Annette Leyssner
Der ehemalige Dozent der Freien Universität Berlin wurde für seinen Einsatz für Minderheiten und die Vermittlung kurdischer Sprache und Kultur geehr.
Der Literatur- und Sprachwissenschaftler, kurdische Schriftsteller sowie frühere Kurdisch-Dozent der Freien Universität Berlin, #Feryad Fazil Omar# , ist am 21. Dezember 2022 mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland geehrt worden. Im Rahmen einer von der Ernst-Reuter-Gesellschaft maßgeblich initiierten und unterstützten Veranstaltung in der ,Rostlaube‘ wurde ihm der Orden von Berlins Wissenschaftssenatorin Ulrike Gote überreicht.
Feryad Fazil Omar weiß aus eigener Erfahrung, wie sehr Angehörige des kurdischen Volkes oft unter willkürlichen Repressalien leiden: Er durfte während seiner Kindheit in der Stadt Silêmanî in der heutigen Autonomen Region Kurdistan im Irak an der Schule nicht Kurdisch sprechen. Als Jugendlicher verlor er bei Polizeifolter die Sehkraft in einem Auge.
Im Alter von 28 Jahren kam der kurdische Sprachwissenschaftler und Schriftsteller 1978 mit einem Stipendium an die Freie Universität Berlin – und blieb. Viele Jahre lehrte er kurdische Sprache, Geschichte und Literatur. Mit Wörterbüchern und Lexika schuf er Standardwerke zur Vermittlung des Kurdischen; übersetzte auch Bücher und schreibt selbst Prosa und Lyrik. Als Gründer und Präsident des Instituts für Kurdische Studien Berlin und ehemaliger Bundesvorsitzender der Gesellschaft für bedrohte Völker setzt er sich für Menschenrechte ein. Im Februar dieses Jahres wurde Feryad Fazil Omar von der Salahaddin University in Erbil mit dem PhD ehrenhalber ausgezeichnet. Im Mai dieses Jahres wurde er Ehrenmitglied der Kurdischen Akademie für Wissenschaften.
„Enthusiastischen Lehrer und wegweisender Forscher“
Feryad Fazil Omar lehrte viele Jahre an der Freien Universität – und erhielt nun eine hohe Auszeichnung.
Wissenschaftssenatorin Ulrike Gote ehrte Feryad Fazil Omar am 21. Dezember 2022 im Hörsaal der Freien Universität mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande. „Sie haben die Menschenrechtsarbeit in Deutschland maßgeblich geprägt“, betonte Gote. Darüber hinaus sei der Wissenschaftler durch die Übersetzung kurdischer Texte ins Deutsche und Englische und seine eigene schriftstellerische Arbeit eine „poetische Stimme des kurdischen Volkes“. Wörterbücher und Lexika des „enthusiastischen Lehrers und wegweisenden Forschers“ seien Jahrhundertwerke.
Die Ehrung wurde unter anderem von Jan Diedrichsen, Omars Nachfolger im Bundesvorsitz der „Gesellschaft für bedrohte Völker“, angeregt. Auch Peter Lange, Vorsitzender der Ernst-Reuter-Gesellschaft und ehemaliger Kanzler der Freien Universität, hatte die Auszeichnung unterstützt – zusammen mit der Iranistik-Professorin Dr. Maria Macuch und der Ersten Vizepräsidentin der Freien Universität, Prof. Dr. Verena Blechinger-Talcott. „Sie haben die kurdische Nation sichtbar gemacht“, sagte Blechinger-Talcott. Sein Engagement für Menschenrechte hob auch sie hervor: „Das passt zur Freien Universität, das liegt in unserer DNA“, sagte Blechinger-Talcott. „Wir sind stolz, dass Sie Mitglied dieser Universität sind.“
„Sie haben die kurdische Nation sichtbar gemacht“
In vielen Ländern seien Kurden „brutaler staatlicher Assimilierungspolitik“ ausgesetzt, betonte der der Bundesvorsitzende der Kurdischen Gemeinde Deutschland, Ali Ertan Toprak. Feryad Fazil Omar sei eine wichtige Stimme, nicht nur für die etwa 1,5 Millionen Kurden, die in Deutschland eine Heimat gefunden haben. Immer wieder hätten persische, osmanische, mesopotamische Machthaber versucht, die kurdischen Minderheiten zu assimilieren und ihre Sprache zu verbieten. In vielen Ländern der Welt sei Feryad Fazil Omar entscheidend beteiligt am „Kampf gegen die Auslöschung der kurdischen Sprache und kulturellen Identität“.
Maria Macuch, Professorin für Iranistik und Vorstandsmitglied des Instituts für Kurdische Studien Berlin, hob insbesondere den „unbezwingbaren Geist“ von Feryad Fazil Omar hervor. Seine Wörterbücher mit Hunderttausenden von Eintragungen umfassten Hochsprache und Umgangssprache, sie hätten die Auseinandersetzungen mit kurdischer Kultur in Deutschland erst möglich gemacht. Insbesondere die Übersetzung des Nationalepos des kurdischen Volkes „Mem u Zîn“ (Mädchen und Junge) aus dem 17. Jahrhundert ins Deutsche und Englische habe einen großen Beitrag dazu geleistet, dass kurdische Kultur Weltliteratur werden konnte.
Zum Abschluss kam natürlich der Geehrte selbst zu Wort. Sein Anliegen seien nicht nur Einsatz für die Rechte der Kurden, sondern für die aller Minderheiten, die keine eigene Stimme haben, betonte Feryad Fazil Omar. „Ich vertrete die, die sich nicht selber vertreten können“, sagte der 72-Jährige. Der ehemalige Dozent am Institut für Iranistik blickte mit einem Augenzwinkern auf den Beginn seiner jahrzehntelangen Tätigkeit dort zurück: So sei er 1982 gebeten worden, zwei Wochenstunden Kurdisch zu unterrichten, und zwar „unbesoldet“. Das Wort „unbesoldet“ habe er nicht gekannt, erinnert sich Feryad Fazil Omar. Als dann aber weiter ausgeführt wurde „die Mittel sind knapp“, habe er verstanden, was von ihm gewünscht wurde – und habe gerne der Bitte entsprochen. Da es an grundlegenden Unterrichtsmaterialien fehlte, erstellte er diese kurzerhand selbst. Das mag der Beginn auf dem Weg zum Lebenswerk des Kulturvermittlers und Sprachwissenschaftlers gewesen sein – der nun mit der Verleihung eines Bundesverdienstkreuzes eine große Ehrung erfuhr.[1]