Ismail Zagros
Mihemed Sadiq #Sherefkendi# , auch bekannt als Dr. Said, wurde am 1. Januar 1938 in Bokan geboren. Die Grund- und Mittelschule besuchte er in Mahabad. 1959 machte er in Teheran sein Diplom im Fach Chemie. Sherefkendi war dann bis 1965 Chemielehrer in den Städten Urmia und Mahabad. Wegen seinen politischen Aktivitäten wurde er durch die Regierung erst nach Arak und dann nach Karadsch versetzt. Später wurde Sherefkendi zum Dozenten für Chemie in Teheran ernannt. 1972 ging Sherefkendi zum Promovieren nach Frankreich, wo er 1973 Abdul Rahman Ghassemlou (Dr. Qasimlo) kennenlernte und wo er dann 1976 an der Universität Pierre und Marie Curie seinen Ph.D. in Analytischer Chemie bekam. Er kehrte im gleichen Jahr in den Iran zurück. Teheran verließ er im 1979 nach der Islamischen Revolution und der Flucht des iranischen Schahs. Wenig später schloss er sich der kurdischen Bewegung an, wo er zum Mitglied des Zentralkomitees der DKP-I gewählt wurde. Im 1980 stieg er in das Politbüro der Partei auf.
Nachdem die Verhandlungen über eine kurdische Autonomie mit dem iranischen Regime scheiterten, brachen Kämpfe aus. Teheran hatte im August 1979 den “Dschihad” gegen die DPK-I und andere kurdischen Organisationen erklärt, sodass bis zu 500 Menschen auf der Todesliste standen, die noch der Ajatollah Khomeini abgezeichnet hatte; sie sollten nach und nach im Ausland ermordet werden.
Im Dezember 1988 kam es wieder zu den Verhandlungen zwischen der DPK-I und dem iranischen Regime. Bei einem erneuten Treffen in Wien am 13. Juli 1989 kamen alle drei Mitglieder der kurdischen Delegation durch Attentat ums Leben. Die mit iranischen Diplomatenpässen nach Wien eingereisten “Verhandlungspartner” ermordeten den Generalsekretär der DPK-I, Ghassemlou, und seine Begleiter am Verhandlungstisch. Die Tatverdächtigen tauchten in der iranischen Botschaft unter und konnten nach massivem Druck Teherans auf die österreichischen Behörden unbehelligt ausreisen. Einer von ihnen – ein hoher Funktionär der Revolutionsgarden (Pasdaran) – wurde sogar unter Polizeischutz zum Wiener Flughafen eskortiert.
Nach der Ermordung Abdul Rahman Ghassemlous, 1989, durch iranische Agenten in Wien, übernahm Sherefkendi kommissarisch den Parteivorsitz der DPK-I. Auf dem IX. Parteikongress Ende 1991 wurde er dann zum Vorsitzenden gewählt. 1992 reiste er auf Einladung der SPD nach Berlin und nahm vom 15. bis 17. September an einer Versammlung der Sozialistischen Internationale (SI) teil.
Am 17. September 1992, wenige Stunden nach Beendigung der Versammlung, wurden Scherefkendi und andere Politiker bei einem Essen im Restaurant Mykonos durch iranische Agenten erschossen.
Roya Hakakian, eine Autorin aus den USA, beschreibt das Mykonos-Attentat von 1992 gegen Mihemed Sadiq Sherefkendi und seine Freunde in ihrem Buch “Assassins of the Turquoise Palace” (Attentäter aus dem Türkispalast) wie folgt:
„Um genau 22.47 Uhr stürzten zwei große bärtige Gestalten in ein mittelmäßiges Restaurant, das in der Prager Straße in Berlin lag. Ein dritter Bärtiger blieb an der Tür stehen, als Aufpasser. Die beiden Gestalten durchquerten den Speiseraum, wo ein letzter Gast friedlich-verdattert ein letztes Getränk schlürfte. Durch einen Türbogen betraten sie das Hinterzimmer; dort saßen acht Menschen und diskutierten über Politik. Der größere der beiden Eindringlinge stellte sich hinter einem der Acht auf und fixierte den Mann, der gerade sprach – einen älteren, grauhaarigen Mann in einem weißen Hemd. ‘Ihr Hurensöhne’, sagte der große Bärtige, dann holte er etwas aus der Sporttasche heraus, die er umgehängt über der Schulter trug. Es fielen 26 Schüsse, danach lagen sechs Menschen unter dem Tisch. Der grauhaarige Herr saß noch auf seinem Stuhl, aber auf seinem Hemd, unter der bunten Krawatte, breitete sich langsam ein Blutfleck aus. Ein weiteres Opfer war mit dem Gesicht vornüber ins Bierglas gefallen und röchelte noch. Der zweite Bärtige holte etwas aus seinem Gürtel. Er schoss dem Grauhaarigen aus der Nähe drei Kugeln in den Kopf; er schoss auf einen der Menschen, die schon am Boden lagen; er wollte auf einen Dritten schießen, aber da bedeutete sein Kompagnon ihm, es sei jetzt Zeit abzuhauen. Die drei sprangen, als sie auf der Straße waren, in einen himmelblauen BMW. Der Fahrer stieg auf das Gaspedal, und sie fuhren davon in die Nacht. Vier der acht Menschen in jenem Hinterzimmer starben: Sadiq Sherefkendi, der Generalsekretär der Demokratischen Partei Kurdistan, seine zwei jungen Helfer und Freunde, Fattah Abdoli und Hamayoun Ardalan, und Nouri Dehkordi – kein Kurde, sondern ein Perser, der sich aber für die Rechte dieser Minderheit einsetzte. Sie waren Linke und Demokraten. Sie hatten einst gegen den Schah gekämpft und waren dann um den Lohn ihres Sieges betrogen worden, als das Regime des Ajatollah Khomeini sie aus dem Land jagte. Im Restaurant “Mykonos” in Berlin hatte das Regime sie eingeholt.“
Der damalige Bundesanwalt Bruno Jost konnte beweisen, dass hinter dem Anschlag kein anderer steckte als Ali Fallahian, der damalige Chef des iranischen Geheimdienstes. Die Bundesrepublik Deutschland wies den iranischen Botschafter und 14 seiner Mitarbeiter aus. Obwohl die Europäische Union dem Iran weniger als ein Jahr lang die kalte Schulter zeigte, hatte dies Wirkungen: Die Mordwelle wurde gestoppt. 500 Menschen hatten auf einer Todesliste gestanden, die noch der Ajatollah Khomeini abgezeichnet hatte; sie sollten nach und nach im Ausland ermordet werden. Die Toten im Restaurant “Mykonos” befanden sich ungefähr auf der Mitte jener Liste – sie waren die Letzten, die umgebracht wurden.[1]