Auf einem zweitägigen Symposium in Hesekê in Nordsyrien ist über die Auswirkungen des Vertrags von Lausanne diskutiert worden. Als Fazit wird festgehalten, dass das vor hundert Jahren geschlossene Abkommen die heutige Problematik verursacht hat.
In Hesekê hat ein zweitägiges Symposium zum hundertjährigen Bestehen des Vertrags von Lausanne stattgefunden. Auf dem vom Rojava Center for Strategic Studies (NRLS) veranstalteten Forum mit dem Titel „Vertrag von Lausanne: Kurskorrekturen für Stabilität und regionale Sicherheit wurde am 6. und 7. Juli von knapp 200 Fachleuten über die Auswirkungen des Abkommens auf die vier Teile Kurdistans auf syrischem, türkischem, irakischem und iranischem Staatsgebiet diskutiert. Die meisten Teilnehmenden kamen aus der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien, andere wurden aus der Türkei, Russland oder Russland über Zoom zugeschaltet.
In der am Freitagabend von der Journalistin Amara Bawer auf Kurdisch und NRLS-Mitglied Rakan Şêxê auf Arabisch verlesenen Abschlusserklärung des Symposiums wurden Forderungen und Anregungen formuliert. „Die Teilnehmenden bestätigten, dass der so genannte Friedensvertrag von Lausanne dem kurdischen Volk und den Völkern der Region keinen Frieden und keine Ruhe gebracht hat, sondern den Völkermord an Völkern und Kulturen durch die Gründung von Nationalstaaten legitimierte“, heißt es einleitend in der Abschlusserklärung. Der Vertrag habe den Weg für den Abschluss zahlreicher Sicherheitsabkommen zwischen den Staaten der Region geebnet und zu einem nationalistischen Aufschwung und demografischen Wandel geführt. Die heutigen politischen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Probleme in der Region seien das Ergebnis des Abkommens von Lausanne, das zur Konsolidierung unterdrückerischer Macht- und Reichtumsverhältnisse und zur Verwirklichung genozidaler Ziele beigetragen habe.
Forderungen und Anregungen
Weiter heißt es in der Erklärung: „Wir bestätigen, dass der Vertrag von Lausanne trotz der hundert Jahre, die seit seiner Unterzeichnung vergangen sind, den Frieden und die Stabilität in der Region nicht gesichert hat. Die für diesen Vertrag verantwortlichen Staaten müssen die Probleme, die sich aus diesem Vertrag ergeben, korrigieren und lösen. Sie sollten aufhören, Staaten zu unterstützen, die diesen Vertrag für ihre Interessen nutzen und die Verfolgung des kurdischen Volkes beenden.
Gemäß den Menschenrechtsverträgen und der Charta der Vereinten Nationen müssen die Staaten, die Einfluss auf die internationale Politik haben, die kurdische Existenz und das Recht des kurdischen Volkes auf politische, kulturelle, wirtschaftliche, soziale und sicherheitspolitische Selbstbestimmung anerkennen. Dieses Recht muss im Rahmen eines nationalen Abkommens anerkannt und gemeinsam mit den Staaten, die das Gebiet Kurdistans geteilt haben, umgesetzt werden.
Die kurdischen Kräfte müssen ihre politischen, wirtschaftlichen und militärischen Fähigkeiten stärken und koordinieren, um das kurdische Volk vor einem Völkermord zu schützen. Auf dieser Grundlage müssen die kurdischen Kräfte ein nationales Abkommen verabschieden, ungeachtet aller Meinungsverschiedenheiten. Alle Parteien müssen sich an dieses Abkommen halten.
Das kurdische Volk ist aufrichtig und stellt keine Bedrohung für die Nachbarvölker dar. Daher sollten die Staaten, die das Gebiet Kurdistans aufgeteilt haben, ihre Politik gegenüber den Kurdinnen und Kurden und ihrem Recht auf Leben überdenken und ihre Rechte anerkennen.
Als Idee und Philosophie stellt die Demokratische Nation eine mögliche Lösung für die Probleme des Friedens in der Region, den Schutz der alten Kulturen vor Extremismus und die Befreiung der Völker dar. Dieses Projekt wird in Nord- und Ostsyrien unter dem Dach der Autonomen Verwaltung verwirklicht.
Die Autonomieverwaltung bezieht ihre rechtliche und strafrechtliche Legitimität aus ihrer Dienstleistung und ihren politischen und militärischen Einrichtungen und muss geschützt, unterstützt und international anerkannt werden.
Die Fortsetzung der Angriffe auf das kurdische Volk in den vier Teilen Kurdistans ist eine Konsequenz des Lausanner Vertrags, der die Tötung und Vertreibung des kurdischen Volkes durch nationalistische Staaten legitimiert.
Die Teilnehmenden erklärten, dass sich die Feinde des Volkes an keine internationalen Regeln und Vereinbarungen halten. Daher fordern sie die internationalen Mächte auf, einen Mechanismus zu wählen, der die Staaten, die gegen die Gesetze und Verträge verstoßen, dazu zwingt, diese einzuhalten.
Wir bekräftigen, dass die einzige Möglichkeit, die Folgen des Lausanner Vertrags zu überwinden und neue unterdrückerische Abkommen in der Region zu verhindern, darin besteht, sich auf die Macht des Volkes zu verlassen. Die Teilnehmenden des Symposiums rufen daher die internationale Gemeinschaft auf, angesichts der Politik der Vernachlässigung, der Verleugnung und des Völkermords mit allen relevanten Organen Verantwortung zu übernehmen.“[1]