Wieder einmal stehen die Kurden im Blickpunkt. Ein Volk ohne Staat. B.Z. beantwortet die wichtigsten Fragen zur Rolle der unterdrückten Kurden.
Tausende kurdische Jesiden fliehen vor den IS-Islamisten. Die kurdischen Kämpfer aus Ländern der Region eilen ihnen zu Hilfe. Doch wo endet die Flucht? Vor 25 Jahren machten die Kurden vor allem durch den PKK-Terror unter Abdullah Öcalan (66) von sich Reden. Heute sind die meisten sozialdemokratisch orientiert, die PKK und die Türkei stehen in Dialog. Die kurdischen Minderheiten sind dennoch in vielen Ländern unterdrückt.
B.Z. beantwortet die wichtigsten Fragen zur Rolle der Kurden in der Region.
Seit wann gibt es Kurden?
#Feryad Fazil Omar# , Kurdologe und Dozent im Institut für Iranistik an der FU zur B.Z.: „Die Kurden sind eines der ältesten Völker der Region, ihre ersten Spuren lassen sich mehrere Jahrtausende zurückverfolgen. Sehr gut überliefert ist die Existenz einer kurdischen Ethnie ab dem 7. Jahrhundert. Leider sind die osmanischen Archive über die Kurden immer noch unter Verschluss.“
In welchen Ländern leben die großen kurdischen Minderheiten?
Von den 30 Millionen Kurden weltweit lebt die Hälfte im Südosten der Türkei. Den Nordosten Syriens bevölkern drei Millionen Kurden, den Nordirak gut sechs Millionen und den Westiran sieben Millionen. Dieser geographisch zusammenhängende Raum ist das historische Kurdistan.
Was ist ihre Religion?
Die meisten Kurden sind sunnitische Moslems, auch wenn viele von ihnen säkular leben. Daneben gibt es kurdische Aleviten, Christen und Juden. Eine relativ große Religions-Gruppe innerhalb der Kurden sind die Jesiden.
Welche Sprachen sprechen die Kurden?
Die kurdischen Sprachen gehören zur indogermanischen Sprachfamilie. Zwei Drittel aller Kurden sprechen Nordkurdisch (Kurmandschi), daneben sind Südkurdisch (Kirmansani) und Zentralkurdisch (Sorani) verbreitet.
Wie viele Kurden leben in Deutschland?
Ungefähr 800.000, die aus allen Teilen Kurdistans stammen. Einige bekannte deutsche Kurden sind die Frauenrechtlerin Seyran Ateş (51), der Rapper Azad (40) und der aus „GZSZ“ bekannte Schauspieler Mustafa Alin (36) alias Mesut Yildiz.
Wie ist die Situation der Kurden in der Türkei?
Die Kurden sind mit 15 Millionen Menschen die größte Minderheit in der Türkei. Ihre Kultur und Sprache waren lange Zeit unterdrückt. Die mittlerweile verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK führte ab 1984 einen Terrorkrieg gegen die Türkei, deren Militär seinerseits brutal gegen die kurdische Minderheit vorging. Seit der Verhaftung des PKK-Anführers Öcalan 1999 beruhigte sich die Lage. Die sozialdemokratisch ausgerichtete BDP bemüht sich auf friedlichem Weg, die Interessen der Kurden zu vertreten.
… im Irak?
Die Kurden im Irak waren vor allem unter der Herrschaft Saddam Husseins (1979 – 2003) brutaler Verfolgung ausgesetzt. Während der Anfal-Kampagne ermordeten Saddams Soldaten nach UN-Angaben 180 000 Kurden. Traurige Berühmtheit erlangte der Angriff auf das kurdische Dorf Halabdscha 1988, bei dem 5.000 Menschen mit Sarin, Tabun und Senfgas getötet wurden, vor allem Frauen und Kinder.
Der Sturz Saddams 2003 wurde in Irakisch-Kurdistan freudig begrüßt. Heute dominieren die beiden Parteien PUK und DPK die autonome Region Irakisch-Kurdistan, sie stellen auch die Mitglieder der Peschmerga-Armee. Besonders die kurdische Minderheit der Jesiden wird durch Islamisten brutal verfolgt.
… im Iran?
Die 7 Millionen Kurden im Westen des Iran werden vom Mullahregime unterdrückt. Die der PKK nahestehende PJAK führt seit 2004 einen Guerillakrieg gegen die Regimetruppen. Die Mitglieder der eher sozialdemokratischen PDKI operieren vor allem vom Irak aus.
… in Syrien?
Die PYD und ihr bewaffneter Arm (YPG) kämpfen im Nordosten Syriens gegen die Islamisten des IS. In den Reihen der YPG, die auch über Frauenbrigaden verfügt, kämpfen auch assyrische Christen. Die YPG rettete zehntausende Jesiden vom Berg Sindschar vor IS.[1]