Ezidische Verbände fordern eine klare Positionierung der Bundesregierung gegen die völkerrechtswidrigen Angriffe der Türkei auf die #Şengal#-Region im Nordirak. Der Luftraum muss geschlossen und der Autonomiestatus anerkannt werden.
Ezidische Organisationen aus Europa stellen angesichts der türkischen Drohnenangriffe auf die Region Şengal im Nordirak Forderungen an die internationale Gemeinschaft und insbesondere an die Bundesrepublik Deutschland. In der gemeinsamen Erklärung von acht ezidischen Verbänden und Parteien heißt es:
„Wie wir aus der Presse und direktem Kontakt mit Betroffenen unmittelbar aus dem Hauptsiedlungsgebiet der Ezidinnen und #Eziden# in Şengal (Nordirak) entnehmen konnten, gehen die Drohnenangriffe der Türkei in der besagten Region weiter. Am 1. und 3. November 2022 wurden die heilige Stätte Qube Hesine Meman und Sicherheitskräfte der autonomen Selbstverwaltung in Şengal wieder Ziel von türkischen Luftangriffen. Und wieder gab es Tote und Verletzte. Über die Angriffe sind wir entsetzt, zutiefst besorgt und insbesondere über die Tatenlosigkeit der Völkergemeinschaft sprachlos. Hunderttausende Ezidinnen und Eziden haben seit dem Jahre 2014 ihre Heimat bedingt durch den Völkermord des IS verlassen müssen, viele Tausende von ihnen sind verzweifelt darum bemüht, eine Möglichkeit zu suchen, um im Westen Schutz zu finden. Hauptgrund für den Exodus der ezidischen Gemeinschaft aus ihrer Heimat ist unter anderem, dass die Türkei seit Jahren die Angriffe gegen Ezidinnen und Eziden in der Region fortsetzt. Die seitens des türkischen Staates ins Feld geführten Argumente für diese Angriffe sind schlicht falsch, bodenlos und dienen lediglich der Legitimation nach außen.
Die Folgen dieser Attacken sind aber verheerend und katastrophal. Die Wiederansiedlung der vertriebenen Ezidinnen und Eziden und der Wiederaufbau der Dörfer in Şengal werden systematisch verhindert und die Flucht und somit eine Entvölkerung dieser Region werden gezielt forciert.
Vor diesem Hintergrund bitten wir Sie, klare Haltung zu beziehen und den Forderungen der Ezidinnen und Eziden in der Region Şengal Gehör zu verschaffen und Nachdruck zu verleihen.
Wir fordern für die Ezidinnen und Eziden in Şengal:
eine sofortige Schließung des Luftraums über der Region im Nordirak
eine klare Positionierung der der Bundesregierung Deutschlands gegen die Angriffe des #NATO#-Mitglieds Türkei auf die Region
Anerkennung und Schutz des Autonomiestatus der Region Şengal
eine Befriedung der dortigen Verhältnisse, um einen Wiederaufbau und damit eine Wiederansiedlung der Ezidinnen und Eziden in der Region zu ermöglichen“
Unterzeichnet ist die Erklärung von folgenden Organisationen: Zentralverband der êzîdischen Vereine in Deutschland (NAV-YÊK e.V.), Dachverband des êzîdischen Frauenrats (SMJÊ e.V.), Partei der Eziden für Demokratie und Freiheit (PADE-Europavertretung), Êzîdi Exil Council Sinjar (M.Ş.D e.V.), Bündnis der Êzidischen Jugend (HCÊ e.V.), Êzîdisches Zentrum für Kunst und Kultur (NÇÊ e.V.), Bündnis der Êzîden Syriens (HÊS e.V.) und Dachverband der êzîdischen Dorfräte (SMGÊ).
Hintergrund: Völkerrechtswidrige Luftangriffe gegen Genozid-Überlebende
Şengal ist das letzte zusammenhängende Siedlungsgebiet der ezidischen Gemeinschaft und steht dauerhaft im Fokus der grenzüberschreitenden Luftangriffe der Türkei. Unter dem Vorwand der „Bekämpfung der PKK“ kommt es seit 2017 vermehrt zu Luftschlägen durch Kampfflugzeuge und Drohnen der türkischen NATO-Armee, seit 2020 eskalieren diese Angriffe immer wieder. Konkrete Ziele sind hierbei zumeist Repräsentant:innen und Einrichtungen des Demokratischen Autonomierats von Şengal (MXDŞ) und der Selbstverteidigungseinheiten YBŞ/YJŞ, die unter dem Eindruck des Genozids der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) aufgebaut wurden.
Bei dem letzten türkischen Kampfdrohnenangriff am 3. November auf ein Fahrzeug in der nordirakischen Region Şengal ist ein Mensch getötet worden. Es handelt sich um den Eziden Mehsin Şemo, Überlebender des IS-Genozids von 2014. Zwei namentlich bislang nicht bekannte Beifahrer:innen des Mannes, darunter eine Frau, wurden verletzt und in ein Krankenhaus in Şengal gebracht. Der Luftangriff hatte sich am Donnerstagabend um 18.20 Uhr Ortszeit in der Siedlung Al-Nasser im Zentrum von Şengal ereignet.
Am 1. November wurde die Pilgerstätte Qubeya Hesin Meman im Zentrum von Şengal von einer Drohne angegriffen, Angaben aus der Region zufolge kam es dabei zu großem Sachschaden. Ende vergangener Woche wurden zwei Drohnenangriffe aus der Region gemeldet. Ziele waren ein Wohngebäude im selbstverwalteten Städtchen Xanesor und ein Fahrzeug, das auf der Autobahn 47 in Höhe des südwestlich von Şengal-Stadt gelegenen Dorfes Cidalê (Jaddala) fuhr.[1]