Zum internationalen Tag der Muttersprache weist der #KNK# auf die Bedeutung von Sprache für die eigene Identität und Existenz hin und fordert ein stärkeres Engagement für die Bewahrung der bedrohten kurdischen Sprachen.
Nationalkongress Kurdistan (KNK) weist aus diesem Anlass auf die Bedrohung der kurdischen Sprache und die Lage in den einzelnen Landesteilen hin. Sprache ist nicht nur ein Kommunikationsmittel, sondern gleichzeitig ein Identitäts- und Existenzmerkmal, und muss dementsprechend geschützt und gefördert werden, so der KNK:
„Die kurdische Sprache ist seit langem vom Aussterben bedroht. Dies ist besonders im Norden und Osten des Landes spürbar. Einer der wichtigsten Gründe dafür ist, dass die Muttersprache nicht in der Alltagssprache verwendet wird. Noch wichtiger ist, dass die Muttersprache nicht die Sprache der allgemeinen und beruflichen Bildung ist. Die Sprache war für die Kurdinnen und Kurden im Laufe der Geschichte eine Position des Widerstands, die es zu stärken gilt.
Die Sprache ist der Grundpfeiler der Existenz jeder Nation. Wenn die Probleme der Sprache nicht angegangen werden, führt dies zu ihrer Zerstörung.
Südkurdistan (Başûr)
In Südkurdistan gibt es ein Parlament, eine Regierung und offizielle Institutionen. Die kurdische Sprache ist in der Verfassung des Bundesstaates Irak anerkannt. Die kurdische Sprache steht jedoch vor Hindernissen, weil es keine Sprachpolitik und keine wissenschaftlichen Pläne gibt. Die Regierung von Südkurdistan muss diese Probleme rasch lösen und Kanäle und Plattformen für die Sprache schaffen.
Westkurdistan (Rojava)
Obwohl Rojava eine heikle Zeit der Besatzung, des Krieges und des Widerstands durchlebt, gibt es in dieser außergewöhnlichen Situation einen starken Willen. Die autonome Verwaltung sorgt dafür, dass in den Bildungseinrichtungen Kurdisch und Syrisch unterrichtet werden.
Nord- und Ostkurdistan (Bakur und Rojhilat)
Abgesehen davon, dass Kurdisch in den beiden anderen Landesteilen nicht als Unterrichtssprache verwendet wird, gefährden die faschistischen Systeme der Besatzungsstaaten die kurdische Sprache und die Sprachen der kurdischen Landesteile.
Mehrsprachigkeit ist ein Reichtum
Die Tatsache, dass das Kurdische viele Dialekte hat, zeigt seine Stärke und seinen Reichtum. Die Mehrsprachigkeit in der Gesellschaft Kurdistans ist ein Zeichen der Vielfältigkeit. Aus diesem Grund muss die kurdische Sprache in all ihren Dialekten erhalten und als offizielle Bildungssprache anerkannt und gefördert werden.
Diaspora
Eine große Zahl von Kurdinnen und Kurden lebt im Ausland. Es ist von großer Bedeutung, dass die kurdische Sprache auch in diesen Ländern lebendig gehalten und vor dem Aussterben bewahrt wird.
Unterdrückung von Sprache und Kultur
In diesem Zusammenhang sollte der heutige Tag neben den Feierlichkeiten auch eine Gelegenheit sein, die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft und der Expertenorganisationen für Sprache und Kultur auf die Unterdrückung der kurdischen Sprache und der Sprachen anderer Komponenten Kurdistans durch die Besatzungsstaaten zu lenken.
Erfolgreiche Errungenschaften
Als KNK wünschen wir allen Personen und Organisationen, die sich für die kurdische Sprache einsetzen, Erfolg, insbesondere jenen, die die kurdische Sprache in digitale Werkzeuge, globale Kommunikation und Technologie einbeziehen. Wir denken, dass diese Errungenschaften sehr wertvoll sind, und wir betrachten den 21. Februar, den Tag der Muttersprache, als eine große Chance. Wir rufen alle Sprach-, Kultur-, Bildungs-, Medien- und Presseeinrichtungen auf, die Angriffe, die Repression und die Gefahren gegen die kurdische Sprache zu stoppen und nicht zu den Plänen der Besatzer zu schweigen.
Nicht nur ein Mittel der Kommunikation
Alle kurdischen Verantwortlichen müssen vor den Gefahren gewarnt werden, die entstehen, wenn es keine Politik und Planung für die Sprache gibt. Für uns ist Sprache nicht nur ein Mittel zur Kommunikation, sondern auch unsere Identität und Existenz. Es ist unsere Aufgabe, die Sprache zu schützen. Gemeinsam müssen wir ihr dienen und sie auf die höchsten Ebenen bringen.“
Hintergrund: Kurdischverbot in der Türkei
Die Verbote der kurdischen Sprache in der Geschichte der Türkei waren meist implizit und inoffiziell, aber auch einflussreich. Im Jahr 1958 veröffentlichte Musa Anter den Text eines kurdischen Liedes in der Zeitung İleri Yurt, die in Amed (tr. Diyarbakır) gedruckt wurde. Im folgenden Jahr wurde er wegen seiner Artikel verhaftet. 1977 wurde die kurdische Zeitung Roja Welat ins Leben gerufen, die jedoch nach dem Militärputsch 1980 wieder eingestellt wurde.
Die kurdische Sprache wurde offiziell verboten, als die Junta 1980 ein generelles Verbot für alle nichttürkischen Sprachen erließ. Das Verbot wurde 1991 aufgehoben, im selben Jahr, in dem die kurdischen Parlamentsabgeordneten Leyla Zana, Orhan Doğan und Hatip Dicle verhaftet wurden, weil sie ihren parlamentarischen Eid auf Kurdisch abgelegt hatten.
Auch heute noch können kurdische Kinder nicht in ihrer Muttersprache unterrichtet werden, und nichttürkische Sprachen, die im Land gesprochen werden, werden nur als Wahlfächer für zwei Stunden pro Woche angeboten. Im Jahr 2021 stellte das Bildungsministerium bei 20.000 Neueinstellungen drei neue Lehrkräfte für Kurdisch ein, verglichen mit 938 für Englisch, 503 für Arabisch und sogar 25 für Russisch.
Kurdisch wurde von öffentlichen Diensten ausgeschlossen, einschließlich der KADES-Anwendung, die vom Innenministerium entwickelt wurde, um von häuslicher Gewalt betroffene Frauen zu unterstützen. Der Dienst wird auf Türkisch, Persisch, Arabisch, Englisch, Französisch und Russisch angeboten, aber nicht auf Kurdisch.
Bemühungen an der Basis wurden ebenfalls behindert, da die kurdischsprachige Zeitung Azadiya Welat, das kurdische Kinderfernsehen Zarok TV, das Kurdische Institut Istanbul, der Kulturverein KURDİ-DER, die Nachrichtenagenturen DİHA und Jinha sowie verschiedene Nichtregierungsorganisationen, die sich mit der kurdischen Sprache befassten, durch Notstandsverordnungen geschlossen wurden.
Trotz des Drucks gelang es vielen Kommunalverwaltungen mit gewählten kurdischen Bürgermeister:innen, mehrsprachige Dienste in den Provinzen mit kurdischer Mehrheit einzurichten und in bestimmten Gebieten auch Dienste in anderen Minderheitensprachen anzubieten. Die vom türkischen Innenministerium ernannten Treuhänder, die an die Stelle der gewählten Bürgermeister:innen von der Demokratische Partei der Völker (HDP) traten, entfernten jedoch alle mehrsprachigen Hinweisschilder, strichen Dienstleistungen in kurdischer und armenischer Sprache und schlossen nicht-türkischsprachige Vorschulen und Horte sowie Dienstleistungen für Frauen, von denen ein großer Teil nicht gut oder gar nicht Türkisch spricht.
Kurdische Abgeordnete, die sich im türkischen Parlament auf Kurdisch äußern, werden in den Parlamentsunterlagen nicht erwähnt, abgesehen von einem Vermerk, dass eine „unbekannte Sprache verwendet wurde. Auch kurdischsprachige Kunstschaffende werden von den Behörden unter Druck gesetzt und behindert, im vergangenen Jahr wurden zahlreiche Konzerte und Theateraufführungen verboten.[1]