Der #15-08-1984# ist ein historischer Wendepunkt und markiert den Beginn des militärischen Kampfs der kurdischen Freiheitsbewegung, die heute eine der modernsten Guerillabewegungen und eine massenhafte Volksbewegung darstellt.
Die türkische Republik war von Beginn an auf Verleugnung, Assimilation und Vernichtung des kurdischen Volkes gegründet. Zehntausende Kurd:innen wurden 1938 in Dersim durch Giftgas ermordet, unzählige Kinder umgesiedelt und zwangsassimiliert. Auch die Aufstände von #Şêx Seîd#, Agirî und Koçgiri wurden in Blut ertränkt. Danach herrschte lange Zeit Grabesruhe im türkisch besetzten Norden Kurdistans. Mitte des 20. Jahrhunderts waren sich die Kolonialmächte sicher, dass Kurdistan niemals wieder auferstehen würde.
Anfang der 1970er Jahre trat jedoch eine Gruppe junger Menschen initiiert von Abdullah Öcalan auf die Bühne der Geschichte und ließ die Hoffnung des kurdischen Volkes auf Freiheit wieder aufleben. Am 27. November 1978 wurde im Dorf Fis bei Licê die Arbeiterpartei Kurdistans (#PKK#) gegründet. Aufgrund der Angriffe von Faschisten und Großgrundbesitzern waren die Gründungsmitglieder bereits in der bewaffneten Selbstverteidigung erfahren. Am 18. Mai 1977 hatten die Mitglieder der Gruppe zum ersten Mal zur Methode des bewaffneten Kampfes gegriffen, um die Ermordung von Haki Karer, einem der führenden Kader der Gruppe, zu rächen. Der bewaffnete Kampf wurde zu einer unverzichtbaren Methode bei antifaschistischen Aktionen gegen die Faschisten, Großgrundbesitzer und den Kolonialstaat, der zwischen 1978 und 1980 in den Bezirken Hilvan und Sêwreg (tr. Siverek) in Riha (Urfa) entstand.
Um den bewaffneten Widerstand in einen professionellen Guerillakrieg und eine Befreiungsarmee zu transformieren, gingen PKK-Kader und Militante im Sommer 1979 in die der Region Palästina-Libanon, wo sie unter der Leitung von Abdullah Öcalan ideologisch, militärisch und politisch ausgebildet wurden. Kemal Pir, der die militärische Führung der Bewegung übernommen hatte, kehrte nach seiner Guerillaausbildung nach Nordkurdistan zurück. Er wurde jedoch im Herbst 1980 vom türkischen Staat gefangen genommen. Seine Verhaftung und der Militärputsch vom 12. September 1980 in der Türkei führten zu einer Verzögerung des Beginns des eigentlichen bewaffneten Kampfes.
Neue Phase beginnt mit zweitem Parteikongress
In dieser Zeit setzten die Kader und Kämpfer:innen der PKK im Libanon ihre ideologische, politische und militärische Ausbildung fort. Nach dem zweiten Kongress der PKK im Sommer 1982 brachen die Gruppen, die den bewaffneten Kampf aufnehmen sollten, im September auf, um sich in vorbereiteten Lagern an den Grenzen von Süd- und Ostkurdistan niederzulassen.
Die „Rückkehr ins Land“ gestaltete sich jedoch sehr schwierig und mühsam. Am 24. November 1982, auf dem Rückweg nach Kurdistan, starben acht Kämpfer der von Şahin Kılavuz geleiteten Gruppe im Fluss Hêzil. Die anderen Guerillagruppen erreichten nach einer schwierigen Reise Ende 1982 ihre Stellungen, und Anfang 1983 wurden auf den steilen Klippen zu beiden Seiten des Zap Lager errichtet.
Mehmet Karasungur ermordet
Im April 1983 traf sich das Feldkommando der PKK in Lolan, um über die Organisierung des militärischen und gesellschaftlichen Widerstands gegen das Putschregime vom 12. September zu beraten. Die wichtigste Frage war die folgende: Wie, wann und wo soll der bewaffnete Kampf aufgenommen werden? Es war vorgesehen, eine Vorbereitungseinheit in dem Gebiet, das sich bis zur Grenzlinie von Zagros, Botan und Serhat erstreckt, eingesetzt werden sollte. Die Einheit nahm ihre Arbeit in dem weitläufigen Gebiet auf. Nach Ansicht der Guerillakommandantur musste vorrangig eine Front aufgebaut werden, die sich von Şirnex über Dih (Eruh), Hawêl (Baykan), Hazo (Kozluk) bis Sason erstreckte.
In jener Zeit, als die Tage für den Beginn des Guerillakriegs heruntergezählt wurden und die Guerilla ihre Vorbereitungen mit sehr begrenzten Mitteln und unter schwierigen Bedingungen umsetzte, erschütterte die PKK ein weiteres unglückliches Ereignis. Mehmet Karasungur, Mitglied des Zentralkomitees der PKK und des Zentralen Militärkomitees, wurde zusammen mit seinem Genossen Ibrahim Bilgin in einem Lager der Kommunistischen Partei Irak in Qendîl getötet, wohin er sich zu einem Treffen mit Organisationen aus Südkurdistan begeben hatte. Dieses Ereignis verzögerte erneut den für Sommer 1983 geplanten Beginn des bewaffneten Kampfes.
Gründung der HRK
Das vom 2. Kongress der PKK Anfang 1984 gewählte Zentralkomitee wurde für ein Jahr in ein „Zentrales Vorbereitungskomitee“ umgewandelt. In Damaskus hielt es seine zweite Sitzung ab. Bei diesem Treffen, an dem Abdullah Öcalan und sieben Mitglieder des Zentralkomitees teilnahmen, wurde beschlossen, den Freiheitskampf auszuweiten und den Guerillakrieg so bald wie möglich aufzunehmen.
Im April desselben Jahres wurde im Gebiet Çiyayê Reş im Zap eine große Versammlung organisiert, an der rund 150 PKK-Kader teilnahmen. Auf dieser Konferenz, bei der die Ergebnisse der Sitzung des Zentralkomitees bekanntgegeben wurden, wurde beschlossen, den bewaffneten Kampf in Qilaban (Uludere) und Çelê (Çukurca) vorzubereiten, und es wurden entsprechende Aufgaben verteilt. Die in Çelê unternommenen Anstrengungen waren jedoch nicht ausreichend. Daraufhin teilte Abdullah Öcalan einen Perspektiventwurf für das weitere Vorgehen mit.
Auf der Grundlage der von Abdullah Öcalan dargelegten Perspektive trafen sich sechs Mitglieder des Zentralkomitees der PKK vom 16. bis 18. Juni 1984 in der Gegend von Xinêre. Auf diesem Treffen wurde die Gründung der Befreiungskräfte Kurdistans (Hêzên Rizgariya Kurdistan, HRK), die den Guerillakampf organisieren sollten, beschlossen. Die Beschlüsse der sechs führenden Kader der PKK, die sich zu diesem Zeitpunkt in den Bergen Kurdistans aufhielten, wurden Mitte Juli auf die erweiterte Gruppe der Kader im Gebiet von Şikefta Birîndara übertragen.
Bei diesem historischen Treffen in Şikefta Birîndara wurden die Gründungserklärung der HRK vorbereitet und die Orte und Termine der Aktionen festgelegt. Demnach sollte die Guerilla am 15. August 1984 gleichzeitig in Dih, Şemzînan (Şemdinli) und Şax (Çatak) einmarschieren: Die bewaffnete Propagandaeinheit unter dem Kommando von Mahsum Korkmaz (Egîd) in Dih und die unter dem Kommando von Abdullah Ekinci (Gözlüklü Ali) in Şemzînan. Eine Guerillaeinheit unter dem Kommando von Egîd sollte ein Jahr später, am Jahrestag des Gefängniswiderstands vom 14. Juli 1982, die unvollendete Aktion in Şax vollenden.
Die Aktion von Dih schreibt Geschichte
Mitte Juli 1984 brachen die Guerillagruppen in die Regionen Nordkurdistans auf. Die schwierigste Aufgabe war die der Gruppe in Dih. Egîd, der Befehlshaber der Gruppe, beschrieb die Schwierigkeiten in seinem Bericht wie folgt: „Wir konnten im Stadtzentrum keine einzige Person finden, von der wir Informationen erhalten konnten. Viele der Dörfer sind unserem Kampf zutiefst entfremdet.“ Außerdem hatte Egîd aufgrund angeborener Schwierigkeiten ernsthafte Probleme beim Laufen weiter Strecken. In seinen Tagebüchern, die später veröffentlicht wurden, beschrieb Egîd diese Situation in einem einzigen Satz: „Der Schmerz in meinem Knie hindert mich am Gehen.“ Diese Beschwerden verbarg er vor vielen seiner Freunde. Geschichtsschreiber sollten Egîds Behinderung bei Bergwanderungen später mit dem Asthma von Che Guevara vergleichen.
Egîd übte mit der Guerillagruppe an einem Modell von Dih und führte am 13. August die letzte Erkundung vor dem Angriff durch. Noch Stunden vor der Aktion wussten viele in der Gruppe nicht genau, wo sie angreifen sollten. Im Morgengrauen des 15. August erreichte die Gruppe den festgelegten Punkt. In der Morgendämmerung herrschte in der Region noch immer tiefe Stille. Als die Dämmerung einsetzte, zeigte Egîd auf das Ziel, das wie ein Punkt in der Ferne aussah. Die ganze Gruppe beobachtete die kleine Stadt mit Ferngläsern. Dih war drei Kilometer entfernt.
Alles für die Aktion war bis ins kleinste Detail berechnet worden, selbst ein „Plan B“ war vorbereitet. Sollte der Plan scheitern, würden die Mitglieder der Gruppe versuchen, einen Treffpunkt am Fuße des Çirav-Bergs zu erreichen. Diejenigen, die dort ankamen, würden höchstens anderthalb Stunden auf ihre Freunde warten und sich dann zu ihren Stützpunkten zurückziehen. Bei der Aktion, an der vier Milizionäre und 25 Kämpfer teilnahmen, wurden die Aufgaben von Egîd wie folgt verteilt:
=KTML_LIST_icon_circle_LISTTYPE=Angriffseinheit: Erdal, Selim, Şiyar, Fikret, Musa, Haydar, Azad, Ferhan
Raketenwerfereinheit: Haşim, Baran, Keleş (Miliz)
Verteidigungsgruppe: Kazım, Ibrahim (Miliz)
Kommando: Egîd und Serdar (Diktiryof)
Die Gruppe, die das Kasino und die Unterkunft des Kommandanten im Innenhof der Kaserne stürmt: Bedran, Bijî, Kerim
Propagandagruppe in der Moschee: Tevfik, Ömer Şoreş
Plakat- und Aquisitionseinheit: Botan, Cengo, Bozan
Einheit für die Sperrung der Straße von Dih nach Sêrt: Hacı, Xalil, Salih
Einheit für die Sperrung der Straße von Dih nach Şirnex: Ali, Cuma, Halil (Milizionäre)=KTMLLISTEND=
Bei Einbruch der Abenddämmerung des 15. August 1984 brach die Gruppe gegen 19.30 Uhr auf. Gegen 21 Uhr erreichte sie Dih und teilte sich schnell in drei Einheiten auf. Wenige Minuten später ertönte der erste Schuss, der auf den Wachposten des Gendarmeriepostens abgefeuert worden war. Eine Rakete schlug im oberen Stockwerk der Kaserne ein und wenige Minuten später fiel das zweistöckige Militärgebäude in die Hände der Gruppe. Die Soldaten gerieten in Panik. Währenddessen stürmte die „Hauptangriffskolonne das Offizierskasino.
Während die Gründung der HRK über den Moscheelautsprecher verkündet wurde, kontrollierten die Guerillakämpfer die Stadt und zerstörten die Symbole des türkischen Staates. Das Gebäude der Post und der Bank wurden zerstört und das Fahrzeug des Kommandanten in Brand gesteckt.
Die Guerillagruppe verließ Dih gegen Mitternacht mit einer Wagenladung an beschlagnahmtem Material. An einer Brücke am Ausgang der Stadt wurde alles auf Maultiere verladen und am 18. August erreichte die Guerillaeinheit sicher wieder ihren Stützpunkt.
Die Aktion in Şemzînan unter dem Kommando von Gözlüklü Ali
Zeitgleich mit der Aktion in Dih marschierte die Guerilla auch in Şemzînan ein. Anders als in Dih kam es in Şemzînan zu heftigen Zusammenstößen mit der türkischen Armee. Hier griffen die Guerillakämpfer unter dem Kommando von Gözlüklü Ali Polizeistationen und Militärunterkünfte an. Dabei erlitt die türkische Armee schwere Verluste. Trotz der heftigen Auseinandersetzungen wurde auch in Şemzînan die Gründung der HRK auf Flugblättern bekannt gemacht.
In einem Interview mit der Zeitung Yeni Özgür Politika im Jahr 2018 erklärte Duran Kalkan, Mitglied des Exekutivkomitees der PKK, die Unterschiede zwischen den Aktionen von Dih und Şemzinan wie folgt: „Die Aktion in Şemzînan stand der Aktion in Dih um nichts nach. In der Praxis waren sich die Aktionen sehr ähnlich. Der Fokus auf Dih liegt zum Teil an dem Kommando der Einheit, das die Aktion durchführte. Der Genosse Egîd, der die Aktion in Dih leitete, fiel am 28. März 1986 bei einem Gefecht in Gabar. Das und seine weitere Aktivität führte zu einer Fokussierung auf die Aktion in Dih. Auch der Kommandant der Aktion in Şemzînan, Genosse Gözlüklü Ali (Abdullah Ekinci) hat in der Folgezeit weiter mutig gekämpft. Er war Kommandeur einer Guerillaeinheit, die 1984 in Colemêrg kämpfte und 1985 bis nach Garzan vordrang und zahlreiche Aktionen durchführte.“
In demselben Interview erklärt Duran Kalkan, dass der Suizid von Gözlüklü Ali vor dem Hintergrund von Kräften, die die Bewegung zu liquidieren versucht hätten, dazu geführt habe, dass die Aktion von Şemzînan etwas in den Hintergrund trat. Kalkan sagt über Gözlüklü Ali: „Er war ein sehr sensibler und emotionaler Mensch. Er konnte den Diskussionen und Auseinandersetzungen, die auf die Auflösung der Bewegung abzielten, nicht standhalten.“
Ein Erdbeben, das seit 38 Jahren andauert
Der Durchbruch der PKK am 15. August löste in Ankara ein Erdbeben aus. Obwohl der türkische Staat versuchte, die Aktionen in Dih und Şemzînan zu vertuschen, machten die Aktionen vom ersten Moment an weltweit Schlagzeilen. BBC, Voice of America und der iranische Rundfunk waren die ersten Organisationen, die die Nachricht vom 15. August verkündeten. In den europäischen Medien hieß es: „Sie übernahmen die Strategie und Taktik der südamerikanischen Guerilla“, „Die türkische Presse darf nicht darüber berichten“, „Die Überraschungsangriffe könnten das Werk von PKK-Kämpfern sein, die als Apocular bekannt sind“, „Ihre Absicht ist es, einen unabhängigen sozialistischen Staat mit Diyarbakir als Hauptstadt zu errichten“ und „Sie wählen gebirgige Gegenden, die sich ideal für einen Guerillakrieg eignen“.
Erst am 18. August 1984 erreichte der 15. August die türkischen Medien. Während die Zeitung Milliyet auf ihren Innenseiten einen kurzen Artikel mit der Schlagzeile „Separatisten griffen zwei Gendarmerieposten und ein Offizierskasino an“ veröffentlichte, zensierte Hürriyet die Ereignisse vom 15. August mit der Schlagzeile „Terroristen, die einen Anschlag in Eruh und Şemdinli verübten, werden gesucht“. In den folgenden Tagen versuchten die türkischen Medien, die am 15. August verlorene Initiative mit Schlagzeilen wie „Die Soldaten sitzen ihnen im Nacken“, „Die Angreifer sind eingekesselt“ und „Die Gendarmerie ist in Eruh auf der Pirsch“ wiederzugewinnen. Während diese Meldungen wie zentral gesteuert in den türkischen Medien auftauchten, verkündete der Chef der Militärjunta, Kenan Evren: „Terroristen, die es wagen, gegen den Staat zu den Waffen zu greifen, müssen sofort gefasst und dem eisernen Griff der türkischen Justiz übergeben werden.“ Evren gab dafür eine Frist von 72 Stunden an und sagte: „Die Plünderer werden ihre Lektion lernen.“ Der Putschgeneral glaubte, dass der „29. kurdische Aufstand in der Geschichte der Republik“ das gleiche Ende erleiden werde wie die 28 anderen zuvor.
Die Kugeln vom 15. August führten jedoch zu einem Erwachen in ganz Kurdistan. Durch dieses Erwachen bildete sich innerhalb weniger Jahre eine Guerillaarmee, der Männer und Frauen aus fast allen Städten und Dörfern, Konfessionen und Religionsgemeinschaften angehörten.
Aus der von Kenan Evren verkündeten Lebensspanne der Guerilla von 72 Stunden sind bisher 38 Jahre geworden. Wie der amerikanische Philosoph Dale Carnegi sagte: „Die meisten wichtigen Dinge in der Welt wurden von Menschen erreicht, die es immer wieder versuchten, auch wenn es keine Hoffnung zu geben schien.“ Eine Gruppe von Freiheitskämpfern entzündete 1984, in einem der dunkelsten Jahre in der Geschichte Kurdistans, ein Feuer der Hoffnung und des Erfolgs, dort wo es keine Hoffnung zu geben schien.[1]