„Fußball ist ein Bereich, in dem Faschismus, Nationalismus und Hass die Oberhand gewinnen. Wenn wir diesem Zustand ein Ende setzen wollen, dürfen wir die Stadien nicht länger dem Feind überlassen”, fordert das Netzwerk „#Amedspor# Support“
Der erstmals 1976 gegründete Drittligist Amedspor SK ist in Nordkurdistan verwurzelt. Seinen heutigen Namen trägt er allerdings erst seit 2015. Der zuvor „Diyarbakır BB” benannte Klub wurde 2015, als sich die Türkei und die kurdische Freiheitsbewegung in Friedensverhandlungen und einer Phase der Entspannung befanden, in Amed SK umbenannt. Seit der Namensänderung erfreut sich der Verein einer großen Beliebtheit – nicht nur im Norden Kurdistans. Diese Popularität zeigt sich insbesondere auch in der Struktur des Vereins: Entscheidungen werden basisdemokratisch getroffen, Fans, Spieler und Funktionäre entscheiden Hand in Hand über Belange des Vereins.
Doch als der türkische Staat im Sommer 2015 wieder einen Krieg gegen die kurdische Bevölkerung und die PKK begonnen hat, und dem Land eine faschistische Staatsordnung verliehen wurde, eskalierte die Lage auch für Amedspor. Kein anderer Verein in der Türkei wird vom türkischen Fußballverband TFF mit derartiger Repression überzogen: Zwischen Januar 2016 und Februar 2019 bestand ein fast durchgängig andauerndes Auswärtsverbot. Systematische Disziplinarverfahren, willkürliche Geldstrafen sowie Provokationen und Übergriffe durch türkische Sicherheitskräfte und gegnerische Fans gehören mittlerweile zur Norm. Die staatlich kontrollierten Medien verschreien Amedspor als „Terroristenclub“. Neben den Spielern des Vereins sind es auch Mitglieder der Fangruppe Direniş (Widerstand), die bei nahezu jedem Auswärtsspiel mit psychologischen Angriffen, rassistischen Parolen und Verwünschungen von Seiten der gegnerischen Fans konfrontiert werden. Doch auch bei Heimspielen kommt es regelmäßig zu Anfeindungen und Repression. Denn Amedspor und seine Fanszene haben eine kurdische Identität – die gegen den tief im türkischen Fußball verankerten Faschismus prallt.
Ultra-orientiert: Amedspor Support
Nicht nur der Fußballverein Amed SK und Direniş kämpfen täglich gegen Vorurteile, Hass und Bevormundung durch aufgehetzte türkische Fußballfans, TFF und die staatlichen Behörden. Auch die Initiative „Amedspor Support“ hat sich der Solidarität mit dem Klub verschrieben. Der 20-jährige Botan begann vor fünf Jahren, sich über die Facebookseite Amedspor Support mit anderen Fans des Vereins zu vernetzen. Mittlerweile sind es vier Köpfe, wie Botan sagt, die das Unterstützungsnetzwerk gemeinsam mit einer starken Community betreiben.
„Als Diyarbakır BB seinen Namen in Amedspor SK änderte und der türkische Fußballverband sowie die Schiedsrichter anfingen, den Verein zu schikanieren, wurde ich so langsam aufmerksam auf den Klub. Als die Benachteiligungen immer offensichtlicher wurden und die Fans gegnerischer Vereine Amedspor mit der PKK gleichsetzten – und das nur wegen eines kurdischen Namens – dachte ich mir, dass ich diese Situation publik machen muss”, erklärt Botan zu seinen Beweggründen. „Ich bin ja selbst Fußballfan hier in Deutschland und verfolge die hiesige Fußballszene sehr aktiv mit.”
Also erstellte Botan die Support-Seite bei Facebook, um deutschsprachig über die Umstände zu berichten, die dem Verein bereitet werden. Schon nach kurzer Zeit sei die Nachfrage enorm gewesen. „Auch viele Ultragruppen von deutschen Fußballvereinen schrieben uns an und fragten, wie dem Verein geholfen werden kann“, sagt Botan, der seine Gruppe als Ultra-orientiert bezeichnet. Allerdings sei es schwer, Fuß zu fassen, da Amedspor in einem anderen Land beheimatet ist.
Zentrales Anliegen: Gleichberechtigung der Frau
„Außer Amedspor zu unterstützen machen wir uns für die Gleichberechtigung der Frau stark. Und wir versuchen, den Leuten das Verständnis von ‚Straight Edge’ nahezubringen. Wir selbst leben ebenfalls danach und finden es wichtig, dass insbesondere junge Menschen Drogenkonsum ablehnen und eine Vorstellung von der Devise ‚In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist’ bekommen. Nach dem Motto ‚Zerstöre nicht dich - Zerstöre den Feind’.”
Mit einem Online-Shop finanziert die Gruppe um Amedspor Support Projekte wie Vorträge zu Themen wie Fankultur in Kriegsgebieten, die regressive Sozialisation in den türkischen Fankurven und darüber, wie sich die Ultrabewegung positiv auf eine Gesellschaft auswirkt (Anfragen richten Interessierte bitte über Facebook an Amedspor Support). Außerdem steht das Netzwerk in ständigem Kontakt mit Ultragruppen deutscher Vereine.
Faschismus aus den Stadien drängen
„Wir wollen Amedspor Support demnächst als Verein eintragen lassen, damit Unterstüzer*innen, die bei uns Mitglied werden, auch mitbestimmen, wie es weitergeht”, teilt Botan mit. Ihm sei es ein wichtiges Anliegen, dass sich vor allem die kurdische Jugend in Deutschland mit Amedspor auseinandersetzt.
„Viele glauben, es gehe nur um Fußball und haken das Thema als eher unwichtig ab. Aber es ist viel mehr als das. Fußball ist ein Bereich, in dem nach und nach Faschismus, Nationalismus und Hass die Oberhand gewinnt. In vielen Fanblocks beherrscht Rechtsaußen das Feld. Wenn wir den Rassismus und Rechtsradikalismus aus den Stadien drängen wollen, dürfen wie sie nicht den Faschisten überlassen. Wenn wir wegsehen, normalisiert sich der Zustand, dass kurdische oder migrantische Spieler angegriffen oder rassistisch beleidigt werden. Deswegen ist es für junge Menschen wie wir es ist, besonders wichtig, dem Faschismus im Fußball den Kampf anzusagen. So wie es mal ein kurdischer Vordenker ausdrückte: ‚Es fängt mit der Jugend an und es wird mit der Jugend aufhören.’”[1]