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Internationale Politik erinnert häufig an die Geschichte von Sisyphos – die Diplomatie versucht, durch Verträge Konflikte zu lösen und das Leben der Betroffenen zu verbessern, die Einhaltung scheitert aber an nationalen Interessen. So auch im Falle der Kurden. In einer Kooperationsveranstaltung der Thomas-Dehler-Stiftung, der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und der VHS-Marktoberdorf hat der Politikwissenschaftler Ingmar Niemann die aktuelle Lage der Kurden referiert und die historischen Ereignisse, die zu diesem Punkt geführt haben, erläutert.
Nach dem ersten Weltkrieg wurde im Vertrag von Sèrves 1920 eine autonome Provinz Kurdistan festgelegt, mit der Aussicht auf einen eigenen Staat. Der Vertrag wurde so nie ratifiziert. Nicht das erste Mal und auch nicht das letzte Mal, dass die Kurden um ein autonomes Gebiet oder gar einen eigenen Staat gebracht wurden. Im geostrategisch wichtigen Gebiet zwischen Mittelmeer, Kaukasus und dem Persischen Golf – über viele Staaten verteilt –, wo seit Jahrhunderten der größte Teil der Kurden lebt, waren sie oft ein wichtiger Machtfaktor, um Konflikte zugunsten einer Partei umzusetzen. Doch litten sie damals wie auch heute unter Diskriminierung. So haben Kurden in ihrer Heimat oftmals weniger Zugang zu Bildung, Arbeit und werden öfter Opfer von Menschenrechtsverletzungen. Die Situation der Kurden in den verschiedenen Ländern
In der Türkei wird der Freiheitskampf der Kurden eng mit der PKK und dem Namen Öcalan verbunden. Über Jahrzehnte als Terrorist gejagt, wurde er 1999 zum Tode verurteilt und sitzt seitdem in Haft. Doch in der Frühphase der AKP-Regierung konnte die kurdische Bevölkerung in der Türkei Erfolge erzielen, indem einige Schritte zu mehr Autonomie gegangen wurden. Heute leiden die türkischen Kurden wieder mehr und mehr, spätestens seit dem Umsturzversuch wird auch gegen sie und die Abgeordneten der hdp, der kurdischen Partei, verstärkt vorgegangen.
In Irak wurden Versprechungen der USA auf einen eigenen Staat zuletzt beim jüngsten Irakkrieg vonseiten der USA nicht eingehalten. Dort wurde den Kurden als Lohn für die Unterstützung ein eigener Staat im Nordirak zugesichert, der Türkei aber die Verhinderung eines solchen Staats, erläuterte Ingmar Niemann in seinem Vortrag. So blieb den Kurden im Nordirak nur eine autonome Provinz: Selbst diesen Status sah die Regionalregierung aber nach einem Abzug der USA gefährdet. Und so führte sie ein Referendum zur Unabhängigkeit durch – nicht nur in der autonomen Provinz, sondern ebenso auf Gebieten, die im Kampf gegen des IS erobert wurden. Die eroberten Gebiete unter ihrer Kontrolle umfassten auch sehr erdölreiche Gebiete, wie die Gegend rund um Kirkuk. Die Abspaltung dieser Gebiete konnte die Zentralregierung nicht akzeptieren, wie Ingmar Niemann erläuterte, da dies den übrigen Irak erheblich geschwächt hätte. Deshalb besetzte sie das gesamte kurdische Gebiet. Ein Rückschlag im Streben nach Freiheit und Selbstbestimmung.
Auch in anderen Staaten, wie Syrien und Iran kämpfen die Kurden für mehr Freiheit und Autonomie. In Iran werden die Kurden unterdrückt und bekämpft, auch wegen ihrer mehrheitlichen Angehörigkeit des sunnitischen Islams. Gleichzeitig unterstützt der Iran aber auch die kurdische Peschmerga im Kampf gegen den Islamischen Staat. In Syrien, wo die die kurdischen Miliz YPG weitgehende Erfolge gegen den IS erzielt und dabei auch noch Land erobert hat, steigt die Hoffnung auf Autonomie für die syrischen Kurden. Wie geht es weiter?
Die fehlende Einheit und Repräsentation der kurdischen Bevölkerung bleibt weithin ein Hindernis zur Lösung der kurdischen Frage. Auch die besondere geopolitische Rolle der Region, wo auch die Großmächte eigene Interessen verfolgen, erschwert die Freiheitsbestrebungen der Kurden weiterhin.
Aktuell sieht Niemann keinen tragfähigen Weg, auf dem die Kurden einen eigenen Staat erlangen könnten, außer einer Neuordnung des gesamten Mittleren Ostens. So hält er eine zunehmende Föderalisierung der kurdischen Gebiete in ihren jeweiligen Nationalstaaten für den wahrscheinlichsten Weg zu besseren Lebensumständen für die Kurden. Eine grundsätzliche Lösung des Kurdenkonflikts bleibt auch weiterhin in weiter Ferne. [1]