DOĞAN BARIŞ ABBASOĞLU
Die frühere Fauna Mesopotamiens unterschied sich deutlich von der heutigen. Viele Tierarten in Anatolien und Mesopotamien sind heute vor allem aufgrund des Menschen ausgestorben. Die Geschichte zeigt, wie fragil das Ökosystem ist.
Das Wort „Paradeisos“, Paradies, stammt nicht umsonst aus Mesopotamien. Der Garten Eden der abrahamitischen Religion soll im Zweistromland gelegen haben. Auch wenn man es kaum glauben mag; die Region, die heute durch Klimawandel, Kriegspolitik und Umweltzerstörung zum Ödland geworden ist, war einst eine der fruchtbarsten der Welt. Vor 400.000 Jahren streiften Elefanten und Mammuts durch die Wälder und Wiesen der Region. Doch mit der Ankunft der ersten Menschen begann sich die Umwelt zu verändern. Bis etwa vor 8.000 Jahren existierten Elefanten in Mesopotamien, sie starben jedoch aufgrund einer Klimaveränderung und Jagd aus.
Elefanten wurden von Menschen gejagt
Zahlreiche archäologische Ausgrabungen in Mesopotamien belegen, dass menschliche Gemeinschaften Elefanten jagten und ihr Fleisch verzehrten. Warum gerade diese riesigen Tiere gejagt wurden, ist bis heute Gegenstand wissenschaftlicher Debatten. Der wichtigste Grund mag die hohe Konzentration von Fett und Mark in großen Tieren sein. Auch die Aufbewahrung des Fleisches großer Tiere war für die frühen Menschen einfach. Fleischstücke, die schwer und groß genug waren, konnten lange Zeit im Wasser eines fließenden Baches gelagert werden. Auch große Knochen konnten aufbewahrt und das Mark konsumiert werden.
Der Syrische Elefant hat auch einen kulturell wichtigen Platz. In der sumerischen Mythologie wurde das Tier als Symbol für Enlil, den Gott des Windes, verwendet. In der akkadischen Mythologie wurden die Kräfte von Ninurta, dem Gott der Jagd und des Krieges, durch den Elefanten symbolisiert.
In der sumerischen Zeit, etwa zwischen dem 4. Jahrtausend und dem 2. Jahrtausend v.u.Z., war die Löwenjagd in Mesopotamien weit verbreitet. Das Bild des Löwen war stark mit Macht und Herrschaft verbunden. So wurde der Löwe zum Symbol der Göttin der Kriege und Fruchtbarkeit Inanna, sowie für den Kriegs- und Jagdgott Ninurta. Der Löwe hatte auch eine ökonomische Bedeutung, da aus der Haut und den Zähnen Schmuck und Kleidung hergestellt wurde und das Fleisch bei herrschaftlichen Banketten serviert wurde. Herrscher richteten Gärten ein, in denen sie Löwen zur Jagd hielten. Je differenzierter die Gesellschaft wurde, desto wichtiger wurden Symbole der sozialen Unterscheidung. Priester in sumerischen Zikkurats etwa führten Rituale durch, bei denen sie sich mit Löwenfellen und Adlerfedern schmückten.
In Südmesopotamien wurden Löwen in freier Wildbahn zuletzt im ersten Jahrhundert n.u.Z. gesehen. In Nordmesopotamien gab es bis in die 1970er Jahre eine kleine Löwenpopulation im Zagros-Gebirge. Heutzutage gibt es Bemühungen, Löwen in Iran wieder auszuwildern.
Strauße in Mesopotamien
Auch große Laufvögel wurden immer wieder dargestellt. Es handelt sich wahrscheinlich um Strauße, da Überreste dieser bis zu 150 Kilogramm schweren Vögel in Jordanien, dem Oman, den Emiraten sowie in alten mesopotamischen Städten wie Ur und Babylon gefunden wurden. Offenbar wurden vor allem die Eier und das Fleisch zur Nahrung, aber auch die Federn als Schmuck benutzt.
Wissenschaftler:innen glauben, dass die Sumerer Strauße um 2.500 v.u.Z. domestiziert haben. Sie wurden wegen ihres Fleisches und ihrer Eier gezüchtet, waren aber auch kulturell wichtig. Ihre Federn wurden zur Herstellung von Fächern, Kleidern und anderen Verzierungen verwendet. Es gibt Aufzeichnungen darüber, dass die Eier in religiösen Zeremonien verwendet wurden.
Tausende von Jahren vor den Sumerern waren Strauße in Obermesopotamien, viel weiter nördlich, verbreitet. Die in Göbekli Tepe (ca. 10.500 v.u.Z.) und Kül Tepe (ab ca. 4.000 v.u.Z.) gefundenen Straußeneierschalen sind ein wichtiger Beweis dafür. Heute gibt es Strauße nur noch in kleinen Populationen im Nahen Osten, in einem besonders geschützten Gebiet auf der Arabischen Halbinsel.
Kaspische Tiger
Kaspische Tiger waren ebenfalls in Mesopotamien zu Hause. Offenbar wurde der letzte Tiger in den 1970er Jahren von einem Dorfbewohner im nordkurdischen Qilaban (tr. Uludere) erschossen. Der Kaspische Tiger lebte in der Antike in einem weiten geografischen Gebiet von China bis Mesopotamien. Er kam bis in die 1970er Jahre in Iran vor und wurde 2004 offiziell in die Liste der ausgestorbenen Tiere aufgenommen.
Fossile Funde deuten darauf hin, dass der Kaspische Tiger zwischen 40.000 und 5.000 v.Chr. in Mesopotamien und Anatolien weit verbreitet war. Diese Art, die mit der Zunahme menschlicher Aktivitäten im Süden des Kaspischen Meeres in Iran begrenzt wurde, ist insbesondere für die zoroastrischen Gemeinschaften von kultureller Bedeutung. In vielen zoroastrischen Tempeln finden sich Darstellungen des Kaspischen Tigers. Auch der zoroastrische Gott Ahura Mazda wird in heiligen Texten immer wieder mit dem Kaspischen Tiger in Verbindung gebracht.
Auch andere Tigerarten waren in Mesopotamien und Anatolien weit verbreitet. Selbst zur Zeit des Römischen Reiches wurden Tiger und Leoparden in Fallen gefangen und bei Hinrichtungen sowie in den Arenen eingesetzt. Dabei wurden Tiger vor allem aus dem Taurusgebirge importiert.
Der Hethiterkönig Mursili II. schrieb in seinem Tatenbericht, dass er bei einer Expedition nach Nordanatolien 70 Tiger tötete. Den Texten zufolge tötete Hattusili III. zwölf Tiger, Suppiluliuma 14 Tiger und Tudhaliya IV. 15 Tiger. Das Töten von Tigern erschien wie das Töten von Löwen als Machtsymbol.
Der Tiger stand für die Wildnis. So kommt es nicht von ungefähr, dass der Riese Huwawa, der seinen Hain gegen den eindringenden Tyrannen Gilgamesch verteidigte, diesem Kulturheros in der Gestalt eines Ungeheuers mit dem Körper eines Tigers und einem Löwenkopf gegenübertrat.
Wilde Nashörner durchzogen das Land
Auch Nashörner lebten vor 8.000 Jahren noch in Mesopotamien. Die Darstellung des haarigen Nashorns auf Reliefs und Stickereien, die in vielen archäologischen Stätten gefunden wurden, weist darauf hin, dass diese Kreatur in Mesopotamien weit verbreitet war.
Tüpfelhyänen – Beschützer der Seelen Verstorbener
Zwischen 1920 und 1940 starben auch die einst in Mesopotamien verbreiteten Tüpfelhyänen aus. Faktoren wie intensive menschliche Aktivitäten in den Ebenen, Abholzung und Dürre führten zu ihrem Verschwinden.
Hyänen tauchen ebenfalls bereits im Gilgamesch-Epos auf. Hyäne und Tod waren in den mesopotamischen Kulturen so eng miteinander verbunden, dass in vielen menschlichen Gräbern in Ninive Hyänenknochen gefunden wurden. Archäologen führen diese Funde auf die Verwendung von Hyänen bei Bestattungsritualen zurück. Möglicherweise wurden die Hyänen als Beschützer der Seelen der Toten angesehen.
Die riesigen Zedernwälder sind verschwunden
Auch die Vegetation im alten Mesopotamien unterschied sich stark von der heutigen. Es ist bekannt, dass die im Gilgamesch-Epos erwähnten Zedernwälder ein Gebiet von 230.000 Quadratkilometern umfassten, das sich vom Taurusgebirge bis zum Zagrosgebirge erstreckte. Dieses Waldgebiet, das die Assyrer als ihre Heimat bezeichneten, war die Quelle des Holzes, das die Zivilisationen in Mesopotamien für den Bau von Häusern und Städten verwendeten. Aus diesem Grund wurde dieses Waldgebiet bis zum 7. Jahrhundert v. Chr. weitgehend zerstört. Heute findet man die Zeder nur noch in kleinen Gebieten in Hatay, Westsyrien und Teilen des Libanon. In Iran beziehungsweise Ostkurdistan haben einige Zedernwälder in der Nähe von Kirmaşan (Kermanschah) bis in die heutige Zeit überlebt. Die Zahl der Zedernbäume in diesen kleinen Gebieten lässt sich jedoch nur in Tausenden von Exemplaren messen. Noch weniger ist von den ehemaligen Akazienwäldern vorhanden. Durch massive Abholzung existieren nur noch einzelne Bäume.
Region droht durch Umweltzerstörung und Krieg zum Ödland zu werden
Der Anatolische Leopard, der insbesondere in Nordkurdistan vorkommt, ist bereits fast ausgestorben. Unzählige weitere Tier- und Pflanzenarten stehen vor der Auslöschung, und es besteht die akute Gefahr, dass Mesopotamien zu einer Region wird, die auch für den Menschen kaum noch bewohnbar ist. Durch die Wasserpolitik des türkischen Staates wurden weite Teile Nordkurdistans überschwemmt, Ökosysteme ausgelöscht, der Boden versalzt und Malariafliegen verbreitet. Gleichzeitig wird durch die Staudämme das Wasser für Rojava, Südkurdistan, Syrien und den Irak abgedreht. Viele Tierarten, auch Amphibien und Fische, sterben aufgrund dieser Wasserpolitik. Die Landwirtschaft ist akut bedroht. Der Prozess wird durch den Klimawandel noch beschleunigt. Gleichzeitig setzt das türkische Militär die letzten Waldflächen in Nord- und Südkurdistan in Brand. So werden auch die letzten Arten ausgerottet. Der Krieg gegen Kurdistan, seine Menschen und seine Natur droht auch die letzten Reste des Garten Edens in eine Wüste zu verwandeln.[1]