Die Türkei setzt die Flüsse Euphrat und Tigris als Waffe gegen die Autonomieregion Nordostsyrien ein. Mihemmed Derbuş von der Verwaltung der Staudämme erklärt, die Wasserpolitik stelle eine akute Bedrohung für die Bevölkerung dar.
Der türkische Staat setzt völkerrechtswidrig Wasser als Kriegswaffe gegen die selbstverwalteten Gebiete in Nord- und Ostsyrien ein. Über das großangelegte Staudammsystem GAP wird der Durchfluss des Euphrat massiv eingeschränkt. Während der „Islamische Staat” (IS) nie mit Problemen mit der Wasserversorgung aus der Türkei konfrontiert war, begann mit der Befreiung des Rojava-Staudamms 2017 durch die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) der systematische, wasserpolitische Angriff auf Nordsyrien. Seit dem 17. Januar 2021 ist der Euphrat-Durchfluss nahezu vollständig unterbrochen. Damit verletzt der türkische Staat nicht nur ein 1987 mit dem Irak und der Türkei geschlossenes Abkommen, sondern auch das Völkerrecht
Stromversorgung vor dem Zusammenbruch
Gemäß dem Abkommen zwischen dem Irak, der Türkei und Syrien müssen 500 Kubikmeter Wasser pro Sekunde über die syrische Grenze fließen. Davon müssen 300 Kubikmeter Wasser den Irak erreichen, während Syrien den Zugriff auf 200 Kubikmeter hat. Diese 200 Kubikmeter werden für den Trinkwasserbedarf und die Landwirtschaft verwendet. Seit dem 17. Januar erreichen aber nur 200 Kubikmeter Wasser Nordsyrien. Das ist nicht genug, um die Staudämme und Wasserkraftwerke zu betreiben. Daher mussten die Wasserkraftwerke auf Notbetrieb schalten. Das Wasser wird für 16 Stunden gestaut, damit die Kraftwerke für acht Stunden betrieben und in dieser Zeit Strom geliefert werden kann.
Fünf Millionen Menschen leben allein in Aleppo vom Wasser des Euphrat
Nach Angaben von Mihemmed Derbuş aus der Verwaltung der Staudämme von Nord- und Ostsyrien versorgen sich etwa fünf Millionen Menschen allein in der Umgebung von Aleppo mit Trinkwasser aus dem Euphrat. Auch Kobanê, Raqqa und Deir ez-Zor decken einen Teil ihres Bedarfs aus dem Euphrat
Kinder werden aufgrund von Wasserkontaminierung krank
Die Unterbrechung des Durchflusses birgt viele Gefahren. Wenn das Wasser aufhört zu fließen, sammelt sich Schmutz und das Wasser wird kontaminiert. Die Menschen, die dieses Wasser trinken, sind einem hohen Krankheitsrisiko ausgesetzt. Derbuş berichtet, dass bereits jetzt viele Kinder in Kobanê und Raqqa aufgrund der Kontaminierung des Wassers erkrankt seien. Er führt aus: „Viele Wasserlebewesen haben bereits Schäden erlitten. Auch die Landwirtschaft erleidet massive Einbußen. Die Weizenproduktion ist in diesem Jahr um 50 Prozent eingebrochen. Viele Dörfer haben große Schäden erlitten. Alle Dörfer hatten Rohre verlegt, um ihre Felder mit dem Wasser des Euphrat zu bewässern.“ Das Wasser reiche aber nicht mehr aus, fügt er an.
Blockade verursacht großes Leid
Derbuş weist darauf hin, dass die drei wichtigen Staudämme Rojava, Azadî und Firat bald ihre Arbeit einstellen müssten. Er fährt fort: „Wenn die Wasserkraftwerke gestoppt werden müssen, dann bricht die Elektrizitätsversorgung vollständig zusammen. Durch die Hitze und den Rückgang des Wassers werden die Dämme schwer beschädigt. Um die Dämme zu schützen, müssen wir auch die Wasserversorgung unterbrechen. Wir stoppen die Wasserversorgung und öffnen sie zu bestimmten Zeiten wieder. Die Bauern können den Bedarf für ihre Felder aber nicht mehr decken. Wir hatten 80 Kubikmeter pro Sekunde der Landwirtschaft zugewiesen, aber jetzt können wir nur noch die Hälfte an sie weitergeben.
Alle unsere Maßnahmen stützen sich auf den Firat-Damm. Der Firat-Staudamm hat eine Kapazität von 14 Milliarden Kubikmetern Wasser. Wenn das Wasser gestoppt wird, dann benutzen wir dieses Staubecken. Auch in den Irak ging mehr als nötig. Wenn es so weitergeht, wird dieser Speicher aufgebraucht werden. Seit Mai konnten wir uns aus den 200 Kubikmetern versorgen, nun wurde der Durchfluss weiter reduziert. Höchstens die Hälfte davon kann in den Irak weiterfließen.“
Internationale Gemeinschaft ignoriert Situation
Derbuş kritisiert das Schweigen der internationalen Organisationen und der Regionalstaaten: „Nur wir setzen diese Situation auf die Tagesordnung und kämpfen. Bisher gab es keinerlei Protest aus dem Irak.“
[1]