#Ayoub Barzani#
Übersetzung: Carlotta Caviola-Schucany
Es war, und es war auch nicht. Es waren einmal ein Fuchs und ein Müller.
Eines schönen Tages steht der Fuchs an der Tür zur Mühle. Müller!, ruft der Fuchs. Seit langem schon sehe ich dich so allein vor dich hin leben. Keine Gattin weit und breit. Und doch bist du ein stattliches Mannsbild.
..Ach, was willst du, ich bin bloss ein armer Müller. Hör zu, ich mach dir einen Vorschlag: Lass uns Brüder sein, und ich kümmere mich um die Angelegenheit.
Einverstanden, sagt der Müller, von diesem Tag an betrachte ich dich als meinen Bruder. Nun denn, lieber Bruder, ich sage dir, du wirst die Tochter des Sultans heiraten!
Das ist ganz und gar unmöglich!, ruft der Müller. Keineswegs, entgegnet der Fuchs...Denn jetzt, da du mein Bruder bist, vermag ich alles für dich. Wisse, dass ich über unermessliche Kräfte verfüge. Ungezählte Kreaturen gehorchen mir aufs Wort.
Behände erklettert der Fuchs einen Baumstrunk, richtet sich hoch auf und ruft gebieterisch:
..Ihr Vögel des Himmels, fliegt hernieder! Er wendet sich gegen Westen und heult:
Wölfe der Berge, steigt zu mir herab!
Und gegen Osten:
Steppenfüchse, heran mit euch!
Rauschend schwingen sich die Vögel vom Himmel herab. von den Bergketten des Westens rennen die Wolfe herbei, und aus den Steppen des Ostens nähern sich die Füchse.
Würdevoll wendet sich der Fuchs an die Schar: Freunde, hebt er an, mein Bruder, der Müller lebt ohne Gemahlin. Noch vor Ende des Tages soll er verheiratet sein! Sprich, und wir werden dir gehorchen!, antworten die Vögel, Wölfe und Füchse.
Es ist mein Wunsch, dass unser Bruder die Tochter des Sultans heirate!
Auf diese Worte hin beginnen die Tiere zu protestieren. Völlig ausgeschlossen!, zwitschern die Vögel. Sie wird viel zu gut bewacht, geben die Wölfe zu bedenken. Eine andere Frau täte es auch, schnappen die Füchse. So geht es eine ganze Weile hin und her, bis schliesslich Sirim, der Vogel, der als einziger seine Ruhe bewahrt hat, zu sprechen beginnt:
Ich hätte sehr wohl die Möglichkeit die Tochter des Sultans zu rauben, meint er. Wenn sie ihre Gemächer verlässt, könnte ich sie packen und in die Lüfte entführen.
,,Sehr gut, antwortet der Fuchs. Hört alle her! Dies ist es, was wir tun werden: Ihr Füchse werdet in Marschordnung den Palast umkreisen und dabei eure buschigen Schwänze wie Federbüsche über dem Rücken tragen. Wölfe, heult dazu, was eure Lungen hergeben. Und ihr, Vögel, verdunkelt den Himmel mit eurem Flügelschlag! Seid ihr bereit?
Wolken gleich fallen die Vögel vom Himmel her ein. Heulend begleiten die Wölfe die Parade der Füchse um die Mauern des Palastes. Und es geschieht, wie es der Fuchs vorausgesehen hat: Die Wachen verlassen ihre Posten, der Sultan und sein Hofstaat stürzen aus dem Palast ins Freie, und die Tochter des Sultans tritt auf ihren Balkon hinaus, um an dem Schauspiel teilzuhaben. Da stürzt Sirim, der Vogel, herab, ergreift sie und trägt sie durch die Lüfte bis zur Mühle.
So kommt es, dass der Fuchs dem Müller die Tochter des Sultans zur Frau gibt. Sie feiern Hochzeit und die Vögel, die Wölfe und die Füchse feiern mit, bevor sie sich wieder in ihre Heimat trollen.
Der Fuchs aber bleibt beim Müller und seiner Frau.
So vergeht ein guter Monat. Dem Fuchs aber geht allerlei durch den Kopf. ,,Was wohl, fragt er sich, wenn mir nun ein Unglück zustiesse, ob er um ein würdiges Grab besorgt wäre? Auf dieser Welt gibt es manch schlechten Gesellen und Verräter. Wir wollen doch einmal sehen, ob der Müller wie ein wahrer Bruder handelt. Mit diesen Worten legt er sich steif wie ein Brett vor die Mühle.
Als der Müller den Körper des Fuchses so vor seinem Haus liegen sieht, sagt er zu sich: Vorsicht, bald wird meine Mühle voller Fliegen und Ungeziefer sein!
Ohne weitere Worte packt er den Fuchs bei den Pfoten, schleppt ihn hinter sich her zum Fluss und wirft ihn hinein.
Kaum wieder zu Hause, findet er den pudelnassen Fuchs hoch aufgerichtet unter der Tür der Mühle stehen.
,,Du Schurke und Sohn eines Schurken! Ich habe dich zum Schwiegersohn des Sultans gemacht und du dankst es mir, indem du mich in den Fluss wirfst, anstatt dich um ein anständiges Begräbnis zu kümmern! Der Müller ergeht sich in allerlei Entschuldigungen, fleht den Fuchs an, ihm zu verzeihen und verspricht felsenfest, ihn im Falle seines Todes ehrenvoll zu bestatten.
Und in der Tat, als der Fuchs seine Tage auf Erden beendet, bereitet ihm der Müller auf der Kuppe eines Hügels ein stattliches Grab. Und oft, so erzählt man, begibt er sich des Abends an jene Stätte, um seines Bruders zu gedenken.[1]
1.A.B.Barzani.Erzählungen aus dem Zweistromland.edition Orient-Realites.Geneve.2004.