Von Caspar Schliephack
Seit einigen Tagen wird in den sozialen Medien ein Video verbreitet, das die Zwangskonversion zweier jesidischer Männer im nordsyrischen Afrin zeigen soll.
In dem etwa einminütigen Video sitzen zwei Männer, die neben einem bärtigen Mann in traditionellem Gewand sitzen – offenbar ein Imam. Der Imam kündigt zu Beginn des Videos an, dass die beiden jesidischen Männer aus Afrin nun zum Islam übertreten würden. Er fordert sie anschließend auf, ihre Namen zu nennen und ihm das islamische Glaubensbekenntnis nachzusprechen. Die beiden Männer fügen sich ohne Widerspruch. Am Ende des Videos umarmt der Imam die beiden Männer und beglückwünscht sie zu ihrer Konversion.
Zwar bestehen noch keine gesicherten Erkenntnisse zu den Hintergründen des Videos, was eine unabhängige Bestätigung der Vorwürfe erschwert. Da es in Syrien jedoch seit Jahren zu Übergriffen und Verfolgungshandlungen gegen religiöse Minderheiten durch islamistische Akteure kommt, erzeugte das Video gerade unter jesidischen Userinnen und Usern sehr emotionale Reaktionen: Von Angst über ihre in Syrien verbliebenen Angehörigen über verzweifelte Aufrufe an die internationale Gemeinschaft nach Schutz für Jesiden in Syrien bis hin zu offener Ablehnung gegenüber den islamistischen Milizen, die derzeit die Region Afrin kontrollieren.
Der Imam soll verschiedenen unbestätigten Angaben zufolge der Miliz „Ahrar al Sharqiya“ nahestehen. Die Miliz „Ahrar al Sharqiya“, die offiziell Teil der „Syrischen National Armee“ ist, gilt als Sammelbecken für islamistische Kämpfer und beteiligte sich in der Vergangenheit aktiv an türkischen Militäroperationen in Nordsyrien. Auch ehemalige Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat, Ahrar Al-Sham und der Al-Nusra – ehemals Al Qaeda – sollen in den Reihen dieser Miliz kämpfen. Immer wieder berichten lokale Medien über Menschenrechtsverletzungen und kriminelle Aktivitäten der „Ahrar al-Sharqiya“ in der Region Afrin, wo die Gruppe gemeinsam mit anderen von der Türkei unterstützten Milizen um die Macht kämpft.
In der Region Afrin lebten vor Ausbruch des Bürgerkriegs mehrere Tausend Jesidinnen und Jesiden, von denen nach Jahren der Gewalt und gezielter Verfolgung jedoch nur noch wenige, zumeist ältere Menschen, in ihren Heimatdörfern verblieben sind.[1]