Autor:Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV)
Erscheinungsort: Deutschland
Verleger: (GfbV)
Veröffentlichungsdatum:März 2018
Am 16. und 17. März 1988 bombardierte die irakische Luftwaffe die kurdische Stadt Halabja im Norden des Landes mit Giftgas. Es gehörte zu den größten Massakern an Zivilisten mit chemischen Kampfstoffen seit dem Zweiten Weltkrieg. Diese Attacke hatten auch deutsche und europäische Firmen, u.a. durch Unterstützung des Aufbaus von Produktionsanlagen von Giftgas, ermöglicht. Das Bombardement richtete sich gezielt gegen die Menschen des Nordiraks. Mindestens 5.000 Menschen starben innerhalb weniger Stunden. Die Bevölkerung von Halabja wurde anschließend mit konventionellen Waffen angegriffen und vertrieben.
Die Auswirkungen des Giftgaseinsatzes reichen bis in die Gegenwart. Zahlreiche Überlebende leiden noch immer an Spätfolgen. In Halabja gibt es ungewöhnlich viele Fälle von bösartigem Krebs, Hautkrankheiten, Atemproblemen, Unfruchtbarkeit, Fehlgeburten und angeborenen Missbildungen. Die Zahl der von diesen Erkrankungen Betroffenen ist im Vergleich zu benachbarten Ortschaften, die von Gasangriffen verschont blieben, deutlich höher. Noch heute fehlt es an finanziellen Mitteln für den Aufbau einer medizinischen Infrastruktur, um sich angemessen um die überlebenden Opfer mit Spätfolgen kümmern zu können.
Immer wieder versuchte die Stadt Halabja, die ausländischen Firmen zu verklagen, die in irgendeiner Weise zu dem Giftgasangriff 1988 beigetragen haben. Viel ist seitdem über das Verbrechen gesagt und geschrieben worden. Doch zahlreiche Opfer wurden nie entschädigt. Auch nach dem Sturz von Saddam Hussein im Jahre 2003 erfuhren sie keine Gerechtigkeit und Wiedergutmachung. Es wurden zwar viele Versprechungen gemacht, aber kaum etwas davon eingehalten. Halabja leidet – wie ganz IrakischKurdistan – unter politischen Auseinandersetzungen zwischen dem Bundesland Irakisch-Kurdistan und der von schiitischen Parteien beherrschten Zentralregierung in Bagdad.
„Der Giftgasangriff hat sich nicht nur in das Gedächtnis der Kurden gebrannt, sondern auch in ihre Gene“, sagen viele Kurden. Die Zahl der erblich bedingten Missbildungen ist seitdem dramatisch angestiegen. Zum Beispiel nahmen einst seltene Entstellungen wie die Gaumenspalte oder Hasenscharte extrem an Häufigkeit zu. Und durch die schlechte medizinische Versorgung können die Kinder nicht richtig behandelt werden. Laut Bericht von Channel 4 hat sich die Zahl der Menschen mit Trisomie 21 verdoppelt und mit Leukämie verdreifacht. Herzversagen und angeborene Herzfehler sind von 39 Fällen 1990 auf 173 Fälle 1996 angestiegen. Schließlich ist die Zahl der Fehlgeburten enorm gewachsen und bis zu 14 Mal höher als im benachbarten und vom Giftgasangriff verschonten Ort Chamchamal. Dr. Fouad Baban, Direktor des medizinischen Zentrums in Halabja, sagte der BBC: „Die hohe Rate an Unfruchtbarkeit und Fehlgeburten beeinflusst die demographische Struktur unserer Bevölkerung, die um die zehn Prozent geringer ist als sie sein sollte. Das ist eine nationale Tragödie für unser Volk.“[1]