Düzen Tekkal (* 2. September 1978 in Hannover) ist eine deutsche Autorin, Fernsehjournalistin, Filmemacherin, Kriegsberichterstatterin, Politikwissenschaftlerin, Sozialunternehmerin und Gründerin kurdisch-jesidischer Abstammung.
Leben
Jugend und Ausbildung
Tekkals Eltern kamen in den 1970er-Jahren als Einwanderer aus der Südosttürkei nach Deutschland. In ihrer Heimat waren sie als Kurden und Teil der jesidischen Glaubensgemeinschaft verfolgt worden. In der neuen Heimat arbeitete ihr Vater als Fliesenleger, ihre Mutter war Hausfrau. Sie ist eines von elf Geschwistern.
1998 erwarb sie ihr Abitur, widmete sich ab 2002 dem Studium der Politikwissenschaft und Germanistik an der Leibniz Universität Hannover und schloss dieses im Jahr 2007 ab. In ihrer Magisterarbeit, welche sie mit Prädikatsnote abschloss, befasste sie sich mit kurdischen Jesiden in der Diaspora und den gesellschaftspolitischen Bedingungen ihrer Integration sowie mit Integrationspolitik in Europa.
Karriere
Nach ihrem Studium arbeitete Tekkal als Hospitantin an der Deutschen Orient-Stiftung in Hamburg und begann ihre Karriere als Fernsehjournalistin bei RTL. Sie arbeitete dort als Redakteurin und Reporterin für verschiedene Formate wie Spiegel TV, stern TV und Extra - Das RTL-Magazin. Für ihre Reportage Angst vor den neuen Nachbarn wurde sie 2010 zusammen mit dem Extra Redaktionsleiter Jan Rasmus mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet.
Seit 2014 arbeitet sie als freie Journalistin, Filmemacherin, Kriegsberichterstatterin und Autorin. Sie verfasste zwei im Berlin Verlag erschienene Bücher, welche auf Platz 16 und 17 der Spiegel-Bestseller Paperback Liste landeten, und wirkte bei weiteren Veröffentlichungen als Gastautorin mit. Hierbei behandelt sie vor allem die Themen Migration, Integration und Identität.
Um den Dokumentarfilm Háwar – Meine Reise in den Genozid zu drehen, reiste Tekkal im Jahr 2014 in den Irak. Im Mittelpunkt des Films stehen die Zerstörung durch den IS und der Völkermord gegen die im Nordirak ansässigen Jesiden, insbesondere die Gewalt gegenüber Frauen. Die Premiere fand auf den 49. Hofer Filmtagen im Jahr 2015 statt. Der Film wurde außerdem im Bundestag gezeigt, im Europäischen Parlament und 2017 im Hauptsitz der Vereinten Nationen in New York, im Rahmen einer Veranstaltung die vom Büro des Sonderbeauftragten des Generalsekretärs für sexuelle Gewalt in Konflikten, der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinten Nationen und der Ständigen Vertretung des Irak bei den Vereinten Nationen organisiert wurde.
Ihr zweiter Film Jiyan – Die vergessenen Opfer des IS feierte seine Premiere im Januar 2020 im Kino International in Berlin und wurde im Dezember des Jahres auf rbb Fernsehen erstmals ausgestrahlt. In der Dokumentation begleitet Tekkal Najlaa Matto, eine aus IS-Gefangenschaft befreite Jesidin, welche zum Zweck der Aufarbeitung und Verfolgung der Verbrechen an ihrem Volk in den Nordirak zurückkehrt. Einer der zentralen Punkte des Films neben der Bestandsaufnahme der Zerstörung von Leben, Schicksalen und Kultur ist ein Appell für die Menschenrechte und eine Erinnerung an die Verantwortung der internationalen Gemeinschaft sowie die Forderung, die IS-Täter zur Verantwortung zu ziehen und vor ein Straftribunal zu stellen.
Tekkal ist auch als Host aktiv, etwa beim Daimler Diversity Day im Zeichen der Vielfalt oder bei der Veröffentlichung der Studie Tabu & Toleranz des Bundesministeriums der Verteidigung. Weiterhin moderiert sie mehrere Podcasts, z. B. die Reihe Vergessen: Die Frauenmorde von Juárez mit Leyla Yenirce oder den Podcast der DFB-Stiftungen, Mehr als ein Spiel, bei dem sie mit Nils Straatmann Gäste wie Leon Goretzka und Lars Klingbeil empfängt und sich mit Menschen befasst, welche sich mit den Mitteln des Fußballs sozial, gesellschaftlich und kulturell engagieren.
Politk
Im Jahr 2016 gehörte Tekkal zum Schattenkabinett von Julia Klöckner in Rheinland-Pfalz und wurde für das Amt der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration im Kanzleramt im Kabinett Merkel IV gehandelt, erhielt den Posten allerdings nicht. Im darauffolgenden Jahr gehörte sie zum Schattenkabinett von Bernd Althusmann. 2019 wurde sie in die Fachkommission Fluchtursachen der Bundesregierung berufen.
Seit 2021 ist sie Sachverständige im Bundestag bei der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zur Menschenrechtslage in der Türkei.
Zu ihren politischen Positionen gehört ein pluralistisches Deutschland auf Grundlage der freiheitlich demokratischen Grundordnung, welches Extremismus entgegenwirkt, besonders Islamismus und Rechtsextremismus. Hierbei vertritt sie auch kritische Standpunkte und nimmt sowohl die Politik als auch autochthone Deutsche und Einwanderer in die Verantwortung für ein Miteinander auf Basis gemeinsamer Werte. Weiterhin spricht sie sich u. a. auch für eine gesetzliche Frauenquote aus.
Tekkal war mit verschiedenen Ministern auf Delegationsreise, etwa 2019 mit Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer im Irak oder im Jahr davor mit Entwicklungsminister Gerd Müller.
Soziales Engagement
Menschenrechtsorganisation HÁWAR.help e.V.
Gemeinsam mit ihrer Schwester, der ehemaligen Profi-Fußballspielerin Tuğba Tekkal, gründete sie den gemeinnützigen Verein für humanitäre Hilfe Háwar.help und ist dessen Vorsitzende. Der Verein betreibt mehrere Projekte. Dazu gehört das Frauen-Empowerment-Zentrum Back to Life, psychosoziale Betreuung, Alphabetisierungs- und Handwerkskurse sowie Bildungsworkshops zu Themen wie Frauenrechten und Entrepreneurship für Frauen und Kinder aus IS-Kriegsgefangenschaft im Irak und in Deutschland. Scoring Girls ist ein integratives Projekt des Vereins, welches von ihrer Schwester Tuğba ins Leben gerufen wurde. Hierbei ist das Ziel, mittels Teamsport (Fußball), Schul- und Hausaufgabenhilfe oder Berufsorientierung Werte wie Teamgeist, Empathie, Verantwortungsbewusstsein oder Führungsstärke bei Mädchen und jungen Frauen zu fördern. Schirmherrin des Projekts ist die Journalistin und Fernsehmoderatorin Anne Will. Weitere Projekte sind School Talks, Dialoge an deutschen Schulen über Menschenrechte, Marginalisierung und entwicklungspolitische Zusammenhänge, sowie Sensibilisierung & politisches Engagement. 202übernahm Annalena Baerbock die Schirmherrschaft des Projekts Back to Life.
Bildungsinitiative GermanDream
Darüber hinaus gründete sie 2019 die Bildungsinitiative GermanDream, mit der Wertedialoge an hunderten deutschen Schulen veranstaltet werden. Anliegen ist es, jungen Menschen die Werte von Freiheit und Selbstbestimmung zu vermitteln und Extremismus vorzubeugen, insbesondere dem Islamismus und Rechtsextremismus. Zu den Werbebotschaftern, die als positive Vorbilder Integration erleichtern sollen, gehören u. a. die Managerin Janina Kugel, FDP-Chef Christian Lindner, Cem Özdemir, Gesundheitsminister Jens Spahn, der Fußballer Leon Goretzka, die Schauspielerin Jasna Fritzi Bauer und das Model Sara Nuru. Darüber hinaus rief Tekkal den Hashtag #GermanDream auf der Social Media-Plattform Twitter ins Leben, unter dem Menschen mit Migrationshintergrund ihre Lebens- und Erfolgsgeschichten als Ansporn für andere Einwanderer teilen können.
Tekkal ist weiterhin ehrenamtliches Vorstandsmitglied der Konrad Adenauer Stiftung.[1]
Werke (Auswahl)
Sachbücher
• 2020: #GermanDream: Wie wir ein besseres Deutschland schaffen, Berlin Verlag, Berlin, ISBN 978-3827014207
• 2016: Deutschland ist bedroht: Warum wir unsere Werte jetzt verteidigen müssen, Berlin Verlag, Berlin, ISBN 9783827013286
Als Mitwirkende
• 2021: Zukunftsrepublik – 80 Vorausdenker*innen springen in das Jahr 2030, Campus-Verlag, Frankfurt am Main, ISBN 9783593513867
• 2021: Väter & Töchter (Bettina Flitner), Elisabeth Sandmann Verlag, München, ISBN 9783945543832
• 2020: Toleranz – Schaffen wir das?, Asfa-Wossen Asserate/Annette Friese (Hrsg.), Adeo Verlag, Aßlar, ISBN 9783863342708
• 2019: Der politische Islam gehört nicht zu Deutschland: Wie wir unsere freie Gesellschaft verteidigen, Carsten Linnemann/Winfried Bausback (Hrsg.), Verlag Herder, Freiburg im Breisgau, ISBN 9783451383519
• 2018: Ohne Familie ist kein Staat zu machen: Zeit zum Umdenken, Karl-Heinz B. van Lier (Hrsg.), Verlag Herder, Freiburg im Breisgau, ISBN 9783451382826
• 2016: Gewalt (Flensburger Hefte – Buchreihe), ISBN 9783945916100
Dokumentarfilme[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
• 2020: Jiyan – Die vergessenen Opfer des IS, 90 min, Premiere am 28. Januar 2020 in Berlin, Erstsendung am 9. Dezember 2020 im rbb Fernsehen
• 2015: Háwar – Meine Reise in den Genozid, Premiere am 25. November 2015 auf den 49. Internationalen Hofer Filmtagen
Auszeichnungen (Auswahl)
Für ihr Engagement wurden ihr verschiedene Auszeichnungen verliehen, so wurde sie etwa als Frau Europas 2018 der Europäischen Bewegung Deutschlands und mit dem Demokratie Preis/ Ramer Award for Courage in the Defense of Democracy des American Jewish Committee ausgezeichnet.
Im September 2021 wurde Tekkal das Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Mit der Ehrung werden ihre Verdienste um das Leben von Menschen gewürdigt, die Verfolgung und Marginalisierung ausgesetzt sind und deren Leiden ohne ihre Arbeit dem Licht der Öffentlichkeit vorenthalten blieben, wie es in der offiziellen Verlautbarung des Bundespräsidialamts hieß.
• 2022: Bildungspreis der Hochschule Ansbach
• 2021: Bundesverdienstkreuz am Bande
• 2021: Engagement-Blum-Preis
• 2021: Most Influental Woman of the Year, verliehen von Impact of Diversity
• 2020/2021: BfDT-Botschafterin für Demokratie und Toleranz des Bündnis für Demokratie und Toleranz
• 2020: Wilhelm Wernicke Preis der Hertha BSC Stiftung für Scoring Girls
• 2020: Julius Hirsch Preis, verliehen vom DFB an HÁWAR.help
• 2020: She For Social Impact Award in der Kategorie Culture
• 2020: German Diversity Award in der Kategorie Ethnicity, verliehen von BeyondGenderAgenda
• 2019: Rupert-Neudeck-Medaille für Mut & Menschlichkeit
• 2019 (HAWAR.help e.V.): Europäischer CIVIS SPECIAL Medienpreis: Fußball und Integration für das Webvideo Scoring Girls
• 2018: Menschenrechtspreis der Ingrid zu Solms-Stiftung[
• 2018 (mit Renate Matthei): Aufmüpfige Frau des Jahres der Stiftung aufmüpfige Frauen
• 2018 (mit Jan Ilhan Kizilhan): Friedens- und Integrationspreis der Kurdischen Gemeinde Deutschlands
• 2018: Frau Europas der Europäischen Bewegung Deutschlands
• 2017 (mit Jan Ilhan Kizilhan): Demokratie Preis/ Ramer Award for Courage in the Defense of Democracy des American Jewish Committee
• 2013 (Marlene Alber, Christopher Grass und Ralf Herrmann): BNK-Medienpreis des Bundesverbandes Niedergelassener Kardiologen für den Extra Beitrag: Das Herzschlagfinale
• 2010 (mit Jan Rasmus): Bayerischer Fernsehpreis für das Extra-Spezial: Angst vor den neuen Nachbarn
Weblinks