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Die Kurden in Syrien sind den Manövern der verschiedenen Mächte unterworfen
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Gruppe: Artikel | Artikel Sprache: Deutsch - German
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Die Kurden sind seit über hundert Jahren ihrer nationalen Rechte beraubt und unterdrückt. Während der Kriege, die seit über einem Vierteljahrhundert den Irak zerstören und seit einigen Jahren nun auch Syrien, scheint sich die Lage der Kurden scheinbar zu verbessern. Die Streitkräfte der kurdischen Nationalisten (die Peschmerga von Barzani und von Talabani auf der irakischen Seite und die YPG, die Volksverteidigungseinheiten, Kampfgruppen der #PYD# auf der syrischen Seite) verwalten autonome Gebiete, die im Sommer 2017 relativ weitläufig waren. Seitdem wurden sie angegriffen und ihnen wurden Teile der Gebiete wieder weggenommen, zunächst im Oktober 2017 von der irakischen Armee, dann Anfang 2018 von der türkischen Armee.

Die Autonome Region Kurdistan existiert de facto seit 1991 und offiziell seit 2005. Dank des Erdöls hat die Hauptstadt Erbil und deren Umgebung ein Wirtschaftswachstum erlebt. Seit kurzem haben auch die Kurden in Syrien ein autonomes Gebiet. Seit 2012 gibt es Rojava, was auf Kurdisch Westen bedeutet, da es der Westen des von den Nationalisten geforderten Kurdistans ist. Immer wieder war Rojava in den Schlagzeilen, vor allem während der Kämpfe um Kobane (2014-2015), als die Kämpfer der YPG den Vormarsch des islamischen Staates stoppten oder während des Angriffs auf Afrin (zwischen Januar und April 2018), als sie von der türkischen Armee zurückgedrängt wurden.
Rojava, die kurdische Enklave in Syrien

In der Zeit, als der Islamische Staat (IS) auf dem Vormarsch war und große Gebiete erobert hatte, waren die kurdischen Kämpfer überall die entschlossensten Kämpfer gegen die dschihadistischen Milizen. Nicht zuletzt verfügten sie - im Gegensatz zu den Wehrpflichtigen der irakischen und syrischen Armee - über militärische Erfahrung, die sie in zahlreichen Kämpfen erworben haben. Die kurdischen Kämpfer wurden von der internationalen Presse gelobt, vor allem in Frankreich. In zahlreichen Reportagen wurde über die Frauenkampfgruppen berichtet. Diese Bilder heben sich von denen ab, die heute in Syrien und im Irak so alltäglich geworden sind - Bilder von Straßen ohne Frauen oder mit komplett verschleierten Frauen.

Rojava steht in Kontrast zu dem, was sonst in der Region passiert. Dieses kleine Gebiet von ungefähr 30.000 km², dessen Größe im Verlauf der Kämpfe mal kleiner, mal größer wird, wird von der PYD (Partei der Demokratischen Union) verwaltet, die der PKK nahesteht. Die PKK, die kurdische Arbeiterpartei, ist die größte kurdische Partei in der Türkei und hat eine stalinistische Tradition. Ihr Widerstand gegen die zahlreichen dschihadistischen Milizen, angefangen beim Islamischen Staat, ist beachtlich. Umso mehr, da die Obrigkeit in Rojava nicht nur die Rechte der Kurden betont, sondern auch das Recht auf alle sprachlichen und religiösen Unterschiede, das Recht der Frauen auf Gleichberechtigung und das Recht auf eine Wohnung und Bildung für alle. In dieser quasi unentwirrbaren Lage der Region, geprägt von Krieg und Bürgerkrieg zwischen den reaktionärsten Lagern, versucht die Obrigkeit in Rojava, das 2016 in Demokratische Föderation Nordsyrien umbenannt wurde, ihre Autonomie zu bewahren. Aber wie lang wird das möglich sein?

Der kurdische Nationalismus, auch abgeschwächt und ausgeweitet auf das, was die Führer von Rojava den demokratischen Konföderalismus nennen, bleibt in jedem Fall eine Sackgasse. Die kurdischen Nationalisten waren stets ein Spielball in den Händen verschiedener Staaten und ihrer wechselnden Entscheidungen - in den Händen der Regionalmächte vor Ort wie die Türkei, Syrien, der Iran oder Irak wie auch in den Händen der weit entfernteren Großmächte wie Russland oder den westlichen Imperialisten. Im derzeitigen Kontext, wo im Nahen Osten die imperialistischen Beziehungen alles dominieren, bleibt die Idee eines eigenen kurdischen Staates oder auch nur eines dauerhaften, stabilen kurdischen Autonomiegebietes illusorisch. Ganz zu schweigen die Idee eines kleinen friedlichen autonomen Gebietes, das sich auf Multikulturalismus beruft und wo die Bevölkerung dauerhaft ihre Lebensbedingungen und Freiheiten gegenüber dem syrischen, türkischen oder irakischen Staat behaupten könne.
Ein Volk ohne Staat, das man im 20. Jahrhundert ignoriert und missachtet hat

Es gibt 30 bis 40 Millionen Kurden, verstreut auf mehrere Länder, vor allem die Türkei, den Irak, den Iran und Syrien. Dieses Volk, definiert über seine Sprache, hatte vor 1918 eine etwas anerkanntere Existenz, da es im Osmanischen Reich über eine gewisse Autonomie verfügte. Nach dem Ersten Weltkrieg gehörte das Osmanische Reich zu den Besiegten und wurde auseinandergerissen. Die imperialistischen Großmächte, die es zerstückelten (Großbritannien und Frankreich), teilten sich das ehemalige Osmanische Reich unter sich auf. Jeder bekam sein eigenes Einflussgebiet. Eigentlich hatten sie den Kurden dabei ein eigenes Gebiet versprochen. Doch in der Auseinandersetzung mit der neuen Türkei von Mustafa Kemal entschieden sie sich für eine andere Lösung. Die Kurden wurden wie die Araber auf mehrere neue Staaten aufgeteilt. Die Grenzen dieser neuen Staaten wurden so gezogen, wie es den Interessen der zwei westlichen Großmächte am besten entsprach.

Im Unterschied zu den Arabern waren die Kurden jeweils nur eine Minderheit innerhalb dieser Staaten. In der Türkei oder dem Irak, den Staaten mit dem größten kurdischen Anteil, machten sie ungefähr 20% der Bevölkerung aus. Seitdem haben die Herrschenden (zunächst die Kolonialmächte, später die arabischen, türkischen oder iranischen Regierungen) die Bestrebungen dieser Minderheit unterdrückt, um ihre Macht und den herrschenden Nationalismus zu festigen, auf den sich stützten. Die Kurden waren ständig Opfer von Diskriminierungen, angefangen damit, dass ihre kulturellen Besonderheiten geleugnet wurden, dass man ihnen verbot, ihre Sprache zu sprechen - bis hin zu brutalen, mörderischen Repressionswellen und der Umsiedlung ganzer Bevölkerungsteile.

Die Protestbewegungen der Kurden haben nie aufgehört. Sie sind geprägt von zahlreichen bewaffneten Zusammenstößen. Im Irak und der Türkei gab es fast ständig eine Guerillabewegung. Während jedoch die iranischen, irakischen oder syrischen Staaten im eigenen Land absolut keine kurdische Bewegung duldeten, so haben sie doch manchmal kurdische Bewegungen im Nachbarland unterstützt - um ihrem Rivalen, der Regierung im Nachbarland zu schaden. Die kurdischen Bewegungen haben sich daher in jedem Land getrennt entwickelt und wurden dabei manchmal vom rivalisierenden Nachbarstaat bewaffnet... bis dieser sie wieder fallen ließ. So hat der iranische Schah die irakischen Kurden unterstützt, bis er sich 1975 für ein paar Jahre mit dem Irak versöhnt hat... und Mustafa Barzani, der Vater von Massoud (dem heutigen Führer der irakischen Kurden) in Windeseile mit 100.000 Kurden aus dem Irak fliehen musste.

Die PKK in der Türkei hat ihrerseits lange Zeit von dem Schutz Assads in Syrien profitiert. Zwischen 1979 und 1998 konnten sie in Syrien Stützpunkte errichten - Rückzugsbasen für ihren Guerillakrieg. Aber 1998 hat die syrische Regierung ihr Verhalten geändert. Um bessere Beziehungen zur Türkei aufbauen zu können, hat sie Öcalan (den Führer der PKK) außer Landes gewiesen. Dies ermöglichte es der türkischen Armee, ihn sich mit Hilfe der USA in Kenia zu schnappen. Seitdem, seit nunmehr 20 Jahren, sitzt er im Gefängnis und seit 2016 in kompletter Isolationshaft.
Von der Destabilisierung des irakischen Regimes zur Autonomen Region Kurdistan im Irak

Aber die Situation hat sich verändert. Die Kriege des letzten Vierteljahrhunderts, die das Regime im Irak und dann in Syrien erschüttert haben, haben als Nebeneffekt, dass die Kurden dort Gebiete erhalten haben - mit dem Einverständnis der imperialistischen Mächte. 1991 hat der von den USA (unter der Schirmherrschaft der UNO) angeführte Krieg gegen den Irak einen kurdischen Aufstand ausgelöst.

Die amerikanische Führung, die das irakische Volk zunächst dazu aufgerufen hatte, sich gegen das Regime von Saddam Hussein zu erheben, hat zugelassen, dass dessen Armee den kurdischen Aufstand niederschlug. Erst als jedes revolutionäre Risiko gebannt war, haben sie angefangen, das irakische Kurdistan zu beschützen. Sie richteten nördlich des 36. Breitengrades eine Flugverbotszone ein. Dadurch konnte rund um die Stadt Erbil ein unabhängiges Gebiet entstehen. Dieses irakische Kurdistan wurde in den 1990er Jahren von Bruderkämpfen zwischen den Anhängern von Barzani (die den Norden rund um Erbil hielten) und den Anhängern von Talabani (die den Süden rund um Sulaimaniyya hielten) zerrissen. Dies hat zu einer Spaltung zwischen dem irakischen Nord- und Südkurdistan geführt, die bis 2006 bestand.

2003 hat der zweite amerikanische Krieg gegen den Irak zum Sturz und der Hinrichtung Saddam Husseins geführt. Dies hat den Peschmerga ermöglicht, ihr Gebiet auszuweiten und fast die gesamten kurdischen Gebiete im Land zu kontrollieren. 2005 wurde der Irak offiziell zu einem föderal organisierten Land. Dabei wurde die Autonome Region Kurdistan im Norden anerkannt. Sie wird von der kurdischen Regionalregierung mit Massoud Barzani als Präsident regiert, während Jalal Talabani Präsident der Republik Irak wurde. Dies war eine Entscheidung der amerikanischen Führung, die sich auf verschiedene Mächte stützen wollte, um das Land besser kontrollieren zu können. Im Rest des Iraks haben sie sich auf schiitische Milizen gestützt.

2014 und 2015 hat das Voranschreiten des Islamischen Staates (IS) zum Zusammenbruch der irakischen Armee geführt hat. Dies hat es der Autonomen Region Kurdistan ermöglicht, ihre Gebiete auszuweiten, nicht zuletzt auf die große Stadt Kirkuk und die ölreichen Gebiete in ihrer Umgebung. Der Rückzug des Islamischen Staates ab 2015 hat ihr Gebiet nochmal vergrößert. Ab 2003 hat die kurdische Regierung in Zusammenarbeit mit ausländischen Firmen ohne das Einverständnis Bagdads angefangen, das Öl in der Region zu fördern. Der Export über eine Pipeline, die durch die Türkei läuft, hat zu einem bedeutenden Kapitalzufluss geführt. Barzani und die kurdische Regionalregierung haben sich mit der türkischen Regierung verständigt und im Gegenzug zugesichert, dass sie der PKK absolut keine Unterstützung zukommen lassen.

Die Stadt Erbil ist in diesen Jahren immer größer geworden. So gab es bald eine dritte und dann eine vierte Umgehungsstraße. Grund für dieses Wachstum waren die Flüchtlinge, aber auch der Wirtschaftsaufschwung, den manche sogar mit dem von Dubai verglichen haben. Im Juli 2017 stellten die Peschmerga den größten Teil der Bodentruppen, die Mossul von den Milizen des Islamischen Staates befreiten. Das irakische Kurdistan, dass de facto seit 26 Jahren und offiziell seit 12 Jahren Autonomiestatus genießt, konnte also im letzten Jahr wirklich als aufstrebende, stabile, mächtige Region erscheinen.
Das irakische Kurdistan nach dem Regierungsangriff im Oktober 2017

Im September 2017 hat die Regionalregierung von Barzani den Schritt gewagt und ein Unabhängigkeitsreferendum organisiert. Wollte er den Anspruch auf die Gebiete festigen, die er im Krieg gewonnen hatte? Oder Druck auf Bagdad ausüben, weil Bagdad nach und nach den föderalen Charakter des Landes in Frage gestellt hat? Auf jeden Fall hat sich Barzani damit gegen die Zentralregierung in Bagdad, die westlichen Regierungen und den türkischen Präsidenten Erdogan gestellt. Letzterer hat das Referendum als Verrat bezeichnet.

Die Wahl selbst war mit 92 % für die Unabhängigkeit Kurdistans ein Erfolg für Barzani. Aber dieser Erfolg hat nicht die Unabhängigkeit gebracht. Im Gegenteil, Bagdad hat Ende Oktober Militär in die Region geschickt und die Regionen um Kirkuk und Sindschar zurückerobert. Die Autonome Region Kurdistan wurde so auf ihre Gebiete von 2003 zurückgedrängt und damit von der Hälfte ihrer Ölreserven abgeschnitten!

Die Großmächte haben dies geschehen lassen, inklusive Russland - trotz des Kaufvertrags für das kurdische Öl, den das russische Unternehmen Rosneft im Juni 2017 unterzeichnet hat. Sie wollen keine offiziellen Grenzveränderungen in der Region und brauchen die kurdischen Kämpfer auch weniger, jetzt wo es nur noch winzige Widerstandsnester des Islamischen Staates gibt. Und die Regionalmächte, sprich die Türkei und der Iran, wollen verhindern, dass die Ausrufung eines unabhängigen Kurdistans eine ansteckende Wirkung auf ihre jeweiligen Kurden haben könnte. Die kurdischen Nationalisten wurden also ein weiteres Mal von ihren Unterstützern hängengelassen.
In Syrien, eine Chance für Rojava

Auf der syrischen Seite, in Rojavayê Kurdistanê oder Westkurdistan, ist das autonome Gebiet, das sich erst 2012 gebildet hat, eine völlig andere Gestalt angenommen. Es ist von linken, ja vom Sozialismus angehauchten Ideen geprägt. In Syrien sind die sozialistischen Traditionen viel lebendiger, da es hier lange eine starke kommunistische Bewegung gegeben hat. Die ehemaligen stalinistischen Parteien Syriens haben mehr oder weniger das Regime unterstützt und wurden von den Assads toleriert. Außerdem hat die türkische PKK trotz der Verhaftung Öcalans weiter starke Verbindungen zu den Städten im syrischen Kurdistan aufrechterhalten. Die kurdische Partei ist im heutigen Syrien die einflussreichste Partei. Die PYD wurde 2003 gegründet und ist ein Ableger der PKK, deren Ideologie und politischen Anweisungen sie übernimmt, angefangen beim ständigen Bezug auf den Anführer Öcalan, genannt Apo (Onkel).

Die kurdischen Regionen in Syrien sind die Fortsetzung der türkischen und irakischen kurdischen Siedlungsgebiete, allerdings sind sie wesentlich kleiner. Nach 1962 wurde 150.000 bis 300.000 syrischen Kurden die Staatbürgerschaft entzogen - das Regime behauptete, sie wären illegal aus der Türkei nach Syrien gekommen. Sie lebten in einer wirklich schlimmen Lage und konnten weder für den Staat arbeiten, noch in öffentlichen Unternehmen, noch ins Ausland reisen. Neben anderen Verbrechen gegen die Kurden muss man die gewaltsame Repression von Qamischli 2004 erwähnen. Bei einem Fußballspiel gegen ein arabisches Team hatten deren Fans offen ihren antikurdischen Rassismus zur Schau gestellt und dadurch Unruhen ausgelöst. Bei der Niederschlagung wurden 10 Menschen getötet, was zu Demonstrationen in allen kurdischen Städten geführt hat, bei denen wiederum 43 Menschen getötet und hunderte verletzt wurden. 1.500 Aktivisten der PKK/PYD sollen verhaftet worden sein. Dies trug dazu bei, dass die PKK/PYD in den darauffolgenden Jahren viele junge Menschen gewinnen konnte. Sie organisierte mehrere Angriffe auf Polizeistationen. Aber sie hat nie wirklich das Regime angegriffen, das übrigens die Entwicklung kurdischer Kulturvereinigungen zugestand. Im März 2011, als die Welle des arabischen Frühlings auch Syrien ergriff und Aufstände ausbrachen, haben auch junge Kurden demonstriert, insbesondere in Qamischli. Allerdings haben die meisten kurdischen Partei, auch die PYD, entschieden sich nicht an der Bewegung zu beteiligen.

Angesichts der Protestwelle im Land entschied das Regime von Baschar al-Assad, zumindest Widerstand in den kurdischen Regionen zu vermeiden. Im April 2011 erkannte es den staatenlosen Kurden die Staatsbürgerschaft zu und erlaubte offiziell, Kurdischkurse anzubieten. Ein Jahr später, im Juli 2012, zog es einen Teil seiner Truppen aus dem Norden ab, um sie um Aleppo und Damaskus zu konzentrieren und diese Städte zu verteidigen. Es wollte damit auch dem türkischen Regime Erdogans eins auszuwischen, der zuvor Baschar al-Assad seinen Bruder genannt hat und nun bewaffnete Gruppen unterstützte, die das syrische Regime bekämpften. Al-Assad ließ also zu, dass Rojava gegründet wurde und gab den bewaffneten Gruppen der PYD/PKK ausdrücklich die Möglichkeit, einen Grenzstreifen zur Türkei unter ihrer Kontrolle zu haben.

Diese Partei war bestens darauf vorbereitet, eine bewaffnete Kraft zu werden. Doch sie hat einen Teil der jungen Leute, die 2011 an der Bewegung teilgenommen hatten, davon überzeugt, sich auf den Kampf für die kurdische Autonomie zu beschränken statt das Regime an sich zu bekämpfen. Dies fiel ihnen umso leichter, weil das autonome Rojava von Anfang so anziehend schien: dezentral, partizipativ und respektvoll gegenüber der ethnischen und religiösen Vielfalt in der Region. Zum Beispiel werden in der Verwaltung und in den Schulen drei Sprachen genutzt: Arabisch, Kurdisch und Syriakisch.
Eine außergewöhnliche, aber unsichere Situation

2014 hat die PYD die Autonomie dieses Gebiets offiziell gemacht, das aus drei Kantonen mit 4.000 Ortschaften besteht. Der syrische Staat bezahlte weiterhin die Beamten und behielt in einigen Städten sogar Einheiten der syrischen Armee.

Dieses neue autonome Gebiet, das hauptsächlich von Kurden bewohnt wird und unter kurdischer Leitung ist, und sein irakischer Nachbar existieren seitdem nebeneinander. Ihr Verhältnis ist eine Mischung aus wechselseitiger Unterstützung und Rivalität: Ab und zu blockieren die Peschmerga des irakischen Kurdistans den Zugang zu Rojava. Sie versuchen eher mit der türkischen Regierung Erdogans zusammenzuarbeiten, die dieser autonomen kurdischen Macht in Syrien sofort feindselig gegenüberstand.

Als der Islamische Staat 2014 und 2015 im Irak Dörfer der Jesiden (eine kurdische religiöse Minderheit) angegriffen hat und Massaker und Verschleppungen zunahmen, haben die YPG, die Milizen der PYD/PKK ihnen schnell und effizient geholfen. Sie haben viele gerettet und in geschützten Lagern untergebracht. Die PYD und die YPG haben den Jesiden viel mehr geholfen als die Peschmerga Barzanis, obwohl diese ihnen geografisch viel näher waren.

Als der Kampf gegen den Islamischen Staat zwischen 2014 und Sommer 2017 auf seinem Höhepunkt war, haben sich die Regierungen der Koalition (vor allem die Amerikaner, aber auch die Franzosen) - da sie selber keine Bodentruppen einsetzen wollten - zunehmend auf die Kämpfer der YPG gestützt. Sie haben Kommandozentralen in den Kantonen Kobane und Cizîrê errichtet, um die Luftschläge zu koordinieren, Kämpfer auszubilden und mit ihnen einige Operationen zu diskutieren.

Aber heute brauchen die USA sie sicher weniger. Allerdings scheinen sie dennoch zu hoffen, dass das Autonomiegebiet weiter besteht. Denn es ist von ihrer Unterstützung abhängig und würde es ihnen ermöglichen, einige amerikanische Truppen weiterhin in Syrien zu stationieren, vor allem östlich des Euphrat und rund um Manbidsch.
Afrin wird von der türkischen Armee angegriffen... und von den anderen Großmächten fallengelassen

Anfang 2018 sah der türkische Präsident Erdogan angesichts der herannahenden Wahlen vom 24. Juni die Gelegenheit, durch einen Angriff auf Rojava wieder eine nationale Einheit um sich herum zu schaffen. Er erklärte (wie immer), die kurdischen Nationalisten wären Terroristen und griff unter diesem Vorwand im Januar Afrin an. Diese militärische Operation, ohne jede Scham ,Olivenzweig' genannt, war nicht der erste Einmarsch in syrisches Gebiet. Bereits zwischen August 2016 und Februar 2017 hatte die Operation Schutzschild Euphrat es dem türkischen Militär ermöglicht, ein Gebiet zwischen Kobane und Afrin zu besetzen, übrigens unterstützt von den USA. Die türkische Armee hatte bei dieser Operation zwar Truppen des Islamischen Staates verjagt, aber auch Truppen der YPG. Die türkische Armee und die sie begleitenden syrischen Milizen wollten verhindern, dass die Gebiete von Rojava zu einem Gebiet verschmelzen könnten.

Der Angriff auf Afrin 2018 richtete sich ausschließlich gegen die YPG. Die YPG sollte dazu gezwungen werden, ein großes Gebiet an der Grenze zur Türkei zu evakuieren. Erdogan hat türkische Flugzeuge und schwere Artillerie eingesetzt, aber was die Bodentruppen angeht, so hat er sich auf syrische arabische Einheiten gestützt: Einheiten, die zum Großteil aus dschihadistischen Milizen bestanden, von denen Teile scheinbar vom Islamischen Staat kamen. Die Bataillone der YPG haben ihnen zwei Monate Widerstand geleistet. Dabei wurden sie von einigen arabischen Gruppen unterstützt, die mit ihnen in den DKS (Demokratische Kräfte Syriens) organisiert sind. Aber da sie weder von der pro-amerikanischen Koalition noch von Russland geschützt wurden, konnten sie sich nicht halten. Sie mussten Afrin verlassen und sich auf den Rest Rojavas zurückziehen. Erdogan wollte dann die Kämpfe auf Manbidsch, ja bis zum Osten des Euphrat ausdehnen, aber das hat die amerikanische Regierung nicht zugelassen. Seitdem schickt die türkische Armee ihre Flugzeuge und Drohnen, aber auch ihre Kommandotruppen (unterstützt von der Regierung der irakischen Autonomen Region Kurdistan!) in die Kandil-Berge im Grenzgebiet zwischen Irak und Iran.

Die Zerbrechlichkeit der Macht der PYD im Norden Syriens wurde damit bestätigt. Was das angeht, sind die beiden autonomen Gebiete in derselben Lage. Die nationalistischen kurdischen Gruppen haben es geschafft, gewisse Positionen zu erobern, weil der Staat ein - allerdings nur provisorisches - Machtvakuum hinterlassen hat und weil sie von mindestens einer dritten Macht (also einer Großmacht oder einer regionalen Macht) unterstützt wurden. Der Preis dafür waren häufig Zugeständnisse, die teilweise bis dahin gingen, dass sie sich gegen andere kurdische Fraktionen richteten. Und wofür?

Die Erfahrung zeigt, dass sie den bürgerlichen Nachbarstaaten nicht vertrauen können, die sich nur zeitweilig dazu entschließen, sie gegen einen Rivalen zu unterstützen. Diese Mächte zögern nicht, sich anders zu entscheiden, wenn es ihnen günstig erscheint. Bei ihren Entscheidungen spielt das kurdische Volk, das verhältnismäßig klein ist und vor allem über keinen Staat verfügt, keine große Rolle. Dies konnten wir in den letzten Monaten wieder beobachten. Die imperialistischen Mächte, allen voran die USA, haben ungerührt zugesehen, wie die irakischen Peschmerga wie auch die syrische YPG angegriffen wurden und einen Teil ihrer Gebiete verloren haben. Und was die Regionalmächte betrifft, so nehmen sie sich alle vor dieser Minderheit in Acht. Sie alle halten die kurdischen Minderheiten für eine Kraft, die ihre Macht gefährden könnte.
Kurdischer Nationalismus oder demokratischer Konföderalismus?

Angesichts dieser Sackgasse, angesichts der Tatsache, dass sie mit ihrer Guerilla in der Türkei keinen militärischen Sieg erringen konnten und ihr Anführer im Gefängnis sitzt, haben die Führer der PKK ihre offizielle Lehre geändert. Sie haben ihr leninistisches oder marxistisches Etikett abgelegt und sogar einen Teil ihres nationalistischen Credos, da sie nun verkünden, gegen Nationalstaaten zu sein. Auf diese Weise versuchen sie Erdogan und al-Assad zu beweisen, dass sie nicht unbedingt eine Gefahr für ihre Macht darstellen. Auf ähnliche Weise haben die Zapatisten des Chiapas in Mexiko den Guevarismus fallen gelassen. Seit die UdSSR nicht mehr existiert, ist es weniger in Mode, sich auf den Sozialismus zu berufen. Sich nur noch auf einen demokratischen Konföderalismus, auf Feminismus und soziale Ökologie zu berufen, ermöglicht es außerdem zu zeigen, dass man keine Bedrohung für die internationale Ordnung der Großmächte darstellt.

Zwischen 2012 und 2014 haben zwischen Erdogans Regierung und der PKK Verhandlungen stattgefunden, die letzteren die Hoffnung gemacht haben, dass der türkische Staat ihnen etwas entgegenkommen würde. Aber seit 2015 verfolgt Erdogan wieder eine Politik der harten antikurdischen Repression. Weder die PKK noch die legalen kurdischen Parteien wie die HDP (Demokratische Partei der Völker) können nun noch damit rechnen, dauerhaft Städte oder Regionen in der Türkei zu verwalten. In Syrien ist die PYD dazu noch in der Lage - in Rojava, wo in jeder Versammlung mindestens 40% Frauen sein müssen und wo sie im Kanton Cizîrê (mit sehr einfachen Mitteln) versuchen, selber Öl zu raffinieren. Die PKK/PYD stellt die Situation in Rojava als Revolution dar, als Aufbau einer neuen, klassenlosen Gesellschaft, deren Beispiel bald zu einem Flächenbrand führen müsse. Das fasziniert einen Teil der extremen Linken in der Welt. Um die hundert Aktivisten aus verschiedenen Ländern haben sich daher aufgemacht, um an der Seite der YPG zu kämpfen. Einige von ihnen starben durch die Bomben des Islamischen Staates oder der türkischen Armee, wie der Franzose Olivier Le Clainche im Februar 2018.
Welche Perspektiven gibt es für die autonomen kurdischen Gebiete?

Im Norden Syriens verwaltet die PYD ein kleines Gebiet. Dort ist es für die Einwohner wesentlich lebenswerter als in den Nachbargebieten, in denen Krieg und Barbarei herrschen. Ihre Leitung behauptet, sie sei sich darüber bewusst, dass sie zwischen den verschiedenen Mächten eingeklemmt sind und sie sich einfach nur auf ihr Überleben konzentrieren können. Das Überleben ihrer Föderation ist jedoch vollständig abhängig von den Berechnungen der imperialistischen Großmächte und den Beziehungen, die diese zu den Staaten rund um Rojava haben. Die Existenz dieses autonomen Gebiets passt dem Regime von Baschar al-Assad im Moment ganz gut. Es bildet einen Puffer zur Türkei. Und den USA und ihren Alliierten passt es ebenfalls gut in den Kram. Umso mehr, da sie dadurch weiter eine - wenn auch begrenzte - militärische Präsenz in Syrien aufrechterhalten können, was ihnen nützlich ändern.

Wenn Rojava sich halten könnte, was würde dann daraus werden? Genau wie das irakische Kurdistan würde es nur fortbestehen, weil die imperialistischen Mächte sich dafür entschieden haben. Sie könnten einen so kleinen kurdischen Staat gegen die umliegenden Staaten einsetzen, auf dieselbe Weise wie der Imperialismus Israel als permanente Bedrohung gegen die arabischen Staaten oder den Iran benutzt. Auch von den Zionisten haben sich anfangs viele auf sozialistische Ideale berufen und das hat den Imperialismus nicht im Geringsten gestört, da es seine Herrschaft in keinster Weise bedroht hat. Und sollte Rojava wiederum als Zugeständnis von al-Assad an die PYD und das kurdische Kleinbürgertum fortbestehen können, so könnte dies nur eine sehr unsichere und provisorische Situation sein.

Seit über einem Jahrhundert haben die nationalistischen kurdischen Bewegungen gekämpft und versucht, einen Platz mitten im Nahen Osten zu bekommen, der im Interesse des Imperialismus zerstückelt worden ist. In einer Region, wo die Spaltungen und Konflikte nur immer schlimmer werden. In Laufe dieser ganzen Geschichte konnten sie nur dann einige Freiräume erringen, wenn dies mit den Interessen einer der dort agierenden Mächte zusammenfiel und nur so lange, bis es von der Entwicklung der verschiedenen Regime und ihrer Allianzen wieder in Frage gestellt wurde.

Die Kurden sind nicht die einzige Minderheit, deren Recht auf eine nationale Existenz durch die imperialistische Herrschaft mit Füßen getreten wurde. Man kann ihre Situation mit den Palästinensern und zahlreichen anderen Völker vergleichen. Diese Situationen zeigen in zugespitzter Form, in welche Sackgasse die Politik von nationalistische Organisationen führt, die - auch wenn sie sich einen marxistischen Anstrich geben - in Wirklichkeit nur versuchen, dieser oder jener Minderheit einen Platz zu verschaffen. Natürlich, wenn man darüber hinausgehen wollte, dann müsste man den Würgegriff und den Einfluss des Imperialismus in Frage stellen und letztlich den Imperialismus selbst: Das heißt das System der wirtschaftlichen, politischen und militärischen Herrschaft des Finanzkapitals, das unter völliger Missachtung des Lebens der Bevölkerungen die gesamte Welt ausplündert.

Die einzige Kraft, die wirklich die Mittel in den Händen hält, dieses System zu stürzen, existiert weltweit: Es ist die Arbeiterklasse. Wenn man die Herrschaft des Imperialismus beenden will, dann muss man auf ihrem Feld kämpfen und eine Klassenpolitik an erste Stelle setzen, das heißt den proletarischen Internationalismus. Das ist der Weg, den die russischen Revolutionäre 1917 in einer Situation genommen haben, die an Schwierigkeiten der derzeitigen Lage im Nahen Osten in Nichts nachsteht. Für alle, die nicht nur die nationalen Rechte der Völker geltend machen, sondern auch die Entwicklung in Richtung Barbarei stoppen wollen, zu der die imperialistische Herrschaft in immer mehr Regionen der Welt führt, gibt es keinen anderen Weg.[1]

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[1] Website | Deutsch | kurdipedia.org 19-06-2018
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Artikel Sprache: Deutsch
Publication date: 19-06-2018 (6 Jahr)
Art der Veröffentlichung: Born-digital
Dialekt: Deutsch
Dokumenttyp: Ursprache
Inhaltskategorie: Politik
Inhaltskategorie: Kurdenfrage
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Hinzugefügt von ( هەژار کامەلا ) am 03-04-2024
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