Die Debüt-CD von KURDOPHONE heißt „Isomer“ und ist vor Kurzem bei „Lotus“ erschienen. Im Interview mit Jürgen Plank erzählte die in Wien gegründete Band, welche Verbindung sie zwischen traditioneller kurdischer Musik und Jazz geknüpft hat und warum sie sich auf einen mehr als eintausend Jahre alten Text, und zwar auf „Das Buch der Könige“, bezieht.
Eure Musik verbindet traditionelle kurdische Musik und Jazz. Worin bestand der Reiz, ein Crossover-Projekt zu machen?
Omid Darvish: Als ich 18 Jahre alt war, habe ich meinen ersten Tanbur gekauft. Das ist eine Langhalslaute. Ich habe gleich erkannt, dass es einige Ähnlichkeiten zwischen Tanbur-Musik und westlicher Musik – wie Jazz – gibt. Denn der Tanbur hat keine Vierteltöne, es ist das einzige Instrument im Iran, das keine Vierteltöne hat. Die Modi, wir sagen „Maqamen“, klingen für mich sehr ähnlich und deshalb habe ich gedacht, dass man da etwas machen könnte.
Die Ähnlichkeit besteht also darin, dass es zwar keine Vierteltöne, aber Halbtöne gibt, wie etwa beim Klavier.
Omid Darvish: Ja. Als ich nach Wien gekommen bin, habe ich ein paar Stunden Jazzgesang und Harmoniestunden gehabt und da habe ich verstanden, dass ich mit den Maqamen etwas machen muss. Dann habe ich mit Sarvin [Hazin; Anm.], sie spielt Kamantche und Violine, gesprochen und danach haben wir Amir, unseren Klavierspieler, gefunden. Und Helene und Lukas am Bass bzw. Schlagzeug.
Wie ging es dann weiter? War es schwierig, diese musikalischen Welten zusammenzubringen, oder war sofort klar, dass sich das ausgeht?
Omid Darvish: Zunächst war es nicht wirklich schwierig. Aber danach haben wir verstanden, dass es schon kompliziert werden kann. Denn es gab keine Vorbilder: Niemand spielt kurdische Tanbur-Maqamen in diesem Stil. Deswegen mussten wir am Anfang alles selbst erfinden.
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Helene Glüxam: So, wie Omid spielt, mit Gesang und Tanbur, hat das schon viel mit Jazz und Groove zu tun. Und da kann man sich mit dem Kontrabass leicht einfügen.
Es gibt also keine Band, die so ähnlich ist wie ihr?
Helene Glüxam: Es gibt schon Bands mit iranischer bzw. arabischer Musikkultur und westlichen Einflüssen. Aber in diesem speziellen Bereich der kurdischen Musik gibt es nicht wirklich etwas, speziell auch nicht mit den Instrumenten, die wir haben.
„Es war wie eine Spielwiese, auf der man etwas ausprobieren kann.”
Hast du einen Hintergrund im Bereich Weltmusik oder warum wolltest du bei einem Projekt mit kurdischer Musik mitmachen?
Helene Glüxam: Das war eher zufällig und ist über Kollegen gelaufen, wir haben uns erst bei der ersten Probe kennengelernt. Aber es hat von Anfang an gut funktioniert. Es war wie eine Spielwiese, auf der man etwas ausprobieren kann. In den letzten beiden Jahren habe ich mich schon viel mit der traditionellen kurdischen Musik beschäftigt. Aber am Anfang hatte ich einen sehr unschuldigen Zugang dazu und es hat sehr viel Spaß gemacht, einfach auszuprobieren, was entstehen kann.
Was ist das Besondere an deinem Instrument, dem Tanbur?
Omid Darvish: Mein Tanbur kommt aus Kermanschah, das ist eine kurdische Stadt im Iran. Das gibt es in dieser Form nur dort. Ein Tanbur aus der Türkei hat Vierteltöne und hat drei Saiten. Mein Tanbur hat auch drei Saiten, aber eine vierte Saite schwingt immer mit. Mit dem Tanbur spielt man kurdische Musik, aber dieses Instrument hat sein eigenes Repertoire, und das in zwei Variationen: religiös und mystisch.
Orientalische Instrumente haben oft eine eigene Stimmung. Musstet ihr den Bass oder die Lauten umstimmen?
Helene Glüxam: Wir passen uns da eigentlich nicht an, nur Sarvin, die die orientalische Geige Kamantche spielt, hat auch Vierteltöne zur Verfügung. Das ist das einzige Instrument mit einer anderen Stimmung. Sie ändert die Stimmung aber nicht, das funktioniert.
Omid Darvish: Wir müssen einfach vieles ausprobieren. Vor allem mit dem Klavier ist es schwieriger als mit dem Kontrabass.
Helene Glüxam: Die Akkorde sind die Herausforderung: Wie setzt man das Klavier akkordisch ein, damit es sich trotzdem mit Tanbur und Kamantche gut ausgeht? Daran haben wir lange herumgebastelt, gerade bei den Solo-Teilen, damit Instrumenten keine westlichen Harmonien aufgezwungen werden, zu denen sie gar nicht passen. Und da haben wir schon unseren Weg gefunden und begleiten anders, als man das bei anderen Instrumenten machen würde.
„Wir beziehen uns auf iranisch-kurdische Musik.“
Kurdische Musik hat je nach Region, in der sie gespielt wird, unterschiedliche Ausformungen. Im Iran etwa ist sie durch persische Traditionen beeinflusst. Inwiefern bezieht ihr euch auf persische Musik?
Omid Darvish: Sarvin, Amir und ich kommen aus dem Iran und wir haben persische Musik in uns. Diese Einflüsse gibt es sicher, aber mit Kurdophone spielen wir keine persische Musik. Es gibt Unterschiede zwischen kurdischer Musik aus dem Iran, dem Irak und der Türkei. Im Iran klingt sie mehr persisch, im Irak arabisch und in der Türkei wie türkische Musik. Wir beziehen uns auf iranisch-kurdische Musik.
Helene Glüxam: Aber unsere Musik ist schon näher an iranischer Musik als andere kurdische Musik.
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„Die Texte sind mystisch”
Kurdische Musik hat oft eine politische Konnotation. Im Irak wurden kurdische Sängerinnen und Sänger mitunter bedroht oder man hat sie verschwinden lassen. Es war also in manchen Phasen gefährlich, in der Region kurdische Musik zu spielen. Inwiefern schwingt Politik in eurer Musik mit?
Omid Darvish: Im Iran darf man kein politisches Lied singen, egal in welcher Sprache. Aber es gibt viele kurdische Musikerinnen und Musiker, die im Iran wohnen und Folklore spielen. Unsere Texte sind nicht politisch. Es sind sehr alte Texte, einer ist rund eintausend Jahre alt. Die Texte sind mystisch und wir haben auch zwei Liebeslieder auf unserer CD.
Der rund eintausend Jahre alte Text stammt aus dem Epos „Das Buch der Könige“. Was hat dafür gesprochen, diesen Inhalt auf eure Debüt-CD zu geben?
Omid Darvish: Dieses Buch wird in Kermanschah mittels Gesang erzählt. In persischer und in kurdischer Sprache. Wir haben das neu arrangiert. Dieses Buch ist sehr wichtig, das ist im Iran große Literatur. Mein Vater singt diese Geschichte auch und erzählt sie auf diese Weise. Am Anfang spiele ich das im Konzert auch immer.
Es gab schon einmal eine Zusammenarbeit zwischen einem österreichischen und einem kurdischen Musiker, zwischen Şivan Perwer und Willi Resetarits. Ihr macht das nun erneut, inwiefern ist so eine Zusammenarbeit auch wichtig für die Gesellschaft?
Omid Darvish: Am wichtigsten bei Kurdophone ist, dass wir eine eigene Geschichte erzählen. Bei anderer Weltmusik ist das oft ein Dialog: Man singt kurdische Musik und jemand spielt Jazz, und das ist wie ein Dialog. Bei Kurdophone spielen wir nicht so: Wir spielen immer alle zusammen, und das ist unsere große Stärke. Ich singe und Helene spielt gleichzeitig Bass.
Helene Glüxam: Es ist bei uns auch nicht so, dass die drei Iraner nach Wien gekommen sind und eine völlig neue Kultur kennengelernt haben. Sarvin studiert auch klassische Violine an der Universität für Musik und darstellende Kunst. Omid hat viel Erfahrung mit Jazz und Popularmusik und Amir studiert Klavier und Komposition. Das heißt, wir haben viele gemeinsame Musiktraditionen. Sie haben ihren Teil mitgebracht, aber wir haben schon unsere Gemeinsamkeiten gehabt.
Wenn euer Kollege Amir ohnehin Komposition studiert, könnte es auch sein, dass ihr in Zukunft von den Traditionen weggeht und eigene Stücke komponiert?
Helene Glüxam: Ja, ich glaube schon. Das ist schon ein Plan, den wir haben. Die Idee für das erste Album war, dass alle Nummern auf diesen Traditionen basieren. Aber das werden wir, glaube ich, schon ein bisschen ausweiten.
Möchtet ihr eure Musik auch in den Iran bringen?
Omid Darvish: Ja, das ist möglich, das wäre cool. Aktuell würde ich gerne mehr in Europa spielen.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Jürgen Plank.[1]