Der #HEDEP# -Abgeordnete Sinan Çiftyürek macht nach einer Morddrohung klar, dass sich der kurdische Freiheitskampf auch durch extralegale Hinrichtungen nicht aufhalten lassen werde. Das habe sich bereits in den 90er Jahren gezeigt.
Der HEDEP-Abgeordnete Sinan Çiftyürek wurde am Abend des 17. November auf der Straße von einer Person gestoppt und mit einer Schusswaffe bedroht. Im ANF-Gespräch äußerte sich der Abgeordnete zu dem Angriff: „Wir haben von dieser Bedrohungssituation im Parlament der Öffentlichkeit berichtet. Als ich in Amed (tr. #Diyarbakir# ) am Ofis-Markt vorbeilief und an die zweite Straßenkreuzung kam, also die Akkoyunlu-Straße, ging der Freund, mit dem ich unterwegs war, gerade ein Stück vor mir. Da trat ein Mann vor mich, öffnete seine Weste und zeigte mir seine Pistole. Die Pistole befand sich unter seiner Weste. Nachdem er sie mir gezeigt hatte, deckte er sie wieder zu. Er hatte nur die Seite der Weste hochgezogen und wir schauten uns drei oder vier Sekunden in die Augen. Ich rief den Freund und sagte: ‚Diese Person zeigt mir eine Waffe.‘ Die Person ging an uns vorbei und verschwand.“
„Der Staat sieht Kurdistan und die kurdische Frage als Bedrohung an“
Çiftyürek sieht hinter den Drohungen einen Plan: „Wenn es keine vorherige Planung und keine Observation von mir gegeben hätte, dann wäre es unmöglich zu wissen gewesen, dass ich zu dieser Zeit dort vorbeikommen würde. Warum kam es also zu diesem Zwischenfall? Warum wurde uns eine Waffe gezeigt? Als HEDEP-Fraktion bringen wir die kurdische Frage im Parlament zur Sprache. Wir sagen, die Lösung der kurdischen Frage liegt im Parlament. Gestern wurde uns noch gesagt: ‚Kommt runter und macht Politik in der Ebene, statt auf den Bergen mit Waffen unterwegs zu sein.‘ Die höchste Institution der demokratischen Politik ist das Parlament, wir sind hier, wir sind der vom Volk gewählte Wille. Deshalb haben wir gesagt, dass wir die kurdische Frage hier auf die Tagesordnung setzen werden. Einige Kreise sind durch diese Situation beunruhigt und haben das als Bedrohung empfunden. Der Staat, der die kurdische Frage schon seit einem Jahrhundert als Bedrohung für sich selbst ansieht, wollte nicht, dass diese Frage im Parlament debattiert wird. Wir haben es schon einmal gesagt und wir werden es wieder sagen: Dieser Staat hat dem kurdischen Volk seit einem Jahrhundert nichts als Waffen gezeigt. Von Koçgiri bis Dersim, Digor bis in die Kasaplar-Schlucht, dieser Staat hatte immer nur die Waffe gegenüber dem kurdischen Volk im Anschlag. Waffen sind keine Lösung, unzählige Intellektuelle, Schriftsteller wie Vedat Aydın, Menschen wie Faik Bucak und Tahir Elçi, wurden ermordet. Die Täter sind bekannt. Was haben diese Morde gebracht? Waffen sind keine Lösung, der Staat soll aufhören, uns mit Waffen zu bedrohen. Wir sehen das Parlament als den Ort der Lösung. Wenn der Staat sagt, das Parlament sei keine Lösung, dann soll er uns einen anderen Ort für eine Lösung zeigen. Wir beharren darauf, dass das Parlament und die Straße, der demokratische Protest unseres Volkes, die Lösung ist.“
„Wir fürchten weder Drohungen noch Repression“
Çiftyürek erklärte, keine Angst vor Drohungen und Repression zu haben, und fuhr fort: „Wir haben zwei Möglichkeiten für die Lösung der kurdischen Frage vor uns: das Parlament und den demokratischen Widerstand. Wenn ein Gesetz verabschiedet werden soll, wenn ein Problem gesetzlich geregelt werden soll, wo wird dieses Problem diskutiert werden? Es muss im Parlament diskutiert werden. Wir diskutieren es auch im Parlament. Es haben sich einige Kreise daran gestört, dass dieses Thema in einem demokratischen Umfeld wieder auf die Tagesordnung gebracht wurde, denn sie fühlen sich von den Entwicklungen in Südkurdistan und in Rojava bedroht.“
„Sind die neunziger Jahre wieder zurück?“
In den 1990er Jahren ließ der türkische Staat tausende kurdische Oppositionelle durch Todesschwadrone „verschwinden“. Von den meisten fehlt bis heute jede Spur, von einigen wenigen tauchten die Knochen unter Polizeistationen, in Säurebrunnen und auf Müllhalden wieder auf. Vor diesem Hintergrund hat die Drohung gegen den Abgeordneten besonderes Gewicht. An den Parlamentspräsidenten, den Geheimdienst MIT und die Polizeidirektion Diyarbakır gerichtet erklärte Sinan Çiftyürek: „Sie können und sollten Licht in diese Angelegenheit bringen. Es gibt elektronische Überwachungsgeräte, die selbst den dunkelsten Teil von Amed beobachten. Der Ort, an dem mir die Waffe gezeigt wurde, ist eine Hauptstraße und es gibt definitiv mehr als ein elektronisches Überwachungsgerät. Wenn der Staat nicht ermittelt und den Täter findet, dann bleibt uns nur zu fragen, ob wir denn wieder in den neunziger Jahren leben. Dafür mehren sich leider die Anzeichen. Wir hoffen, dass in dieser kritischen Phase, in der die regierende Republikanische Allianz wirtschaftlich und politisch in Bedrängnis geraten ist, sie vor den Wahlen nicht wieder auf die Methoden der neunzier Jahre, die Morde und Attentate, zurückgreifen wird. Das ist eine Sackgasse. Diese Drohungen werden den politischen Willen des kurdischen Volkes nie und nimmer dazu bringen, vom Freiheitskampf abzulassen. Unser Volk hat ein gerechtes Anliegen. Wir befinden uns auf einem legitimen und demokratischen Boden, wir äußern unsere Stimme nicht nur auf einer legitimen Grundlage, sondern direkt im Parlament.“
„Die Adresse für eine Lösung ist Abdullah Öcalan“
Çiftyürek erklärte, dass es darum ginge, die Lösung der kurdischen Frage auf demokratischer Grundlage zu erwirken. Abschließend sagte er: „Wir haben es im Parlament zum Ausdruck gebracht und gesagt: ‚Wenn Ihr wollt, dass die Gleichung zwischen Krieg und Frieden zugunsten des Friedens gelöst wird, dann hebt die Isolation von Abdullah Öcalan auf und lasst Öcalan sprechen. Öcalan ist derjenige, der die Gleichung von Krieg und Frieden lösen wird. Wir glauben, dass Öcalan, wenn er spricht, eine Haltung für den Frieden einnehmen wird. Aber das wollen Sie nicht. Aus diesem Grund fordern wir Sie auf, auf die lebenswichtigen Forderungen des kurdischen Volkes zu hören, anstatt Drohungen gegenüber der Region Kurdistan und dem selbstverwalteten Rojava auszusprechen. Wenn Sie wirklich ein ernstzunehmender Staat im Nahen Osten sein wollen, kehren Sie zu einer Politik des gemeinsamen Wachstums mit den Kurden zurück.‘“[1]