#Thomas Schmidinger#
Für mich ist der 3. August nicht nur ein Gedenktag, sondern auch persönlich ein trauriger Tag. In meinem Verständnis als Sozialwissenschafter beforsche ich ja nicht einfach nur Menschen, sondern interagiere mit ihnen, knüpfe auch Freundschaften und Beziehungen. Zu viele Familienangehörige und FreundInnen von FreundInnen sind immer noch verschwunden. Wenn ich an das denke, was der IS vor zehn Jahren angerichtet hat, dann denke ich nicht nur an das, was ich in meinem Buch über die Region beschrieben habe, an die Interviews, die ich geführt habe, sondern auch an ganz konkrete Menschen. An FreundInnen, die Geschwister verloren haben, an Freunde, die gegen den IS gekämpft haben und dann von der Türkei ermordet wurden, an jene gute Freundin aus Rojava, deren Bruder am 19. August bei der Öffnung des Korridors für die Überlebenden getötet wurde oder an einen meiner Kurdischlehrer in Wien, dessen Schwester bei der HPG gekämpft hat und bei Sinjar bei den Kämpfen gegen den IS ums Leben gekommen ist und der das Grab seiner Schwester noch nie besuchen konnte. Ich habe es einige Male für ihn besucht. Es liegen dort ja auch noch andere Menschen, die ich persönlich kannte. Şingal (Arabisch: Sinjar) ist nicht nur ein Ort, es sind für mich va. diese Menschen und ihre Geschichten. Dass bis heute noch viel zu viele verschwunden sind, dass bis heute noch überlebende Frauen unter den Täterinnen in al-Hol auftauchen und dass bis heute die Türkei Luftangriffe auf die Region fliegt, hat bis jetzt ein happy end dieser Geschichten verhindert - und für manche wird es nie eines geben.[1]