1. Einführung
Die Militäroffensive „Friedensquelle“ in Nordsyrien, die von der Türkei – wie im Vorfeld angekündigt am 9. Oktober 2019 nach Abzug der amerikanischen Truppen gestartet wurde,1 weist hinsichtlich ihrer völkerrechtlichen Implikationen Ähnlichkeiten mit der Operation „Olivenzweig“ vom Januar 2018 in der nordsyrischen Region Afrin auf. 2 In beiden Fällen geht es um die Reichweite des als Rechtfertigung für den Militäreinsatz geltend gemachten Selbstverteidigungsrechts nach Art. 51 VN-Charta. Rechtlich dreht es sich um die Frage, ob bereits eine latente, nicht näher spezifizierte terroristische Bedrohungslage durch nicht-staatliche Akteure (kurdische Milizen) eine Selbstverteidigungssituation zugunsten der Türkei begründet (vgl. dazu 2.). Zum anderen steht die völkerrechtliche Zulässigkeit der Errichtung einer türkischen „Sicherheitszone“ in Nordsyrien als eine notwendige und angemessene Reaktion auf die vorgebliche Bedrohung der Türkei in Frage (dazu 4.). Bereits anlässlich der Operation „Olivenzweig“ sind Zweifel geäußert worden, ob der Bekämpfung der Kurden in Nordsyrien durch die Türkei eine völkerrechtlich hinreichende Selbstverteidigungslage – also insbesondere eine aktuelle Bedrohung durch die Kurdenmiliz YPG zugrunde liegt und ob die Einrichtung einer „Pufferzone“ als angemessene Reaktion darauf zu werten ist.3[1]