Der Waffenstillstand zwischen der türkischen Regierung und der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ist mehr als nur ein neuer Anlauf der Regierung Recep Tayyip Erdoğan, den fast 30 Jahre währenden asymmetrischen Krieg im überwiegend kurdisch besiedelten Südosten der Türkei zu beenden. Erstmals hat sich die türkische Regierung dazu bereitgefunden, den seit 1999 inhaftierten Gründer der PKK, Abdullah Öcalan, als Verhandlungsführer für die kurdische Seite zu akzeptieren. Zwar laufen die Verhandlungen erklärtermaßen als inoffizielle Gespräche unter Leitung des Geheimdienstes MIT, doch zu ihrem Fortgang nehmen der Ministerpräsident selbst und seine Minister direkt Stellung. Nicht minder groß sind die Veränderungen auf Seiten der Kurden. Unter Öcalans Einfluss haben die Repräsentanten der prokurdischen Friedens- und Demokratiepartei (BDP) von der Gründung eines kurdischen Nationalstaats Abschied genommen. Öcalan selbst zieht heute die Idee des Nationalstaats insgesamt in Zweifel. Damit schälen sich Umrisse einer gemeinsamen Vision der türkischen Regierung und der militanten kurdischen Opposition für die Türkei und für die zukünftige Rolle des Landes im Nahen Osten heraus.[1]
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