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Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sieht angesichts der deutschen Bemühungen um die Freilassung der Geiseln keinen unmittelbaren Einfluss auf die Sicherheitslage in Deutschland. Dennoch könne man die Vorbereitung eines gewalttätigen Kampfes gegen die Türkei durch die #PKK# in der Bundesrepublik nicht dulden.

Moderation: Dirk-Oliver Heckmann | 21.07.2008

Dirk-Oliver Heckmann: Für sie mündete die Tour auf dem osttürkischen Berg Ararat in einen Alptraum. Statt gemeinsam mit ihrer Gruppe den Gipfel zu erklimmen, fielen die drei Bergsteiger aus Bayern in die Hände der kurdischen Arbeiterpartei PKK, die von den USA und von der EU als Terrororganisation eingestuft wird. Zwölf Tage lang waren sie in der Gewalt ihrer Entführer. Lange war nicht absehbar, ob es zu einer schnellen Freilassung oder überhaupt zu einer Freilassung kommen würde, denn die PKK forderte auf einer Internetseite, die deutsche Regierung solle ihre feindliche Politik der PKK gegenüber einstellen, ansonsten sei an ein gutes Ende nicht zu denken. Gestern dann die erlösende Nachricht: Alle drei Entführungsopfer sind frei. Am Telefon jetzt Joachim Herrmann, CSU, Innenminister des Freistaats Bayern. Guten Morgen!

Joachim Herrmann: Guten Morgen!

Heckmann: Herr Herrmann, zunächst: Wo befinden sich die Ex-Geiseln jetzt und sind sie wohlauf?

Herrmann: Nach meinen Informationen geht es ihnen den Umständen entsprechend gut, sie sind jedenfalls nicht krank und nicht verletzt, aber sie müssen natürlich sicherlich heute im Laufe des Tages noch mal intensiver medizinisch untersucht werden. Sie werden jetzt, ich kann Ihnen das jetzt nicht auf die Minute genau in diesem Zeitpunkt sagen, aber sie werden nach meinen Informationen nach Ankara heute gebracht oder sind auf dem Weg nach Ankara, und wir hoffen, dass es soweit klappt, dass sie heute Abend noch dann von Ankara nach Bayern fliegen können.

Heckmann: Was wissen Sie denn über die Umstände der Freilassung?

Hermann: Nun, soviel ich weiß, ist es ganz einfach so gewesen, dass dann mit der PKK vereinbart war, mit den Entführern, dass sie auf freien Fuß gesetzt werden, und es haben dann einerseits türkische Sicherheitskräfte und andererseits die Kollegen aus dem Auswärtigen Amt, die vor Ort in die Türkei in die Gegend um den Ararat gereist waren, sie dort in Empfang genommen.

Heckmann: Die türkische Regierung behauptet, die Freilassung sei darauf zurückzuführen, dass der Druck des Militärs auf die PKK gestiegen sei.

Hermann: Ich will da jetzt keine öffentliche Auseinandersetzung mit der Türkei führen, die Gespräche hat ja auch das Auswärtige Amt geführt, aber nach meiner Wahrnehmung stand schon im Vordergrund die gute Arbeit der Kollegen des Auswärtigen Amtes und das auch in einem auch unmittelbaren Kontakt mit dem Kreis der Entführer, und ich denke, der öffentliche Druck oder der militärische Druck auf die PKK hat da weniger eine Rolle gespielt.

Heckmann: Das heißt, Herr Herrmann, es hat direkte Gespräche mit den Terroristen gegeben von deutscher Seite aus?

Hermann: Ob jetzt unmittelbar mit diesen Entführern, will ich mal dahingestellt sein lassen, aber natürlich mit Vertretern der PKK, das ist klar. Das kann ja bei einer Entführung letztendlich ja auch nicht anders sein.

Heckmann: Wenn es Verhandlungen gegeben hat – und das Ergebnis ist bekannt, die Freilassung der drei Geiseln –, dann liegt es nahe, dass es auch ein gewisses Entgegenkommen gegeben hat von deutscher Seite aus gegenüber der PKK.

Hermann: Da will ich mich nicht zu äußern, das ist Sache des Auswärtigen Amtes, aber insgesamt will ich nur sagen, ich glaube, das Auswärtige Amt, die Kollegen dort, haben wirklich eine sehr gute, sehr professionelle Arbeit hier abgeliefert. Sie haben ja schon auch große Erfahrungen mit solchen Themen – leider, muss man sagen – aus der Vergangenheit. Das ist insgesamt sehr gut gelaufen und ich bin da den Kollegen vom Auswärtigen Amt auch sehr, sehr dankbar für die gute Zusammenarbeit aber vor allen Dingen auch für das gute und erfolgreiche Engagement vor Ort und in der Türkei.

Heckmann: Herr Herrmann, was bedeutet die Freilassung der drei Geiseln für die Sicherheitslage hier in Deutschland?

Hermann: Nun, die Freilassung hat auf die Sicherheitslage natürlich keinen unmittelbaren Einfluss, denn die Entführung hat in der Türkei stattgefunden, in diesem Gebiet mit relativ vielen Kurden, und dort ist natürlich seit jeher eine völlig andere Sicherheitslage als bei uns. Aber wir müssen uns auch in Deutschland bewusst sein, es gibt wohl außerhalb der Türkei, des Iran und des Irak kein Land auf der Welt, in dem so viele Kurden leben wie bei uns. Wir schätzen, es gibt rund 500.000 Kurden in der Bundesrepublik Deutschland. Davon sind die meisten sicherlich absolut friedlich und durchaus auch nicht alle Anhänger der PKK, aber natürlich ist das mit einem schon auch erheblichen Sicherheitsproblem verbunden. Die PKK ist eine terroristische Organisation, das ist nicht nur unsere Einschätzung, das ist auch die Einschätzung der anderen Länder der Europäischen Union. Nicht von ungefähr hat Bundesinnenminister Schäuble eben vor drei Wochen diesen Rosh TV verboten und vor allen Dingen auch die Organisationen, Vereine, die dieses kurdische Fernsehen mit unterstützt haben. Dieser Fernsehsender ist verboten worden, weil von dort aus gerade ja auch immer wieder geworben wurde um Unterstützung für die PKK, beziehungsweise auch sozusagen die personelle Rekrutierung der PKK mit unterstützt werden sollte. Das heißt, das findet alles mitten in unserem Land statt, und das wird von vielen bei uns natürlich leicht verdrängt. Wir haben überhaupt keine Probleme mit den Kurden als solchen, aber diesen gewalttätigen Kampf, den die PKK oder deren Nachfolgerorganisationen führen will und immer wieder führt, den können wir natürlich auf keinen Fall in unserem Land akzeptieren.

Heckmann: Aber dennoch, das alles findet in diesem Land statt, sagten Sie gerade selbst. Das Bundeskriminalamt, das hält, laut „Focus“-Bericht jedenfalls, Innenminister Schäuble beispielsweise für gefährdet wegen dieses Verbots des eben genannten Fernsehsenders beispielsweise.

Hermann: Wir sehen ganz klar: Hier hat es nach diesem Verbot von Rosh TV ja offensichtlich breiten Widerstand gegeben. Es hat eine Reihe von Demonstrationen gegeben, das ist friedlicher Protest gewesen, aber damit verbunden ganz offensichtlich auch bei den eigentlichen Leuten der PKK die Überlegung, hier sich quasi zu wehren. Wir müssen hier in der Tat auch Gewalttaten befürchten. Es ist nicht so, dass hier Anschläge unmittelbar bevorstehen, aber – noch einmal: Es handelt sich um eine terroristische Vereinigung, das ist nicht irgendeine friedliche, pazifistische Organisation, sondern jemand, der mit Waffengewalt vorgeht und der ja auch in der Vergangenheit schon für eine Fülle von schweren Anschlägen, auch in der Türkei, verantwortlich zeichnet. Die Frage, ob jetzt stärker zu befürchten ist, dass zum Beispiel Anschläge nicht nur in der Türkei, sondern auch in Deutschland stattfinden, die muss jetzt sorgfältig analysiert werden. Grundsätzlich müssen wir aber hier auf der Hut sein.

Heckmann: Was tun Sie, Herr Herrmann, um die radikalen Anhänger der PKK unter Kontrolle zu halten und was tun Sie, um die friedlichen Kurden, die hier in Deutschland leben, von diesen Radikalen eben fernzuhalten?

Hermann: Nun, auf die friedlichen Kurden einzuwirken, das ist dann schon ein sehr schwieriges Feld, wo uns natürlich mit unseren Sicherheitsbehörden begrenzt letztendlich ein Zugang möglich ist. Klar ist, dass wir, soweit wir dieses beobachten können, natürlich mit unseren Sicherheitsbehörden – das ist der Verfassungsschutz, das sind die Landeskriminalämter, das Bundeskriminalamt – diese Szene versuchen, bestmöglich zu beobachten. Dass wir schon in der Vergangenheit zum einen Leute, die ganz konkret strafbare Handlungen in Deutschland begehen, konsequent vor Gericht stellen, dass wir zum anderen Leute, die als Gefährder gelten, gegebenenfalls frühzeitig versuchen, außer Landes zu bringen, auszuweisen, ist auch klar. Dabei ist allerdings oft das Problem, dass wir hier gerade in den Herkunftsländern oft Schwierigkeiten haben, sie dorthin abzuschieben. Aber alles, was unmittelbar mit dem Umfeld der PKK oder der Nachfolgeorganisationen zu tun hat, das wird von den Sicherheitsbehörden konsequent bearbeitet. Nicht von ungefähr ist ja die PKK deshalb auch bei uns eine verbotene Organisation und wird sie ja auch von den anderen Ländern der EU entsprechend als terroristisch eingestuft. Hier sind die Sicherheitsbehörden also ganz klar auf der Hut.

Heckmann: Die PKK hatte gefordert, die Bundesregierung solle ihre feindliche Politik gegenüber dem kurdischen Volk und gegenüber der PKK beenden, so die Formulierung. Herr Herrmann, ist da nicht was dran, dass das Schicksal der Kurden hier in Deutschland, in der deutschen Politik, ein wenig aus dem Blick geraten ist? Denn die Politik der türkischen Regierung gegenüber dieser Minderheit lässt da doch einiges zu wünschen übrig, nach wie vor.

Hermann: Das ist richtig. Es hat sich zwar, da gehen die Einschätzungen manchmal auseinander, es hat sich zwar im Verhalten der türkischen Regierung gegenüber der kurdischen Minderheit in Details manches verändert, manches soll dem Vernehmen nach heute im Alltag etwas besser laufen als das noch vor zehn Jahren der Fall war. Trotzdem muss klar sein: Ein bewaffneter Kampf des kurdischen Volkes kann schon gleich überhaupt nicht vom deutschen Boden aus geführt werden, und wir dürfen es nicht zulassen, dass die Auseinandersetzung zwischen Türken und Kurden beispielsweise hier nach Deutschland hereingetragen wird. Deshalb müssen wir hier von vornherein massiv dagegen angehen. Auf der anderen Seite haben unter einem ganz anderen Aspekt beispielsweise auch in den letzten Monaten Vertreter christlicher Kirchen den Nordteil des Iraks besucht, wo ja auch viele Kurden zu Hause sind. Das ist dann sozusagen südlich der türkischen Grenze. Und man muss feststellen, dass in diesem nördlichsten Teil des Irak, anders als im Bereich Bagdad, heute schon eher friedliche Zustände herrschen, dass dort übrigens auch Christen relativ unverfolgt leben können, und dass umgekehrt dort auch die Kurden ohne Probleme leben können. Es gibt also durchaus Möglichkeiten der dortigen Regionen, auch für Kurden, friedlich zu leben. Klar ist noch einmal: Wir haben natürlich einen klaren Einsatz der Bundesrepublik Deutschland für Menschenrechte, wir vertreten natürlich die Position, dass auch die Türkei die Minderheitenrechte der Kurden zu respektieren hat, aber wir können auf gar keinen Fall irgendeine Form von Gewaltausübung – egal, ob in der Türkei oder bei uns – akzeptieren. Und wir werden auf jeden Fall von unseren Sicherheitsbehörden alles dafür tun, dass auf keinen Fall auch in Zukunft die Auseinandersetzung zwischen Kurden und Türken hier nach Deutschland hineingetragen wird.

Heckmann: Live hier im Deutschlandfunk Joachim Herrmann, CSU, Innenminister des Freistaats Bayern. Herr Herrmann, ich danke Ihnen![1]
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