationspolitik auferlegt, sie stehen bei jeder Bewegung unter psychischem Druck und sind mit der Androhung von Disziplinarmaßnahmen konfrontiert, betont Rechtsanwalt Taşkın: „Wie aus den Entscheidungen der Verwaltung und des Beobachtungsausschusses hervorgeht, werden Gefangene, die die rechtswidrige Auferlegung von Reue nicht akzeptieren, nicht entlassen. Das Recht auf Teilnahme an sozialen Aktivitäten, das grundlegendste Recht der Gefangenen, wird nicht anerkannt. Aufgrund dieser Politik, mit der die Gefangenen isoliert werden, haben sie keinen Zugang zu qualitativen Zeitungen und Zeitschriften, und selbst der Zugang zu Büchern ist nur in bestimmten Fällen möglich. Die Gefangenen werden einer Leibesvisitation unterzogen und durch die in den Abteilungen installierten Kameras dauerhaft überwacht. Mit diesem psychologischen Druck wird versucht, die Gefangenen zu Individuen ohne Identität und Bezug zum Leben zu machen.
Die Gefangenen brauchen öffentliche Unterstützung
Die Gefangenen versuchen, Rechtsmittel gegen diese Praxis geltend zu machen, führt der ÖHD-Anwalt Fırat Taşkın weiter aus. Während von der Vollzugsverwaltung eingeleitete Ermittlungen innerhalb kurzer Zeit mit Disziplinarmaßnahmen abgeschlossen werden, dauert die Bearbeitung der Anträge von Gefangenen meistens sehr lange: „Einwände und Beschwerden werden aufgrund der Politik der Straffreiheit häufig ignoriert. Präzedenzentscheidungen werden von den Verwaltungen oft nicht umgesetzt. Die Rechtsmittel der Gefangenen bringen keine dauerhaften Lösungen. Aus diesem Grund sollten Nichtregierungsorganisationen, die im Bereich Recht tätig sind, mit einer gemeinsamen Haltung handeln und die von ihnen erstellten Berichte internationalen Rechtsinstitutionen und Justizbehörden zugänglich machen. Gegen die Unterdrückung in den Gefängnissen muss sich eine öffentliche Meinung formieren.[1]