Midyat
MidyatMidyat (reichsaramäisch ܡܕܝܕ Mëḏyaḏ; arabisch مديات, DMG Midyād; kurdisch Midyad) ist eine Stadtgemeinde (Belediye) im gleichnamigen Ilçe (Landkreis) der Provinz Mardin in der türkischen Region Südostanatolien und gleichzeitig ein Stadtbezirk der
2012 gebildeten Büyükşehir belediyesi Mardin (Großstadtgemeinde/Metropolprovinz). Seit der Gebietsreform ab
2013 ist die Gemeinde flächen- und einwohnermäßig identisch mit dem Landkreis.
Ursprünglich wurde die Stadt von Aramäern bewohnt. Heute leben dort überwiegend Araber und Kurden. Midyat ist seit
1478 Sitz des syrisch-orthodoxen Bischofs. Seit
2009 residiert der Bischof im Kloster Mor Gabriel.
Geographie
Midyat ist der Hauptort des Tur Abdin, ein Kalksteingebirge am Oberlauf des Tigris. Der Kreis/Stadtbezirk grenzt intern an Savur, Ömerli, Nusaybin und Dargeçit und extern an die Provinz Batman im Norden und an die Provinz Şirnak im Osten.
Die Stadt liegt in etwa
1000 m Höhe über dem Meeresspiegel in einer hügeligen Landschaft mit Wiesen, Äckern und Weinbergen im östlichen Zentrum der Provinz Mardin. Durch die Stadt verläuft die Nationalstraße D 380 von Mardin nach Cizre. In Midyat beginnt die D 995, die nach Norden in die Provinz und Stadt Batman führt. Zur syrischen Grenze im Süden sind es 51 km, in die Provinzhauptstadt Mardin 81 km.
Blick über Neustadt und Altstadt
Etymologie
Es gibt unterschiedliche Quellen über die Herkunft und Bedeutung des Namens. Laut einigen Quellen bedeutet der Name Spiegel, der sich nach vielen Änderungen aus einer Mischung aus Persisch, Arabisch und Aramäisch bildete. Nach einer anderen Theorie erhielt Midyat seinen Namen vom altassyrischen Wort Matiate, was Stadt der Höhlen bedeutet. Darauf deutet eine Inschrift auf assyrischen Tafeln hin, die unter König Aššur-nâṣir-apli II. im 9. Jahrhundert vor Christi entstand. Die Entdeckung des unterirdischen Teils der Stadt, die eben Matiate genannt wurde, bestätigt diese Theorie. Eine weitere Deutung gibt das Wort Matiate als aramäisch für meine Nachbarschaft oder meine Heimat wieder.
Gliederung
Die Stadt besteht eigentlich aus zwei Teilen. Das eigentliche Midyat liegt im Osten und beherbergt sämtliche historische Gebäude und war das Wohngebiet der Christen. Im Westen lag die jüngere Ortschaft Estel, wo sich im 19. Jahrhundert Muslime, vor allem Kurden niederließen. Die Zweiteilung ist heute noch im Stadtbild erkennbar.
Der Landkreis (bzw. der Kaza als Vorläufer) bestand schon vor Gründung der türkischen Republik im Vilâyet Mardin. Zur ersten Volkszählung
1927 wurden 31.945 Einwohner in 133 Dörfern (auf 2.610 km² Fläche) gezählt, davon 3.918 im Verwaltungssitz.
(Bis) Ende
2012 bestand der Landkreis neben der Kreisstadt aus sechs Stadtgemeinden (Belediye) Acırlı, Çavuşlu, Gelinkaya, Şenköy, Söğütlü und Yolbaşı sowie 54 Dörfern (Köy), die im Zug der Verwaltungsreform 2013/2014 in Mahalle (Stadtviertel/Ortsteile) überführt wurden. Die zwölf existierenden Mahalle der Kreisstadt blieben erhalten, während die 21 Mahalle der sechs o. g. anderen Belediye vereint und zu je einem Mahalle verschmolzen wurden. Durch Herabstufung dieser Belediye und der Dörfer zu Mahalle stieg deren Anzahl auf 72 an. Ihnen steht ein Muhtar als oberster Beamter vor.
Ende
2020 lebten durchschnittlich 1.630 Menschen in jedem Mahalle, 11.161 Einw. im bevölkerungsreichsten (Bahçelievler Mah.), gefolgt von Bağlar Mah. (10.474 Einw.).
Bevölkerung
Midyat war ein historisches Zentrum der Assyrer in der Türkei. Bis zum Völkermord
1915 stellten sie die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung der Stadt. Aufgrund der Diskriminierungen im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts begann jedoch der christliche Bevölkerungsanteil zu schwinden. Bis
1979 war Midyat und der Tur Abdin das größte christliche Gebiet in der Türkei außerhalb Istanbuls.
1979 wurde der assyrische Bürgermeister von Dargeçit, Andreas Demir Lahdik, ermordet und gegen den Willen der Bevölkerung durch einen kurdischen Vertreter ersetzt. Bis dahin hatten die assyrischen Christen die Mehrheit in politischen Vertretung des Landkreises. Nach der Ermordung gab die muslimische Bevölkerung eine symbolische Kriegserklärung gegen die Assyrer ab, die zu einer Panik unter der christlichen Bevölkerung führte und danach zu zahlreichen Auswanderungen, unter anderem auch nach Deutschland. Kurz darauf kam es zu einer Masseneinwanderung von Kurden aus den nördlichen Gebieten, was zu einer demographischen Verschiebung führte. Diese wurde noch zu Ungunsten der Assyrer verstärkt, als
1984 der Kampf mit der PKK zahlreiche Opfer forderte. Die Assyrer steckten nun in einer Zwickmühle: Vom türkischen Staat der Illoyalität verdächtigt (da keine Türken und keine Muslime) und von der PKK verdächtigt, sie an den Staat zu verraten, um sich bei diesem beliebt zu machen. Von 50.000 Einwohnern im Jahre
1975 blieben am Ende des Konfliktes
1999 nur 2.000 Einwohner übrig. Es wird angenommen, dass bis in die frühen 1960er Jahre Midyat von mehr als 500 Familien bewohnt war. Die Aramäer und Assyrer stellten über 90 % der Bevölkerung dar. Heute gibt es schätzungsweise noch 120 christliche Familien, die in Midyat wohnen, hingegen mindestens 60.000 kurdische Einwohner, von denen die meisten aus anderen Dörfern kommen. Seit
2011 wanderten circa 100 bis 300 assyrische Christen aus Syrien ein, die vor dem Bürgerkrieg in Syrien nach Midyat geflohen sind. Die Assyrer machen heute nur noch 1 % der ansässigen Bevölkerung aus.
Politik
Bürgermeister von Midyat ist seit
2012 Veysi Şahin von der AKP (Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung); er wurde
2019 mit 57,93 % wiedergewählt. Im Kreis Midyat erzielte die AKP 52, 59 %, die HDP (Demokratische Partei der Völker) 34,02 %, die Sertaç Alğaç 6,53 %, die Iyi Parti (Gute Partei) 1,7 %, die CHP (Republikanische Volkspartei) 1,4 % und die SAADET (Partei der Glückseligkeit) 1,39 %
Sehenswürdigkeiten
In Midyat wurde
2020 eine unterirdische Stadt entdeckt, die Matiate genannt wird, mind.
1900 Jahre durchgehend bewohnt war und bis zu 70.000 Einwohner beherbergt haben könnte.
Midyat ist außerdem bekannt für seine sechs Kirchen:
- Mart Schmuni, aus dem 7. Jahrhundert
- Mor Barsaumo (auch: Mor Bardsomo)
- Mor Akhsnoyo (auch: Mar Philoxenos Aksenaja), nach dem Hl. Philoxenos von Mabbug aus dem 6. Jahrhundert
- Mor Scharbel
diese Kirchen stehen zurzeit leer, da die Mitglieder ihrer Gemeinden nach Europa geflohen sind.
die protestantische Kirche Joldath Aloho (Marienkirche), 19. Jahrhundert
Daneben gibt es noch das
- Kloster Mor Abrohom, das auch heute noch bewohnt ist.
- In der näheren Umgebung von Midyat finden sich noch weitere Sakralbauten:
- Kloster Dyro in Daslibo oder Çatalçam bzw. Dersalib
- Kirche in Zaz bzw. Izbirak
- Klosterburg in Gülgöze (= Aynwardo) mit der Kirche Mor Had Bschabo.
- Das Kloster Mor Gabriel liegt etwa 20 km von Midyat entfernt. Ebenfalls im Landkreis Midyat liegen die Orte Altıntaş (Keferze) und Anıtlı (Hah), in denen einige Kirchen und Klöster liegen.
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