Unter dem Titel „Vejîn“ reisen Künstler:innen in #Nordkurdistan# von Stadt zu Stadt, veranstalten Festivals, spielen Theater und leiten Diskussionsveranstaltungen, um die kurdische Kultur der #Assimilationspolitik# zum Trotz weiter aufblühen zu lassen.
Mit der Einsetzung von Zwangsverwaltern anstelle der gewählten Ko-Bürgermeister:innen der HDP in nordkurdischen Städten begann ein neuer Angriff auf die kurdische Kunst und Kultur. Seitdem wurden fast 20 Kultur- und Kunsteinrichtungen in Kurdistan entweder geschlossen oder funktionsunfähig gemacht. Fast 300 Künstler:innen und Mitarbeiter:innen von Kunst- und Kulturzentren wurden entlassen. Darüber hinaus wurden zahlreiche Festivals, Filmvorführungen und Ausstellungen verhindert. Der türkische Staat versuchte auf diese Weise, die kulturelle Verbreitung der kurdischen Identität zu unterdrücken. Dennoch setzten viele kurdische Künstler:innen ihre kulturellen Aktivitäten fort. Um der Assimilationspolitik entgegenzuwirken, reisen kurdische Künstler:innen, Theatergruppen und Musiklehrer:innen seit Jahren von Dorf zu Dorf und von Stadt zu Stadt und bringen die Menschen in Kurdistan mit Kunst in ihrer Muttersprache zusammen.
Die Kunst- und Kulturoffensive „Vejîn“
Trotz massiver Repression und Unterdrückung starteten Künstler:innen die Kunst- und Kulturoffensive „Vejîn“, was Auferstehung oder Wiedergeburt bedeutet. Die Künstler:innen organisieren Festivals in den Städten und Dörfern, die sie besuchen, und veranstalten Aktivitäten wie Theater, Konzerte, Kinderworkshops, Podiumsdiskussionen und Bilderausstellungen. Das erste von der Organisation Sanatça organisierte Festival fand am 30. September in Gever (tr. Yüksekova) statt. Es folgten ein Frauenkulturfestival in Êlih (Batman) und ein Konzert in Tetwan (Tatvan). Zuletzt besuchten die Kunstschaffenden Nisêbîn (Nusaybin).
Festivalprogramm musste aufgrund der Angriffe auf Rojava geändert werden
Das in Nisêbîn am 26. bis 28. Oktober geplante Kunst- und Kulturfestival wurde angesichts der eskalierenden Angriffe auf Rojava auf unbestimmte Zeit verschoben. Der Koordinator von Ma Music, Şêrko Kanîwar, erklärte dazu: „Aufgrund der Zerstörungen, die durch den Krieg in Kurdistan, insbesondere in Rojava, und im gesamten Nahen Osten angerichtet werden, haben wir unser Festival auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Stattdessen veranstalten wir jedoch eine Podiumsdiskussion zum Thema kultureller Genozid und die GEROKma-Kinderworkshops, die eigentlich im Rahmen des Kunst- und Kulturfestivals in Nisêbin stattfinden sollten.“
Am 30. Oktober soll in Colemêrg (Hakkari) ein Konzert stattfinden. Kanîwar sagt: „Im Rahmen unserer Festivals werden wir Podiumsdiskussionen über Assimilations- und Verleugnungspolitik, Filmvorführungen, Theaterstücke, Gemäldeausstellungen, Dengbêj-Veranstaltungen und Kinderkunstworkshops durchführen.“
„Vejîn bedeutet Wiedergeburt unseres kulturellen Gedächtnisses aus der Asche“
Die Kampagne findet unter dem Titel Vejîn statt. Schon im Titel zeigt sich, dass sich diese Kulturoffensive gegen die Auslöschung des kurdischen kulturellen Gedächtnisses durch den Besatzerstaat richtet. Kanîwar beschreibt die Kampagne: „Unser widerständiger Geist, unsere Hoffnung, die mit der Solidarität wächst, ist für uns zu einem Leuchtfeuer auf dem Weg zu Vejîn – zur Wiedergeburt – geworden, auf dem Weg, die kulturellen und künstlerischen Erinnerungen unserer Städte aus der Asche neu zu erschaffen. In den letzten Jahren versucht der Staat mit Festivals, die nichts anderes als dem kulturellen Genozid in Kurdistan dienen, vor allem Kindern und Jugendlichen das kulturelle Gedächtnis zu rauben. Wir sagen aber, dass jede Stadt, jedes Viertel und jedes Dorf ‚Vejîn‘ haben sollte, ein Kultur- und Kunstfestival, das die Werte des kurdischen Volkes widerspiegelt. Wir sind mit diesem Ziel aufgebrochen.“
„Die jahrtausendealten Lieder des Widerstands erklingen in jedem Herzen“
Kanîwar warnt, das aktuell in der Türkei herrschende System versuche alles, um seine Verleugnungspolitik weiter fortzusetzen. Er sieht den kulturellen Bereich in der Verantwortung: „Es ist unsere Aufgabe, Kunst in unserer Muttersprache überall und für alle zugänglich zu machen und die Assimilationspolitik so zu durchkreuzen. Wir werden weiterhin unsere Theaterstücke und Filme in die Dörfer bringen und unsere Lieder immer lauter singen. Der Staat wird keinen Erfolg dabei haben, das kurdische Volk zu verleugnen, es in die Kerker zu werfen oder gar umzubringen. Warum? Weil die Lieder dieses Volkes, die durch Tausende von Jahren des gesellschaftlichen Widerstands bis ins Heute überdauert haben, in jedem Haus, in jedem Kopf und in jedem Herzen erklingen.“
„Wir werden unsere Werte verteidigen“
Kanîwar fügt hinzu: „Es gibt keine andere Wahl für uns, als uns gegen die Spezialkriegspolitik mit unseren eigenen Werten zu verteidigen. Jede Familie muss versuchen, ihre Kinder entsprechend ihren eigenen kulturellen Werten aufwachsen zu lassen und eine bewusste Generation zu schaffen. Der Widerstandsgeist ist das, was überall in der Gesellschaft benötigt wird, was den Raum zum Atmen schafft und die Hoffnung und den Mut wachsen lässt. Wir werden keinen Moment aufhören, unsere kulturellen, künstlerischen, historischen und sozialen Werte, die Tausende von Jahren überdauert haben, zu bewahren und sie an künftige Generationen weiterzugeben.“
Der Artikel erschien zuerst auf Türkisch in Yeni Özgür Politika.[1]