In Hannover hat eine Kundgebung für #Şengal# stattgefunden. #Ezidische# Musikerinnen und Musiker gaben ein Freiluftkonzert und protestierten damit gegen das zwischen der #PDK# und der irakischen Regierung geschlossene Abkommen zur Zukunft von Şengal.
Am Steintor in Hannover haben Musikerinnen und Musiker vom ezidischen Kulturzentrum NÇÊ (Nawenda Çanda Êzîdxan) in Solidarität mit Şengal ein Minikonzert unter freiem Himmel gegeben. In einer anschließenden Rede bei der Kundgebung am Samstag hieß es: „Als ezidische Künstlerinnen und Künstler sind wir mit unserer Kunst, mit unseren Stimmen und mit unserer Existenz zur Verteidigung von Şengal bereit. Rêber Apo muss frei sein, denn nur wenn er frei ist, können auch wir frei sein.“
In einer auf Deutsch gehaltenen Rede wurde auf das am 9. Oktober zwischen den Regierungen in Hewlêr (Erbil) und Bagdad geschlossene Abkommen zur Zukunft von Şengal hingewiesen. Dabei handele es sich um eine Fortsetzung des ezidischen Genozids von 2014.
Im Anschluss an die Reden traten erneut die Musiker*innen Suleyman Rengîn, Bavê Ronî, Emin Hemdûna, Nalîn û Nazdar, Rewî und Êgid Şengalî auf.
Auf Wunsch der USA und der Türkei ist am 9. Oktober unter UN-Aufsicht in Bagdad ein Abkommen zwischen dem Irak und der südkurdischen PDK geschlossen worden. Das lange vorbereitete Abkommen sieht unter anderem vor, dass alle bewaffneten Einheiten in Şengal aufgelöst oder vertrieben werden.
Als der IS am 3. August 2014 in Şengal einrückte, zogen sich die rund 12.000 in der Region stationierten Peschmerga der südkurdischen Regierungspartei PDK ohne Vorwarnung zurück und überließen die dort lebenden Ezid*innen schutzlos dem IS. Für die ezidische Gemeinschaft begann die systematische Massakrierung, Vergewaltigung, Folterung, Vertreibung, Versklavung von Mädchen und Frauen sowie Zwangsrekrutierung von Jungen als Kindersoldaten. Wer fliehen konnte, zog sich in das Gebirge zurück. Dort schützten zunächst weniger als ein Dutzend Guerillakämpfer der HPG den Eingang zum Gebirge und verhinderten das Eindringen der Dschihadisten.
Die PKK hatte bereits am 28. Juni 2014 nach einem Aufruf des kurdischen Vordenkers Abdullah Öcalan ein zwölfköpfiges Vorabkommando zur Verteidigung von Şengal entsandt. Zwanzig Tage vor dem Massaker nahmen die Peschmerga drei Mitglieder der Gruppe und einen ezidischen Unterstützer fest. Die übrigen Guerillakämpfer zogen ins Şengal-Gebirge und begannen mit der Organisierungsarbeit der Jugend. Als am 3. August der IS-Angriff begann, verteidigte eine neunköpfige Guerillagruppe die in die Berge geflohene Bevölkerung.
Die Guerillakämpfer hielten die westlich von Şengal verlaufende Straße von Sinûnê nach Dugirê und ließen keine Eroberung des Bergs durch den IS zu. Die ezidischen Jugendlichen zogen Kraft aus dem Guerillawiderstand und schlossen sich der Verteidigung des Berges an. Nachdem die neunköpfige Guerillagruppe ohne Essen und Trinken mehrere Tage gegen die Angriffe des IS Widerstand geleistet hatte, kamen ihnen weitere Guerillaeinheiten sowie zwei Bataillone der Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG/YPJ aus Rojava zu Hilfe. Anschließend richteten die YPG/YPJ und die HPG einen Sicherheitskorridor ein, um die zu Hunderttausenden ins Şengal-Gebirge geflohenen Ezid*innen nach Rojava zu evakuieren. Über diesen Korridor konnten mit der Zeit über 150.000 Menschen nach Rojava gelangen. So konnte ein noch größeres Massaker verhindert werden. Die YPG/YPJ und HPG kämpften aufopferungsvoll und immer wieder auch unter Verlusten, um diesen „humanitären Korridor“ aufrechtzuerhalten. 100 Kämpferinnen und Kämpfer fielen beim Schutz der Evakuierung der Bevölkerung. Insgesamt wurden beim Şengal-Massaker etwa 300 Kämpfer*innen von YPG/YPJ und HPG durch den IS getötet.
Aufgrund dieser Erfahrung wurden die YBJ und YJŞ als eigene Verteidigungskräfte für Şengal gegründet. Diese bewaffneten Einheiten bestehen überwiegend aus Ezidinnen und Eziden aus der Region, jedoch auch aus Araber*innen aus Şengal und Internationalist*innen aus der ganzen Welt. Die HPG-Guerilla erklärte nach dreieinhalb Jahren ihre Aufgabe für beendet und wurde aus Şengal abgezogen. Parallel zu den bewaffneten Einheiten ist in Şengal eine Selbstverwaltung ähnlich wie in Rojava aufgebaut worden.[1]