Die kurdische Journalistin Berfin Hêzil dokumentierte, wie die Peschmerga der #PDK# am 3. August 2014 die #ezidi#sche Bevölkerung schutzlos dem IS überließen. Sie sagt: „Es war unmöglich, nicht wütend zu werden.“
Berfin Hêzils Filmaufnahmen, wie sie die PDK-Peschmerga auf ihrem fluchtartigen Rückzug vor dem IS aus der Şengal-Region am 3. August 2014 zur Rede stellt, gingen als Ausdruck des „Verrats der PDK“ um die Welt.
Nachdem der IS am 10. Juni 2014 Mossul, die zweitgrößte Stadt des Irak, ohne jeglichen Widerstand erobert hatte, wandte er sich im August desselben Jahres der ezidischen Region Şengal zu. Die etwa 20.000 Peschmerga der PDK überließen am 3. August die Bevölkerung, nachdem sie sie entwaffnet hatten, schutzlos dem IS und zogen sich, ohne einen Schuss abzufeuern, zurück. Ohne die Aufnahmen von Berfin Hêzîl wäre dieses Vorgehen der PDK nur in Form von Berichten in die Geschichte eingegangenen, Hêzil dokumentierte jedoch den Rückzug der Peschmerga und stellte diese sogar zur Rede.
Anlässlich des achten Jahrestags des Beginns des Genozids sprach die Tageszeitung Özgür Politika mit Hêzil. Sie erinnert sich an den Tag: „Die Menschen flohen von Şengal nach Zaxo. Sie sagten: ‚Die Peschmerga haben uns nicht geschützt, unsere Waffen konfisziert und uns nicht erlaubt, Widerstand zu leisten. Deshalb haben wir Angst bekommen und sind geflohen.‘ Inzwischen waren auch die Peschmerga auf der Flucht. Es war schwer, nicht wütend zu werden. Ich fragte: ‚Warum lauft ihr weg, warum habt ihr diese Menschen trotz all eurer Waffen nicht beschützt?‘ Sie antworteten: ‚Das ist nicht unsere Entscheidung.‘“
„Kleinkinder verdursteten“
Viele Ezid:innen starben nach dem IS-Angriff auf der Flucht ins Şengal-Gebirge. Hêzil berichtet: „Zwei bis drei Jahre alte Kinder verdursteten, und alte Menschen starben, noch bevor sie den Berg erreichten. Es war so heiß, dass die Menschen Schwierigkeiten beim Atmen hatten. Bei über 50 Grad Celsius suchten sie auf dem Berg Schutz. Die Reaktion von Rojava war stark. Sie hörten die Hilferufe aus Şengal und reagierten schnell. Obwohl sie selbst in großer Gefahr waren, wandten sie sich Şengal zu und öffneten den Korridor des Lebens.
„Die PDK wird sich von diesem Verrat nicht reinwaschen können“
Auf Murat Karayılans Aufruf hin kamen Guerillakämpfer:innen aus Qendîl nach Şengal. Auf drei Seiten des Şengal-Bergs wurden Korridore geöffnet. Während der Phase der Befreiung wurde der Korridor im Oktober (2015) unterbrochen. Das brachte große Probleme mit sich. Der IS griff auch von von Rojava aus an. Der Berg Şengal war von allen vier Seiten umzingelt. Die Menschen hungerten. Als Barzanî mit einem Hubschrauber über dem Berg Şengal kreiste, sagten die Ezid:innen: ‚Barzanî hat uns billig verkauft‘. Die HPG lieferten sich tagelange Gefechte, um den Korridor zu öffnen, doch die Peschmerga drangen mit ihren leichten Waffen in Şengal-Stadt ein. Wer hat den Weg für sie geebnet? Natürlich hat der IS das getan. Dann hieß es, sie hätten Şengal befreit. Wenn sie sagen, ‚wir haben Şengal gerettet‘, sollten sie nur einen Peschmerga nennen, der bei der Befreiung gestorben ist. Ganz gleich, was die PDK tut, sie wird sich von diesem Verrat nicht reinwaschen können. Dieses Volk wird diese Tage nicht vergessen, bis die PDK verurteilt wird.“
„Die YBŞ/YJŞ waren die beste Antwort auf den IS“
Die Menschen in Şengal bauten mit Unterstützung der Guerilla ihre eigenen Selbstverteidigungseinheiten, die YBŞ (Yekîneyên Berxwedana Şengalê – Widerstandseinheiten Şengals) und YJŞ (Yekîneyên Jinên Şengalê – Fraueneinheiten Şengals) auf. Insbesondere Frauen spielen in den Verteidigungseinheiten eine Führungsrolle. Hêzil sagt dazu: „Der größte Erfolg in Şengal war die Beteiligung von Frauen an den YBŞ. Obwohl Frauen im ezidischen Glauben einen wichtigen Platz einnehmen, wurden sie unter dem Einfluss des Islam marginalisiert. In diesem Sinne war die Organisierung der Frauen in den Verteidigungseinheiten die sinnvollste Antwort auf diejenigen, die diesen Krieg begonnen hatten. Die vielleicht wichtigste Reaktion auf Barzanî und den IS war die Gründung der Verteidigungseinheiten. Die zweite bedeutende Entwicklung ist, dass sich die Menschen in Şengal sehr schnell selbst organisiert haben. Sie gründeten Räte und Parteien.“[1]