Seit Monaten bin ich in einem Gefängnis eingesperrt. Das Gefängnis sollte meinen Willen, meine Hoffnung und schließlich mein Mensch-Sein zerbrechen. Die Verhaftung sollte mich demütigen und zähmen wie ein „gelähmtes Schaf. Seit Monaten bin ich Gefangener in einem Kerker, dessen Mauer – Höhe der Geschichtsepoche entspricht. Diese Mauer sollte mich von meinen Mitmenschen, die ich sehr Lieb habe, von den Kindern meines Landes trennen. Eine Trennung bis in alle Ewigkeit...
Ich bin aber jeden Tag durch das kleine Fenster meiner Zelle in die weite Ferne gezogen, habe mich unter ihnen und wie sie gefühlt. Sie haben ihr Leid und ihre Schmerzen in mir gefangen gesehen. Das Gefängnis hat uns umso mehr zusammen verbunden.
Mir sollte die Bedeutung der Sonne und des Lichtes durch die Dunkelheit des Gefängnisses geraubt werden. Ich habe aber in der Stille und Dunkelheit des Gefängnisses das Blühen des Stiefmütterchens beobachtet.
Mir sollte der Sinn für die Zeit und ihrer Güte entfallen. Ich habe aber mit Momenten außerhalb des Gefängnisses gelebt, und habe mich selber geboren um neue Wege zu gehen.
Ich habe wie alle früheren Häftlinge, die Erniedrigungen, Beleidigungen und Schikanen ausgehalten, mit der Hoffnung, einer der Letzten der gequälten Generationen zu sein, die in der Dunkelheit des Gefängnisses ausharren muss, einzig mit der Hoffnung im Herzen irgendwann begeistert die Morgendämmerung erblicken zu können.
Eines Tages haben sie mich “Gotteslästerer“ genannt. Sie dachten, dass ich ihren „Gott“ den Kampf angesagt hätte. Sie fertigten das Henkerseil ihrer Gerechtigkeit, um bei irgendeinem Sonnenaufgang meinem Leben ein Ende zu setzen.
Seit jenem unerwünschten Tag warte auf die Vollstreckung des Urteils. Aber heute, wo sie vorhaben mein Leben ein Ende zu setzen, habe ich mich entschlossen in voller Liebe zu den „Menschen“, meine Organe denjenigen Kranken zu schenken, die ich durch meinen Tod ihr Leben retten kann. Ich möchte mein mit Liebe und Freundlichkeit gefülltes Herz einem Kind schenken. Es ist unwichtig wo es lebt, am Karun-Strand oder am Hang von Sabalan, am Rande der östlichen Wüste oder dem Zagros-Gebirge.
Mein ungeduldig -rebellisches Herz soll nur im Brustkorb eines Kindes schlagen das rebellischer ist als ich, seine Kindheitswünsche Nachts dem Mond und den Sternen anvertraut und sie als Zeuge nimmt, damit im Erwachsenalter seine Kindheitsträume nicht missbraucht werden. Mein Herz soll im Brustkorb eines Menschen schlagen, der aufmerksam gegenüber Kindern ist die hungrig schlafen gehen und die Erinnerung an “Hamed“ den 16-Jährigen Schüler in meiner Stadt, in meinem Herz lebendig hält.
Er schrieb: “Kein einziger Wunsch in meinem Leben ist in Erfüllung gegangen “und hängte sich auf.
Lasst mein Herz im Brustkorb eines Menschen schlagen. Es ist unwichtig in welcher Sprache er spricht, oder welche Hautfarbe er hat. Es muss nur Kind eines/er Arbeiter/in sein, deren/dessen rauen Hände die Flamme der Rebellion gegen die Ungerechtigkeit in meinem Herzen lebendig hält
Mein Herz soll im Brustkorb eines Kindes schlagen, das in nicht all zu lange Zeit Lehrer/in eines kleinen Dorfes werden wird und der/dem die Kinder jeden Tag mit fröhlichem Lächeln entgegenkommt und seine/ihre Freunde und Spiele teilen.
Wahrscheinlich kennen die Kinder in der Zukunft keinen Hunger und keine Armut und es werden Begriffe wie “Gefängnis, Folter, Unterdrückung oder Ungerechtigkeit“ keine Bedeutung mehr in ihrer Welt haben.
Lasst mein Herz irgendwo in eurer weiten Welt klopfen, passt auf es auf. Das ist das Herz eines Menschen, der viel Unerwähntes über sein Land und die Menschen, deren Geschichte voller Qual, Schmerz und Kummer gewesen ist. Lasst mein Herz im Brustkorb eines Kindes schlagen, bis ich eines Morgens aus seinem Mund in meiner Muttersprache schreie: “Ich möchte eine Brise sein, um einen “Lieben Gruß an die Menschen“ überall auf der weiten Welt zu verbreiten.
Farzad Kamanger *
Zelle für Infektionskranke, Rajaii Shahr, Gefängnis inder Stadt Karaj
Datum: 08.10.87 (28.12.2008)
Sicherheitstrakt 2009 Evin Gefängnis in der Stadt Teheran
Geschrieben:02.10.87 (22.12.2008)
*Ferzad Kemanger (32) wurde am 25. Februar 2008 unter den Vorwürfen, „Gefährdung der nationalen Sicherheit“ zu sein und „Mitgliedschaft in der PJAK (Partei für ein freies Leben in Kurdistan)“ zu haben, im Iran zum Tode verurteilt. Er wurde zusammen mit drei weiteren Freunden, Ali Heyderiyan, Ferhad Wekili, Shirin Elem Hulu in aller Heimlichkeit ohne die Information von Anwälten oder ihrer Familien am frühen Morgen des 9. Mai 2010 im Teheraner Evin-Gefängnis am Galgen hingerichtet.[1]