Bei einem Spiel von #Amedspor# in Bursa kam es zu schweren Angriffen auf die Spieler und Verantwortlichen des Vereins. Sowohl staatliche Sicherheitskräfte und Spieler als auch Fans waren an dem organisierten Lynchversuch beteiligt.
Das Heimspiel von Bursaspor gegen den kurdischen Verein Amedspor entwickelte sich zu einem rassistischen Lynchangriff auf die kurdischen Fußballspieler im städtischen Stadion von Bursa. Die Attacke auf den kurdischen Verein aus Amed (tr. Diyarbakir) war organisiert und begann bereits in der Nacht zum Spieltag. In der Nacht von Samstag auf Sonntag versammelte sich ein rassistischer Mob vor dem Hotel in Bursa, wo Amedspor eingecheckt hatte. Es wurden der faschistische Mehter-Marsch (ursprünglich Militärmusik der Osmanen) und rassistische Parolen wie „Glücklich schätze sich, wer sich Türke nennen kann“ gerufen. Gleichzeitig feuerte der rassistische Mob Feuerwerkskörper auf das Hotel ab.
Übergriffe beginnen bereits vor dem Spiel
Am Sonntag begannen die Übergriffe bereits vor dem Spiel. Als die Spieler heraustraten, um den Rasen zu inspizieren, wurden sie mit rassistischen Parolen von den Tribünen empfangen. Als einige Spieler gegen die Angriffe protestierten, wurden sie von den Spielern von Bursaspor attackiert. Unter anderem wurden die Spieler auf übelste Weise beschimpft. Es blieb aber nicht bei verbalen Attacken und es folgten körperliche Angriffe auf die Spieler von Amedspor, die erst mit dem Eingreifen der Polizei unterbrochen wurden. Beide Teams wurden in die Umkleidekabinen zurückgeschickt. Auf dem Rückweg wurden die Spieler von Amedspor von den Tribünen aus mit Gegenständen beworfen.
Fans von Bursaspor feiern Todesschwadronen
Gleichzeitig wurden auf den Tribünen von Bursaspor Transparente mit Bildern des JITEM-Verbrechers Mahmut Yıldırım („Yeşil“) und von einem weißen Renault Toros gezeigt. Weiße Renault Toros sind ebenso wie die Bilder von Mahmut Yıldırım Symbole des Staatsterrors der 1990er Jahre. Mindestens 17.000 Menschen wurden in den 80er und 90er Jahren in der Türkei Opfer der Praxis des „Verschwindenlassens”. Die Leichen wurden in Massengräbern, Höhlen oder in stillgelegten Industrieanlagen verscharrt, auf Müllhalden geworfen, in Brunnenschächten und Säuregruben versenkt oder wie in Argentinien durch den Abwurf aus Militärhubschraubern beseitigt. Yıldırım war unter dem Decknamen Yeşil (Grün) an zahlreichen dieser Morde beteiligt. Neben seinem Konterfei zeigten die Bursaspor-Hooligans auch Bilder von weißen Renaults vom Typ Toros. Das waren die typischen JITEM-Dienstfahrzeuge. Wenn die Todeskommandos in ihren weißen Autos auftauchten, wusste man, dass bald wieder jemand aus der Nachbarschaft verschwinden würde. Das Zeigen der Bilder stellt nicht nur eine Provokation, sondern eine direkte Morddrohung dar.
Gefährliche Gegenstände geworfen
Dennoch entschied sich Amedspor zu spielen. Während der Partie wurden Becher, Flaschen, Patronen, Messer, Feuerwerkskörper und andere pyrotechnische Gegenstände mit dem Ziel, Amedspor-Spieler zu verletzen, in Richtung Spielfeld geworfen. Der Torwart wurde an mehreren Stellen getroffen. Vier Spieler und drei Verantwortliche des Vereins wurden verletzt. Amedspor unterlag unter einem Hagel von Bechern, Flaschen und anderen gefährlichen Gegenständen zwei zu eins gegen Bursaspor. Wie Aufnahmen des Journalisten Mahmut Bozarslan zeigen, wurden nicht nur Flaschen, sondern auch Messer und Platzpatronen auf das Spielfeld geworfen. Bozarslan erklärte dazu via Twitter: „Messer und Platzpatronen auf dem Spielfeld während des Spiels Bursaspor-Amedspor.... Bei so viel Schmerz kann sich dieses Land keinen weiteren Schmerz leisten.“
Amedspor-Vorsitzender: „Gratuliere den Spielern für ihren Mut“
Im Anschluss an das Spiel gratulierte der Vorsitzende von Amedspor, Selahattin Yıldırım, den Spielern für ihren Mut: „Ich möchte unseren Löwen, Trainern und Betreuern gratulieren, die heute, trotz der bereits seit gestern andauernden Barbarei, der Angriffe, des mangelnden Eingreifens eines TFF-Präsidenten (Bursaspor), der sein Telefon einfach ausschaltete, und eines Schiedsrichters, der bereit war, den Tod von Menschen in Kauf zu nehmen, statt das Spiel abzubrechen, auf dem Spielfeld furchtlos gekämpft haben.“
Angriffe gingen nach dem Spiel weiter
Nach dem Spiel gingen die Angriffe weiter. In der Erklärung des Vereins heißt es, dass der private Sicherheitschef von Bursaspor, das Vereinspersonal und die Polizei die Spieler nach dem Spiel in den Gängen der Umkleidekabine angegriffen haben.
Staatsmedien relativieren Angriff
Die staatstreuen türkischen Medien relativieren den Angriff als „Revanche“ für ein Auswärtsspiel von Bursaspor in Amed letzten September. Damals hatte eine Handvoll kurdische Fans die Ala Rengîn, die kurdische Fahne gezeigt. Sechs Personen wurden damals unter Terrorvorwürfen festgenommen.
Anwaltskammer von Amed stellt Anzeige
Nach dem Spiel Bursaspor-Amedspor gab es bislang nur sieben Festnahmen und drei Freistellungen wegen „mangelhaften Kontrollen beim Einlass“. Die Anwaltskammer von Amed (tr. Diyarbakır) erstattete Anzeige wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Erniedrigung, vorsätzlicher Vernachlässigung der Sicherheit und Amtsmissbrauch.
HDP: „Wir haben uns niemals vor den Überresten des JITEM oder seinen Herren gebeugt“
Angesichts des organisierten Angriffs forderten die Ko-Vorsitzenden der HDP, Pervin Buldan und Mithat Sancar, den sofortigen Rücktritt des Gouverneurs, der Verantwortlichen in den Sicherheitskräften und des Vereinsvorstands. Sie erklärten: „Dieses Klima des Hasses und des nationalistischen Chauvinismus ist das Lebenselixier der derzeitigen Regierung und des Regimes. Dies ist das Umfeld, das sich die Regierung wünscht. Wir werden die Paramilitarisierung der gesamten Gesellschaft niemals zulassen. Alle sollten wissen, dass wir uns nie vor den Überresten des JITEM und ihren Herren gebeugt haben. Heute stehen wir aufrecht, wir befinden uns im Kampf, wir stehen hier gegen die Erbärmlichkeit des Regimes, das sich in Kontra-Strukturen und weiße Renault Toros flüchtet.“
Fans: Wir werden auch euren „Yeşil“ besiegen
Fans von Amedspor reagierten ebenfalls auf das Abfeiern von Massenmördern durch Bursasportfans und posteten Aussagen wie: „Wir werden auch eure weißen Toros und euren Yeşil besiegen.“
Das Einzige, was in der Türkei nicht verboten ist, ist antikurdischer Rassismus“
Der HDP-Abgeordnete Murat Sarısaç erklärte via Twitter: „Das Einzige, was in der Türkei nicht verboten ist, ist Rassismus gegen Kurden. Diejenigen die sagen, Fußball und Politik dürften nicht vermischt werden, schauen seit zwei Tagen bei den rassistischen Angriffen auf Amedspor einfach zu.“
Klare Botschaft vor den Wahlen
Die Angriffe stellen eine klare Botschaft vor den Wahlen dar. Der faschistische Mob ist eine Drohung für alle, die keine Zukunft unter dem faschistischen AKP/MHP-Regime wollen. Das Zusammenkommen von Übergriffen faschistischer Mobs und der Polizei zeigt einmal mehr, dass der Faschismus in der Türkei bereit ist, seine Lynchmobs jederzeit von der Leine zu lassen und möglicherweise das Land im Falle einer Niederlage mit einem Bürgerkrieg zu überziehen. Der AKP/MHP-Faschismus beweist damit erneut, dass er nicht reformierbar ist. Dabei richtet sich der Hass des Regimes insbesondere gegen die kurdische Bevölkerung. Während bei Spielen von Istanbulspor und anderen Vereinen Protestkundgebungen gegen das Regime weitgehend geduldet wurden, wird der kurdische Verein allein aufgrund seiner Identität mit Tötungsabsicht attackiert. Eine solche Teile-und-Herrsche-Politik ist Teil der türkisch-nationalistischen Herrschaftstradition. So soll auch der türkischen Opposition gezeigt werden, dass sie nur existieren kann, wenn sie sich von den Kurd:innen fernhält. Ein Kalkül, das am mittlerweile gespaltenen Sechsertisch aufzugehen scheint.[1]