Hunderte Frauen haben sich vor dem Staatsratsgebäude in Ankara zum Protest gegen den Austritt aus der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen vor Gewalt versammelt.
Vor dem Staatsratsgebäude in Ankara, in dem das Klageverfahren gegen den Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen vor Gewalt verhandelt wird, haben sich Hunderte Frauen zum Protest versammelt. Die Frauen hielten Schilder mit Parolen wie „Wir geben die Istanbul-Konvention nicht auf“, „Gleichheit“ und „Fasst die Gesetze nicht an, setzt sie um“ in den Händen.
„Gemeinsam kämpfen“
Die Generalsekretärin der Frauenplattform „Wir werden Frauenmorde stoppen“, Fidan Ataselim, eröffnete die Kundgebung mit einem Redebeitrag. Darin hieß es: „Diese Entscheidung wurde von einer Person [Erdoğan] unter Missachtung jeglichen Rechts unterschrieben. Nur ein etwa sieben Prozent großer Teil der Bevölkerung wurde beachtet, während Frauen und LGBTI+ alleine gelassen werden. Diese Entscheidung ist illegitim. Wir werden weder unser Leben, noch unsere Entschlossenheit, noch unseren organisierten Kampf, und auch nicht die Istanbul-Konvention aufgeben. Natürlich werden wir diese Anhörungen weiterhin verfolgen, denn wir wollen, dass die Rechtstaatlichkeit beachtet wird. Wir geben unseren Kampf für die Umsetzung der Konvention nicht auf. Wenn nötig, werden wir immer wieder über jeden ihrer Paragraphen berichten. Als Frauen kämpfen wir gegen die Haltung, die Morde legitimiert und den Tätern auf die Schulter klopft.“
„500 Frauen seit Austritt aus der Konvention ermordet“
Ayşe Banu Tuna sprach im Namen der LGBTI+-Kommission der Journalistengewerkschaft TGS und erklärte, in dem Jahr nach dem Austritt aus der Konvention seien 500 Frauen ermordet worden: „Das, was wir hier erleben, ist der systematische Mord an einem Geschlecht. Wir sind sowohl Frauen als auch Journalistinnen. Heute sind sowohl Frauen als auch der Journalismus in der Türkei bedroht. Wir wollen nicht immer wieder darüber berichten müssen, dass unsere Schwestern jeden Tag vergewaltigt, belästigt, geschlagen und getötet werden. Wir wollen nicht jeden Tag mit dem Gedanken aufwachen, dass auch wir an die Reihe kommen könnten. Wir wollen nicht, dass Femizide eine Sparte, ähnlich wie Wirtschaft und Politik, in den Zeitungen werden. Wir wollen unseren jungen Kolleg:innen nicht beibringen müssen, wie man über Gewalt gegen Frauen berichtet. Deswegen geben wir die Istanbul-Konvention nicht auf. Unser Kampf wird weitergehen, bis es eines Tages keine Gewalt gegen Frauen mehr gibt, über die berichtet werden muss.“
Im Anschluss an die Kundgebung gingen die Frauen in das Gerichtsgebäude.
Breite Klage gegen Austritt
Die Klage gegen den per Präsidialdekret verfügten Austritt aus der Konvention war vom Frauenrat der HDP, der Journalistengewerkschaft der Türkei (TGS), der Frauenplattform für Gleichberechtigung (EŞİK), der Progressiven Frauenvereinigung (IKK), dem Gewerkschaftsbund der Angestellten im Öffentlichen Dienst (KESK), der Gewerkschaft für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Viehzucht (Tarım Orkam-Sen) und weiteren Verbänden, Anwaltskammern und Persönlichkeiten eingereicht worden.[1]