Die KNK-Sprecherin Nilüfer Koç hat an der Universität Zürich über den historischen Prozess der Unterzeichnung des Vertrags von Lausanne vor hundert Jahren und die darauf folgenden Entwicklungen referiert.
In Zürich hat am Freitag eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „100 Jahre Lausanner Vertrag und Kurd:innen stattgefunden. An der gemeinsamen Veranstaltung von Demokratischer Kurdischer Rat Schweiz (CDK-S), kurdischer Frauenverband YJK-S, Rojava Komitee Zürich, Brückenschlag Amed-Zürich und der Hochschulgruppe KriPo nahmen zahlreiche Interessierte teil. Moderiert wurde die Diskussion von Franziska Stier, Generalsekretärin von BastA!, als Referentin war Nilüfer Koç, Sprecherin der außenpolitischen Kommission des KNK (Nationalkongress Kurdistan), eingeladen.
In ihrem Vortrag über den historischen Prozess der Unterzeichnung des Vertrags von Lausanne und die darauf folgenden Entwicklungen sagte Nilüfer Koç, die kurdische Frage sei vor hundert Jahren mit diesem Abkommen und der Aufteilung Kurdistans in vier Teile entstanden: „Nach diesem Vertrag wurden die Kurdinnen und Kurden zu einem Problem im Nahen Osten. Lausanne bezeichnet ein Abkommen, in dem die Kurden von imperialistischen Staaten wie Großbritannien absichtlich zu einem Problem gemacht wurden.
„Blutende Wunde im Herzen des Nahen Ostens“
Nilüfer Koç erklärte, dass Lausanne das Ergebnis eines Prozesses sei und dass die Pariser Konferenz von 1919 und der 1920 unterzeichnete Vertrag von Sèvres den Prozess bestimmt hätten, der schließlich zum Vertrag von Lausanne geführt habe. Dabei seien die Kurd:innen übergangen worden. Nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches sei die Anerkennung der Türken unter der Hegemonie der Kemalisten von den imperialistischen Staaten als primäre Grundlage genommen worden, die Kurd:innen, Araber:innen, Armenier:innen, Perser:innen und andere Völker, deren Unabhängigkeit mit dem Ende des osmanischen Protektorats in der Region in Frage gestellt wurde, seien einer zweiten Phase überlassen worden: „Als klar wurde, dass ein türkischer Nationalstaat entstehen würde, gründeten diese Völker, mit Ausnahme der Kurden, rechtzeitig eigene Nationalstaaten, auch wenn dabei viel Blut vergossen wurde. Die Kurdinnen und Kurden, die in diesem Entwicklungsprozess nichts erreichen konnten, blieben nach der Teilung Kurdistans in vier Teile durch den Vertrag von Lausanne in der Gewalt der türkischen, arabischen und persischen Nationalstaaten. In dem Bestreben, ihre eigene Existenz und Hegemonie aufzubauen, versuchten die Nationalstaaten bei jeder Gelegenheit, mit dem Knüppel des Nationalismus einen Genozid am kurdischen Volk zu verüben. In diesem Prozess wurden die Kurden innerhalb dieser vier Nationalstaaten absichtlich ohne Identität und Staat gelassen. Die imperialistischen Länder dieser Zeit wussten, dass die entrechteten und massakrierten Kurdinnen und Kurden Widerstand leisten würden, und hinterließen so bewusst eine blutende Wunde im Herzen des Nahen Ostens. In diesem Zusammenhang gibt es eine wichtige Äußerung von Abdullah Öcalan als Repräsentanten des kurdischen Volkes. Er sagte, es sei offensichtlich, dass die Kurden heute von der kapitalistischen Moderne bestraft werden, weil sie ein Volk sind, das eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Zivilisation in Mesopotamien gespielt hat.“
„Grenzen haben für die Kurden keine Bedeutung“
Die Grenzen, die Kurdistan in vier Teile teilen, seien in den Augen der Kurd:innen mit dem Kampf der kurdischen Freiheitsbewegung bedeutungslos und ungültig geworden, sagte Nilüfer Koç weiter. Das beste Beispiel dafür seien die Tausenden Kurd:innen und solidarischen Menschen, die während des IS-Angriffs im Jahr 2014 die Grenzen überquerten, um Kobanê gegen die Islamisten zu verteidigen.
Die Veranstaltung endete mit Fragen der Teilnehmenden zum Vortrag und einer Diskussion. In der Schweiz finden anlässlich des 100. Jahrestages des Vertrags von Lausanne in diesem Jahr zahlreiche Veranstaltungen des KNK und der kurdischen Gesellschaftszentren in Form von Diskussionsrunden, Seminaren und Konferenzen statt.[1]