1938 wurden einige Gegenden in #Dersim# zur „verbotenen Zone“ deklariert und waren somit für die Entvölkerung vorgesehen. Um diese Ortschaften zu entvölkern, wurden Säuberungsaktionen durchgeführt. Türkische Soldaten marschierten in die Dörfer ein, riefen den Ortsvorsteher zu sich und befahlen ihm, alle Dorfeinwohner auf einem zentralen Platz zu versammeln. Daraufhin wurde diesen aufgetragen, in ihre Häuser zu gehen und alle Waffen und Werkzeuge, welche sich als Waffen eigneten, auf den zentralen Platz zu bringen und den Soldaten zu übergeben. Danach wurden die waffenfähigen Männer von der Gruppe getrennt und weggeführt. Die übrigen Dorfbewohner wurden meist in die nächstgelegenen Städte (z.B. Mazgirt, Ovacik, Hozat oder Pülmür) gebracht und von dort in die Westtürkei deportiert. Die waffenfähigen Männer hingegen, die unter erfundenen Anschuldigungen festgenommen wurden, brachte man in Kasernen und tötete sie dort, oder sie wurden an den Händen zusammengebunden in die Schlucht geführt, in Reihen aufgestellt und erschossen.
Ahmet Korkmaz, dem auch dieses Schicksal zuteil wurde, konnte solch ein Massaker überleben, da sein türkischer Lehrer, der von seiner Festnahme erfuhr, den Kaymakam (oberster Beamter eines Landkreises) von Mazgirt überzeugen konnte, seinen Schüler zu verschonen. Korkmaz schildert die damaligen Ereignisse wie folgt:
„Der Leutnant brachte uns in dieser Nacht nach Darikent. Hier waren überall Zelte aufgestellt. Die Zelte waren gefüllt mit Menschen. Diese waren alle aus verschiedenen Dörfern wie wir eingesammelte Menschen. Auch uns haben sie in ein Zelt gebracht und eine Wache davor gestellt. Dort haben wir die Nacht verbracht. Am nächsten Morgen wurden wir von den Soldaten weiter eskortiert, angeblich sollten wir nach Mazgirt gebracht werden. Ich betrachtete die übrigen Gefangenen, die mit uns marschierten, und es waren viele bekannte Gesichter darunter. Alles Menschen aus Dersim. Viele von uns kannten sich damals untereinander. Während wir marschierten, fragte ich immer wieder Einzelne von ihnen, ‚Warum wurdest du hierher gebracht?‘ Sie gaben mir immer die gleichen Antworten, entweder war die Begründung wie bei mir, ‚Du hast eine Waffe‘, oder man sagte ihnen, ‚Du bist ein Bandit‘, oder man sagte ihnen ‚Du bist ein Dede‘. […]
Erst als wir in eine Militärkaserne gebracht wurden, verstanden wir, was uns bevorstand. Aber zu diesem Zeitpunkt war es schon zu spät. […] Obwohl es sich um eine riesige Kaserne handelte, war es vor lauter Menschen unmöglich, einen Sitzplatz zu finden, die Menschen lehnten sich im Stehen aneinander. […] Zwei Tage und Nächte wurden wir dort festgehalten, sie gaben uns weder Wasser noch Brot. […]
Der dritte Tag nachdem wir in die Kaserne gebracht worden waren, es war der 14. August, war der Tag des Massakers. In den frühen Stunden des Morgens wurde damit begonnen, Namen zu verlesen. […] Die Aufgerufenen wurden an ihren Händen aneinander gebunden und in Gruppen weggeführt. Nachdem nicht ganz zehn Minuten vergangen waren, hörten wir Schüsse. Uns war klar, dass alle Weggeführten erschossen worden waren. […] Auch wir wurden zusammengebunden und in einer Gruppe herausgeführt. […] Wir wurden vor den Leiter der Kaserne geführt, der uns von oben bis unten musterte und etwas auf eine Liste schrieb. Neben ihm saß der Kaymakam von Mazgirt. Nach einem Streit zwischen dem Kommandanten und dem Kaymakam verließ der Kaymakam wütend den Platz neben dem Kommandanten und wollte weggehen. Als der Kommandant dem Kaymakam hinterher rief: ‚Herr Kaymakam, kommen sie zurück, ihr Wille soll geschehen‘, kam dieser zurück und nahm seinen Platz neben dem Kommandanten wieder ein. Ein Soldat löste daraufhin meine Fesseln und die der übrigen Männer aus meinem Dorf. Der Kommandant sagte daraufhin dem Soldaten: ‚Diese müssen zwei Tage hier bleiben. Wenn wir sie sofort zurück in ihre Dörfer schicken, würden sie von den patrouillierenden Truppen unterwegs erschossen werden.‘ […]
So standen wir in einer Reihe nebeneinander und beobachteten den Zug von Menschen, die gefesselt in eine nahe Schlucht geführt und erschossen wurden. […] Als es Abend wurde, wurden wir in die Kaserne zurückgebracht. Diese am Morgen noch von Menschenmassen überflutete Kaserne war nun völlig leer. Nur wir waren übrig geblieben.“
Autor: Van Dersim.[1]