22. März 2016 Birgit Gärtner
Das kurdische Neujahrsfest fand im Kontext der eskalierenden militärischen Auseinandersetzung statt
Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Im Falle der Newroz-Feierlichkeiten (Neujahrsfest), die im türkischen Teil Kurdistans am vergangenen Wochenende sowie am Montag begangen wurden, waren es düstere Schatten, die auf bevorstehende schwierige Tage schließen ließen.
Bereits im Vorfeld wurde der britische Akademiker Chris Stephenson wegen des Vorwurfs, die #PKK# zu unterstützen, des Landes verwiesen. Eine Beobachtungsdelegation im Auftrag der Bundestagsabgeordneten der Partei Die Linke, Ulla Jelpke und Andrej Hunko, wurde in Abschiebehaft genommen. Die Feierlichkeiten waren landesweit weitestgehend verboten, in verschiedenen Orten ging die Polizei gewaltsam gegen Demonstrierende vor. In Istanbul wurde dabei eine Person getötet. Die zentrale Feier in Amed (Diyarbakir, Hauptstadt Nordkurdistans) am vergangenen Montag indes war offiziell erlaubt und konnte mit ca. 250.000 Teilnehmenden störungsfrei durchgeführt werden.
Newroz-Feier gestern in Amed. Bild: Vural Tantekin
Eine Lösung im Kurden-Konflikt ist derzeit leider nicht in Sicht. Dazu die Bedrohung durch den Terror, die Versorgung der vielen syrischen Flüchtlinge im Land, fasste ARD-Moderatorin Natalie Amiri am vergangenen Sonntag im ARD-Weltspiegel die Lage zusammen. Viele Türken stellen sich auf ein schwieriges, ein instabiles Jahr ein. Auch die EU beobachtet die Türkei mit Sorge. Braucht aber das Land als wichtigsten Partner bei der Bewältigung der Flüchtlings-Krise; und schaut daher lieber weg, wenn Präsident Erdogan demokratische Grundrechte immer weiter aushöhlt, und versucht, alles, was nach Opposition aussieht, mundtot zu machen.
Gleich zwei Beiträge widmete der Weltspiegel am vergangenen Sonntag dem Thema Türkei/Kurdistan: einen im Hinblick auf den am kommenden Freitag beginnenden Prozess gegen den Chefredakteur der linksliberalen Tageszeitung Cumhüriyet, Can Dündar, und seinen Kollegen Erdem Gül. Sowie einen weiteren zur Lage in Amed (Diyarbakir), wo bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen und Teile der Stadt vom Militär komplett von der Außenwelt abgeschirmt werden. Vermutlich hatte das bevorstehende Newroz-Fest die ARD dazu verleitet, sich ausführlich mit dem Prozess und der Lage in den kurdischen Gebieten zu befassen.
Newroz: Der Neue Tag
Traditionell wurde in den Gebieten, die das heute viergeteilte Kurdistan ausmachen, aber auch in Persien am 21. März das Neujahrsfest begangen. Das Wort Newroz setzt sich ursprünglich aus den Silben nu (neu) und roj (Tag) zusammen. Im Iran wird es heute als Nouruz und in Kurdistan als Newroz begangen. Der neue Tag sollte den Beginn des neuen Jahres nach den langen, oft harten und entbehrungsreichen Wintermonaten markieren, und die Freude über das nun beginnende neue Leben in der Natur ausdrücken.
Seit dem 10. Mai 2010 ist der 23. März auf Beschluss der UN als Internationaler Nouruz-Tag anerkannt. Mehr als 300 Mio. Menschen auf der Balkanhalbinsel, in der Schwarzmeerregion, im Kaukasus, in Zentralasien und im Nahen Osten begehen diesen Tag. Am 30. September 2009 nahm die UNESCO den Nouruz-Tag in die Liste der Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit auf.
Der Schmied Kawa
In der kurdischen Mythologie steht der neue Tag für die Hoffnung auf ein besseres Leben. Und Newroz steht für Widerstand, weshalb das Fest der höchste Feiertag in Kurdistan ist. Die Verknüpfung des Neujahrsfestes mit dem Widerstand geht auf den Schmied Kawa zurück. Der soll der Sage nach das kurdische Volk vom persischen Tyrannen Dehok befreit haben.
Dehok plagten demnach zwei Tumore auf den Schultern, aus denen jeweils eine Schlange wuchs. Um diese im Zaum zu halten, sollten täglich zwei menschliche Gehirne an sie verfüttert werden. Das bedeutete im Klartext, dass täglich zwei junge Männer ihr Leben lassen mussten. Darunter auch die beiden Söhne des Schmiedes Kawa. Schließlich wurde dazu übergegangen, ein menschliches und ein tierisches Gehirn, z.B. von einem Schaf, zu verfüttern, um zumindest einigen jungen Männern das Leben zu retten. Wessen Idee das war, die des Herrschers oder derer, die für den Gehirn-Nachschub zu sorgen hatten, darüber gehen die Meinungen in der Geschichtsschreibung auseinander.
Jedenfalls war es Kawa irgendwann leid, dem Morden tatenlos zuzusehen, und er rief die männliche Bevölkerung zusammen, mit denen er den Palast überfiel und Dehok mitsamt der Schlangen tötete. Diese vermutlich erste kurdische Palastrevolution, mit der Kawa in die Geschichte Kurdistans als Held einging, soll sich am 21. März im Jahre 612 v. Chr. ereignet haben. Mit Verweis auf den widerständigen Schmied wurde und wird der neue Tag mit Kundgebungen und Demonstrationen als politischer Kampftag begangen.
Blutiger Tag des Widerstands
Sowohl im irakischen als auch im türkischen Teil Kurdistans war, bzw. ist Newroz quasi der Lackmustest für die politische Lage der Bevölkerung. Im Zuge des nach dem Militärputsch 1980 erstarkenden Widerstands der kurdischen Bevölkerung gegen die türkische Besatzung gewann der 21. März an politischer Bedeutung. Im irakischen Teil war es seit 1975 verboten, das Fest offiziell zu begehen.
Am 21. März 1982 steckte der im Zuge des Militärputsches verhaftete PKK-Mitbegründer Mazlum Dogan seine Zelle im Gefängnis in Amed in Brand und erhängte sich. Dafür wird er bis heute als Held gefeiert.
Die Zustände in den Gefängnissen in der Türkei, insbesondere den kurdischen Gebieten, Anfang der 1980er Jahre, hat der ehemalige Bürgermeister von Amed, Mehdi Zana, in seinem Buch Hölle Nr. 5 anschaulich beschrieben.
Drei Tage vor Newroz, am 18.3.1988, ließ das irakische Regime unter Saddam Hussein die kurdische Stadt Halabja mit Giftgas bombardieren. Dabei kamen etwa 5.000 Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, qualvoll ums Leben. 1991 kam es am 21. März zu einem Aufstand in den kurdischen Gebieten. Während verschiedener militärischer Operationen starben in den Jahren 1997/98 etwa 100.000 Zivilpersonen, größtenteils ebenfalls bei Giftgasangriffen.
In den kurdischen Gebieten in der Türkei war der Tag über Jahrzehnte hinweg begleitet von massiven Polizeieinsätzen und militärischen Operationen, bei denen es immer Tote gab.
Im Zuge der Phase der Verhandlungen zwischen der türkischen Regierung und der kurdischen Guerilla PKK konnten die Feierlichkeiten zwischen 2012 und 2015 weitestgehend friedlich begangen werden. Bilder von friedlichen Festivitäten, z.B. aus Amed, wo bis zu einer Million Menschen fröhlich feierten, gingen um die Welt.
Der türkische Staat setzt auf Härte
Seitdem die AKP (Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung ), die Partei des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, bei den Parlamentswahlen im so starke Verluste hinnehmen musste und das pro-kurdische Wahlbündnis HDP (Demokratische Partei der Völker) die 10%-Hürde sowohl bei der ersten als auch der zweiten Parlamentswahl im Juni, bzw. November 2015 übersprang, hat sich Lage der Kurdinnen und Kurden im Land drastisch verschlechtert.
In dem genannten Bericht des ARD-Weltspiegels wurde konkret über die Lage in Amed berichtet. Dort ist u.a. der Stadtteil Sur hermetisch abgeriegelt.
Militärfahrzeuge auf den Straßen, Explosionen, manchmal im Minutentakt, und Straßensperren an jeder Ecke: So begrüßt uns die Stadt Diyarbakir im Südosten der Türkei. Schon am Flughafen macht sich die unheimliche Atmosphäre bemerkbar und wir erahnen bereits, was uns erwartet. Der Taxifahrer, der uns ins Zentrum bringt, spricht nur von der Situation, mehr will er dazu nicht sagen. Zu groß ist die Angst, ein falsches Wort zu benutzen - und in den Verdacht zu geraten, gegen die Regierung zu sein.
Denn seit mehreren Monaten bekämpfen sich in Diyarbakir türkische Sicherheitskräfte und Kämpfer der verbotenen Arbeiterpartei PKK. Die historische Altstadt Diyarbakirs, genannt Sur, ist in bestimmten Teilen komplett von der Außenwelt abgeriegelt. Dort finden die Gefechte statt. Durchgängige Ausgangssperren - und das seit über drei Monaten.
So beschreiben die ARD-Korrespondentinnen Katharina Willinger und Gülseren Ölcüm ihre Eindrücke
In der Reportage vom vergangenen Sonntag kommt u.a. Fahriye Cukur zu Worte, eine einfache kurdische Frau, deren Tochter Rozerin bei den Gefechten im Stadtteil Sur ums Leben kam. Bis heute, ca. 100 Tage nach ihrer Ermordung, wurde es der Familie nicht erlaubt, den Leichnam der jungen Frau zu bergen. Die Mutter muss laut Weltspiegel befürchten, dass ihre tote Tochter immer noch auf der Straße im abgesperrten Bezirk liegt. Derzeit ist von weiteren Angriffen, u.a. auch von Giftgaseinsätzen, die Rede (Türkei: Der schmutzige Krieg unter Ausschaltung der Öffentlichkeit).
Newroz im Schatten der eskalierenden militärischen Auseinandersetzung
Schon in der Woche vor Newroz zeichnete sich ab, dass die türkische Regierung mit aller Härte gegen die kurdische Bevölkerung sowie alle Personen, die ihnen verdächtig erscheinen, diese zu unterstützen, vorgehen wird.
Zunächst traf es den britischen Akademiker Chris Stephenson, der seit 25 Jahren in Istanbul lebt und an der dortigen Bilgi Universität lehrt. Stephenson wollte an einem Prozess gegen drei Kollegen teilnehmen, die sich der Initiative Akademiker für den Frieden angeschlossen hatten, am 16. März 2016 verhaftet wurden und wegen Terrorpropaganda angeklagt sind. Bei der Durchsuchung am Eingang des Gerichts wurden Flugblätter für ein Newroz-Fest in Stephensons Tasche gefunden, der Wissenschaftler umgehend verhaftet und in Abschiebehaft genommen.
Kurz darauf wurde eine Delegation am Flughafen in Antalya festgesetzt. Diese bestand aus vier Menschenrechtsaktivistinnen, die im Auftrag der beiden Linken-Bundestagsabgeordneten Jelpke und Hunko verschiedene Newroz-Feierlichkeiten beobachten sollten. Dieser Auftrag endete ebenfalls im Abschiebeknast.
Fast im ganzen Land waren die Newroz-Feiern verboten. Trotzdem sammelten sich in Istanbul und vielen anderen Städten insgesamt hunderttausende Menschen, die sich ihr Fest nicht nehmen lassen wollten. In Istanbul ging die Staatsmacht mit Gewalt, u.a. mit massivem Einsatz von Tränengas, gegen die Demonstrierenden vor. Dabei kam eine Person ums Leben. Eine Autopsie soll nun die genauen Umstände des Todes klären.
Am vergangenen Freitag fand in Immersiv eine Kundgebung statt, an der Selahattin Demirtaş, der Co-Vorsitzender der pro-kurdischen HDP, teilnahm. In Dersim verlief die Kundgebung friedlich und die Polizei verzichtete darauf, das Verbot gewaltsam durchzusetzen. In Hatay wurde eine kleine Kundgebung von der Polizei aufgelöst und ein Dutzend Menschen wurden festgenommen. Am vergangenen Samstag nahmen tausende Menschen an einer Kundgebung in Van teil, die ebenfalls trotz Verbot stattfinden konnte.
Batman: Kundgebung mit massiver Polizeipräsenz
Auch in Batman, einer kurdischen Stadt mit ca. 500.000 Einwohnern, war das für vergangenen Sonntag geplante Newroz-Fest verboten. Auch hier sammelten sich trotzdem Menschen, und auch hier sollte Demirtaş sprechen. Eine Gruppe von deutschen Aktivistinnen, die die Geschehnisse in Batman beobachtete, beschreibt die Ereignisse folgendermaßen:
... Nach ca. zwei Stunden machten wir uns gemeinsam mit Selahattin Demirtaş und ca. 50 Autos auf den Weg in die Stadt. Dabei wurden wir zwei Mal von schwer bewaffneten Militärs und Polizisten daran gehindert, in die Stadt zu gelangen. Neben gepanzerten Polizeifahrzeugen waren auch schwere Truppentransporter im Einsatz. Die Militärs bzw. Polizisten waren zum Großteil vermummt. Nach ca. einer Stunde erreichten wir die Innenstadt Batmans, wo trotz Verbots eine Newroz-Kundgebung stattfinden sollte. Die Polizei- und Militärpräsenz war auch hier sehr schwer. Zahlreiche Wasserwerfer, gepanzerte und mit Maschinengewehren ausgestattete Fahrzeuge, Polizeitrupps und zivile Sicherheitskräfte säumten die Plätze und sperrten Straßen ab.
Trotz dieser angespannten Lage versammelten sich ca. 2000-3000 Menschen, um den Reden zum Newroz-Fest zu folgen. Selahattin Demirtaş warf in seiner Rede den politischen Verantwortlichen eine ignorante und perspektivlose Konfrontationspolitik vor. Den Widerstand der Bevölkerung Batmans gegen die Repressionen stellte er in Zusammenhang mit dem Widerstandsgeist des Newroz-Festes.
Notiz: Die Gruppe von uns, die den lokalen Parlamentsabgeordneten begleitete, wurde im Laufe des Nachmittags Zeug_in massiver Polizei- und Militärgewalt. Wasserwerfer schossen unablässig mit Wasser, dem ätzende Stoffe beigesetzt waren, in die Menschenmenge in der Innenstadt. Polizist_innen in Uniform und in Zivil jagten Menschen durch die Straßen und schossen mit Tränengasgeschossen in die Menschenmenge. Dabei wurde unsere Beobachter_innengruppe gezielt mit Trängengasgeschossen beschossen, als sie aus dem lokalen Gebäude der HDP heraus die Auseinandersetzungen beobachtete.
Bewaffnete Sicherheitskräfte in Zivil zielten mit ihren Maschinengewehren auf unsere Gruppe. Zudem wurde mehrmals mit scharfer Munition in die Luft geschossen. Unsere Beobachter_innengruppe wurde Zeugin einer Verhaftung. Besonders irritierend war die Präsenz komplett vermummter und zivil gekleideter männlicher und weiblicher Personen, die mit Knüppeln oder Maschinengewehren bewaffnet gegen die feiernden Menschen vorgingen.
Newroz-Beobachtung
Friedliche Massenkundgebung in Amed
Trotz all der Berichte über gewalttätige Polizeieinsätze in verschiedenen türkischen und kurdischen Städten konnten etwa 250.000 Menschen unbehelligt ihren neuen Tag in Amed begehen. Das bestätigte der kurdische Schauspieler Vural Tantekin gegenüber Telepolis. Die Stimmung sei super und die Lage entspannt, so der in Amed lebende Künstler, der auf seiner Facebook-Seite Fotos von der zentralen Feier postete.
Bleibt zu hoffen, dass die Staatsmacht sich tatsächlich zurückhält, und nicht die Menschen, die oft weite Wege in Kauf nehmen, um in Amed dabei sein zu können, auf ihrem Heimweg attackiert. Auch das gehört zu den leidvollen Erfahrungen, die die kurdische Bevölkerung an ihrem neuen Tag in der Vergangenheit machen musste.
Falsche Fragen gestellt
Auch in den 1980er und 1990er Jahren, der Hochzeit des bewaffneten Konflikts zwischen dem türkischen Staat und der PKK, ging Repression gegen linke und fortschrittliche Kräfte im ganzen Land Hand in Hand mit den militärischen Operationen und der Vertreibung der kurdischen Bevölkerung und Zerstörung ihres Lebensraums.
Auch diese unselige Tradition ließ Erdogan im vergangenen Jahr wieder aufleben. Neben der Inhaftierung der Akademiker für den Frieden haben vor allem Medien das Augenmerk der AKP-Regierung auf sich gezogen. Zunehmend versucht die Regierung, die Medien unter ihre Kontrolle zu bekommen. So ließ sie den Chefredakteur der linksliberalen Tageszeitung Cumhürriyet, Can Dündar, und seinen Kollegen Erdem Gül verhaften. 92 Tage saßen die beiden Männer in Untersuchungshaft, weil Erdogan fand, sie hätten das Falsche geschrieben.
Vor allem aber haben sie falsche Fragen gestellt, nämlich ob es sich bei einem als Hilfslieferung deklarierten LKW-Konvoi nach Syrien im Frühjahr 2015 in Wahrheit um eine getarnte Waffenlieferung handelte. Bei ihrem Bericht bezogen die beiden Journalisten sich auf einen Bericht der Staatsanwaltschaft. Trotzdem wurden sie der Spionage und der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung bezichtigt, und in U-Haft genommen. Diese wurde vom obersten Verfassungsgericht der Türkei für nicht rechtens befunden, so dass die beiden unter Protest Erdogans aus der U-Haft entlassen wurden. Am kommenden Freitag beginnt ein Prozess gegen Dündar und Gül, bei dem sie sich wegen der gegen sie erhobenen Vorwürfe verantworten müssen. Beiden droht jeweils bis zu 15 Jahren Haft.
Repression gegen alles, was nach Opposition riecht
Cumhüriyet ist ein Beispiel von vielen. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Immer mehr Medienhäuser werden unter staatliche Kontrolle gebracht, so z.B. auch die Tageszeitung Zaman. Ausländischen Journalistinnen und Journalisten, die Erdogan und die AKP-Regierung kritisieren, werden ebenfalls mit dem Vorwurf überzogen, mit der PKK zu sympathisieren. So zogen u.a. Spiegel und Welt ihre Türkei-Korrespondenten ab.
Den ausländischen Medienleuten wird z.T. die Verlängerung der Presseausweise verweigert, was einem Berufsverbot gleichkommt. Auch eine skandinavische Kollegin verließ deshalb die Türkei. Vermutlich ist sie ins Visier der türkischen Behörden geraten, weil sie mit einem Kurden zusammenlebt.
Terroranschläge erschüttern das Land
Neben dem eskalierenden Bürgerkrieg im Südosten der Türkei nehmen Bombenanschläge im Westen des Landes zu. Die Verantwortung dafür übernimmt mal die Terrormiliz Islamischer Staat (IS), mal die Freiheitsfalken, eine militante Abspaltung der PKK.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sah sich deshalb am vergangenen Freitag genötigt, die Botschaft in Ankara, das Konsulat in Istanbul sowie die deutschen Schulen in beiden Städten vorübergehend zu schließen.
Zeitgleich verhandelte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) federführend für die EU mit der türkischen Regierung über die Bedingungen der Rücknahme von syrischen Flüchtlingen (Tag Eins des EU-Türkei-Deals). Das Land, für das ihr Regierungskollege Steinmeier Reisewarnungen ausgibt und staatliche Institutionen und Schulen aufgrund der prekären Sicherheitslage schließen lässt, wurde zum sicheren Drittstaat erklärt, in den Flüchtlinge zurückgeschickt werden können.
Auch wenn darüber auf international juristischer Bühne das letzte Wort noch nicht gesprochen ist, mutet es doch seltsam an. Oder, wie Weltspiegel-Moderatorin Miriam schlussfolgerte: Die EU, allen voran Merkel, guckt einfach weg, lässt Erdogan weiterhin mit dem Feuer spielen, demokratische Grundrechte aushöhlen und die militärischen Auseinandersetzungen eskalieren.[1]