Der Bezirksbürgermeister im Istanbuler Stadtteil Esenyurt, Prof. Dr. Ahmet Özer (CHP), ist zeitgleich mit mindestens 13 weiteren Personen unter der Anschuldigung „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ festgenommen worden
In Istanbul sind am frühen Morgen mehrere Wohnungen von der Polizei gestürmt worden, mindestens 14 Personen wurden festgenommen. Unter den Festgenommenen sind die Musikerin Zeynep Doğan von der kurdischen Musikgruppe Koma Hewra sowie der CHP-Politiker Ahmet Özer, der am 31. März zum Bezirksbürgermeister im Istanbuler Stadtteil Esenyurt gewählt wurde. Das Rathaus in Esenyurt wurde von der Polizei umstellt, Özers Wohnung wurde durchsucht. Den Festgenommenen wird offenbar „Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation“ vorgeworfen. Unter demselben Vorwurf sind am Montag rund zwanzig Personen mit fadenscheinigen Begründungen verhaftet worden.
DEM-Sprecherin: Özer muss freigelassen werden
Politiker:innen der CHP und der DEM-Partei haben die sofortige Freilassung von Ahmet Özer gefordert. Die DEM-Sprecherin Ayşegül Doğan wies auf X darauf hin, dass die Wahl des von der CHP in Esenyurt aufgestellten Kandidaten im Konsens erfolgt sei. „Offensichtlich sind wieder diejenigen am Werk, denen der integrative kommunale Ansatz des Bürgermeisters von Esenyurt und sein Einsatz für die kurdische Identität und Kultur nicht gefällt. Dieser Angriff auf die Bezirksverwaltung von Esenyurt muss gestoppt und Ahmet Özer muss freigelassen werden“, so die DEM-Sprecherin.
Protest vor der Istanbuler Polizeidirektion
Die Festgenommenen sind in die Istanbuler Polizeidirektion in Fatih gebracht worden. Vor dem Gebäude protestierten zahlreiche Menschen gegen die Festnahmen. Der CHP-Abgeordnete Gökhan Zeybek teilte mit, dass gegen Özer eine Kontaktsperre verhängt wurde und ihm für 24 Stunden ein Rechtsbeistand verwehrt wird. „Offenbar stört sich jemand daran, dass unser in Van geborener Bürgermeister ein Rathaus in Istanbul leitet“, sagte Zeybek. „Wir sehen seine Festnahme als Intervention gegen die Entwicklungen, die seit dem 1. Oktober auf der Agenda der Türkei stehen.“
Anwaltskammerpräsident: Keine rechtliche Grundlage
Der Vorsitzende der Istanbuler Anwaltskammer, Ibrahim Kaboğlu, erklärte vor der Polizeidirektion, es gebe keine juristische Erklärung für die Festnahme eines amtierenden Bürgermeisters, der jederzeit für Fragen zur Verfügung stehe: „Professor Ahmet Özer ist in Istanbul und führt sein Amt aus. Er kann vorgeladen werden und ist in der Lage, sich bei jeder Behörde zu äußern. Er muss freigelassen werden. Wenn es irgendeine Anschuldigung gegen ihn geben sollte, muss gemäß der Verfassung und der Gesetze gehandelt werden.“
Özel: Eine hässliche Verschwörung
Der CHP-Vorsitzende Özgür Özel und der Istanbuler Oberbürgermeister Ekrem Imamoğlu protestierten in den virtuellen Medien gegen die Festnahme. Özel erklärte: „Unser Bürgermeister von Esenyurt, Prof. Dr. Ahmet Özer, wurde heute Morgen in einer Operation festgenommen. (…) Er hat seit Jahren leitende Positionen im öffentlichen Sektor und in der Wissenschaft inne. Erst vor sechs Monaten, als er noch ein Kandidat war, erhielt er von den zuständigen Behörden saubere Papiere. Die Behandlung eines Wissenschaftlers, Meinungsführers und Politikers, der bei den Wahlen die große Gunst der Wähler von Esenyurt genoss, ist ungerecht und die Anschuldigungen sind haltlos. Diese Ereignisse sind nicht unabhängig von dem, was in den letzten Wochen geschehen ist. Wir sehen ein hässliches Spiel, eine große Verschwörung. Wir werden weder Teil davon sein noch vor Ihnen kapitulieren.
Imamoğlu: Ein wertvoller Wissenschaftler und Kommunalpolitiker
Ekrem Imamoğlu (CHP) äußerte sich ähnlich: „Herr Özer ist ein wertvoller Wissenschaftler und Kommunalpolitiker, der im Staat gearbeitet hat und an Universitäten leitende Positionen vom Dekan bis zum Vizerektor innehatte. Die Türkei muss aufhören, ein Land zu sein, in dem morgens Hausdurchsuchungen gegen Politiker und Wissenschaftler durchgeführt werden.“[1]