FGM steht für »Weibliche Genitalverstümmelung« (female genital mutilation). Manchmal werden auch die Begriffe »Beschneidung« oder »FGC« (female genital cutting) verwendet.
FGM, wie in Kurdistan praktiziert, besteht in der Amputation der Klitoris. Ziel ist die weitgehende Unterbindung des sexuellen Genusses bei Frauen und die Bewahrung ihrer so genannten sexuellen Ehre.
FGM hat aber noch weitere furchtbare Folgen: Manche Mädchen verbluten oder sterben an Infektionen. Die meisten sind traumatisiert. Die Überlebenden leiden oft unter gesundheitlichen Spätfolgen in der Ehe und in der Schwangerschaft. Die Frauen und Mädchen sind zudem von einer Mauer des Schweigens umgeben.
Die schmerzhafte Verstümmelungsprozedur wird im Allgemeinen an jungen Mädchen zwischen 4 und 12 Jahren vorgenommen. Sie findet heimlich statt. Für das Mädchen ist es eine traumatisierende Erfahrung, von der eigenen Mutter an die Beschneiderin ausgeliefert zu werden.
Manche Mädchen sterben dabei
Meistens wird das Mädchen von einem Mitglied der Familie, einer Nachbarin oder einer Beschneiderin/Hebamme verstümmelt. Die Operation wird ohne Betäubung durchgeführt. Die Werkzeuge sind meistens nicht sterilisiert. Die Beschneiderin trennt die Klitoris und manchmal Teile der Schamlippen mit einem Messer oder einem Rasiermesser ab.
Dann bedeckt sie die blutende Wunde mit Asche. Um die Blutung zu stoppen, wird das Mädchen manchmal gezwungen, sich auf einen Eimer mit Eiswasser zu setzen. Manche Mädchen sterben dabei, viele leiden ihr ganzes Leben an den psychologischen und medizinischen Spätfolgen des Eingriffs.
FGM im gesamten kurdischen Nordirak verbreitet
Im Jahre 2004 berichteten Mitarbeiterinnen frauengeführter mobiler Teams der Hilfsorganisation WADI von Genitalverstümmelung in mehreren Dörfern in der Region Germian, südlich von Suleymania. In einer ersten Studie wurde ermittelt, dass etwa 60% der Frauen betroffen sind.
Interaktive Karte: Verteilung von FGM im kurdischen Nordirak
2010 veröffentlichte WADI eine flächendeckende, repräsentative Studie, in der neben der FGM-Rate auch zahlreiche weitere Zusammenhänge untersucht werden konnten. Die ermittelte durchschnittliche FGM-Rate lag mit 72,7% höher als erwartet. Stadt/Land-Unterschiede ließen sich dabei kaum feststellen. Die Raten in den einzelnen Provinzen können Sie der Karte entnehmen. Dohuk wurde von der Untersuchung ausgenommen; es verdichten sich aber Hinweise darauf, dass FGM hier kaum praktiziert wird (weit unter 10%).
Ergebnisse der Studie lassen darauf schließen, dass FGM generell im Rückzug begriffen ist und heute schon möglicherweise weniger als jedes zweite Mädchen verstümmelt wird.
Die Provinz Germian/New Kirkuk erwies sich in mehrerer Hinsicht als besonders problematisch. Hier liegt die FGM-Rate am höchsten, hier findet am wenigsten Aufklärung statt, die Analphabetinnenrate ist besonders hoch, und zudem werden hier offenbar neben der Klitoris auch oft die Schamlippen abgetrennt. Der Anteil der Frauen, die die FGM-Praxis verteidigen, ist hier ungleich höher als in den anderen Landesteilen. Die Studie konnte auch einen starken Zusammenhang zwischen mangelnder Bildung und Genitalverstümmelung nachweisen. Außerdem zeigte sie, dass Genitalverstümmelung eine Praxis sunnitischer Muslime ist, auch wenn gelegentlich Einzelne aus anderen Religionsgemeinschaften sich diesem »Ritual« anschließen.
Ein gesellschaftliches Problem
Wie alles, was mit Sexualität zu tun hat, ist auch FGM traditionellerweise ein Tabu. Frauen leiden still an den Folgen, und die sie umgebende Gesellschaft sieht FGM meist nicht als schädlichen Eingriff an. Der Mangel an Information ist einer der vielen Gründe, warum Frauen FGM weiter praktizieren. Viele glauben zudem, es sei eine unvermeidliche Operation im Sinne der Tradition. Andere meinen, FGM sei Pflicht für Muslime.
Genitalverstümmelung ist Gewalt von Frauen an Frauen (bzw. Mädchen). Männer sind wenig involviert; viele wissen überhaupt nichts von dem »Brauch«. Dennoch: FGM wird auch deshalb weiter praktiziert, weil Männer ihre Frauen, Töchter und Schwestern noch immer als Objekte bzw. ihr Eigentum behandeln. FGM wirkt »wertsteigernd«. Erst selbstbewusste Frauen und Mädchen, die ihre Rechte kennen und sich selbst als Subjekte und Individuen begreifen, beginnen sich in Wort und Tat gegen diese Praxis zu wehren.[1]