Heinrich Freih. v. Handel-Mazzetti
1910
Seit der Rückkehr der Mesopotamien-Expedition des naturwissenschaftlichen Orientvereins in Wien im Herbst igio ist eine längere Zeit verflossen, als gewöhnlich zur Bestimmung umfangreicherer Kollektionen benötigt wird. Wenn ich erst jetzt den ersten Teil der botanischen Bearbeitung der Öffentlichkeit übergebe, so hat dies seinen Grund darin, daß ich die üblichen Falschbestimmungen, die man in allen aus dem Orient in die Herbarien gelangten Kollektionen findet und die trotz Boissiers vor-züglicher, für ihre Zeit epochaler Flora orientalis bei zu einseitiger Anlehnung an die Literatur unvermeidlich sind, durch möglichst eingehende Beschäftigung mit den in Betracht kommenden Formenkreisen und möglichst ausgiebigen Vergleich von Original-exemplaren zu vermeiden für nötig hielt. Zu wenig Benützung von Vergleichsmaterial ist an dem erwähnten Übelstande ebenso schuld, wie, daß die Bestimmungen für in größerer Anzahl zu verteilende und zu verkaufende Exsikkaten immer sehr rasch ge-liefert werden müssen. Dies hat dahin geführt, daß man heute vielfach falsch bestimmtes Material als Grundlage benützen muß, auf zahlreiche neu beschriebene oder nur be-nannte Arten stößt, die sich früher oder später als längst bekannte erweisen oder in letz-terem Falle anderwärts unter anderem Namen durch Publikation vorweggenommen wurden, und sich die Berichtigungen — wo solche vorliegen — mühsam aus den Be-arbeitungen zusammensuchen muß. Wenn wir auch in Wien in der glücklichen Lage sind, insbesondere seit der Einverleibung des Reichenbachschen Herbars in das k. k.Hofmuseum, ein viel größeres Material alter von Boissier zitierter Originale verwenden zu können, als den meisten bekannt ist, so bedarf es doch meist erst einer umfassenden Sichtung des vorhandenen, um oft nur eine Spezies einer schwierigeren Gattung be-stimmen zu können. Boissiers Flora orientalis ist selbstverständlich auch für diese Bearbeitung die Grundlage. Wo ich mich in Artumfang und Nomenklatur an sie an-schließe, gebe ich kein Zitat, wohlaber bei allem, was aus irgendeinem Grunde von ihm abweicht und noch nicht ganz landläufig ist. Neue Arten wurden ja seither aus ihrem Gebiete in sehr zerstreuten Arbeiten recht viele beschrieben. Aber diese evident zu halten, ist noch viel leichter, als das, was über alte Arten neues bekannt wurde. Den Autoren lagen ja oft nur einzelne Individuen für die Originalbeschreibung vor.[1]
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