Am 13. Juli 1989 wurde der Vorsitzende der KDP-Iran, Dr. Abdulrahman Qasimlo, bei Verhandlungen mit Vertretern des iranischen Regimes in Wien erschossen. Obwohl bereits 29 Jahre vergangen sind, wurden die Mörder bis heute nicht verurteilt.
Als am 22. Januar 1946 die Kurdische Republik auf dem Çarçira-Platz in Mahabad ausgerufen wurde, war Abdulrahman Qasimlo 16 Jahre alt. Er war zu der Zeit Schüler in Teheran und bereitete sich auf das Studium vor. Schon im Alter von 14 Jahren war er der Jugendorganisation der kommunistischen Tudeh-Partei beigetreten. Qasimlo erlebte ebenfalls, wie Mahabad zerstört und Qazî Mihemed am Çarçira-Platz hingerichtet wurde. Er hörte, dass sein Vater zu zwei Jahren Haft verurteilt worden war.
Die blutige Zerstörung von Mahabad und die Gefängnistage seines Vaters sind die prägendsten Momente im Leben Qasimlos. 1948 hatte die sozialistische Regierung der Tschechoslowakei die Tudeh-Jugend eingeladen. Unter den iranischen Studierenden befand sich ein Kurde, es war der 18-jährige Abdulrahman Qasimlo. So begannen die Tage in Prag, die eine der wichtigsten Stationen seines Lebens werden sollten.
1957 wurde Qasimlo, der als Student an die Universität von Prag gekommen war, Lehrbeauftragter. Während seine wissenschaftliche Karriere fortschritt, wurde nach 20 Jahren Stille nach Mahabad Ostkurdistans „erste Kugel“ 1967 abgeschossen. Mit dem Newroz-Fest begann eine Gruppe Jugendlicher trotz sehr eingeschränkter Möglichkeiten mit dem Widerstand gegen den Schah Pahlavi.
Der Widerstand in Ostkurdistan dauerte an und Qasimlo wurde 1973 auf dem dritten Kongress der Demokratischen Partei Kurdistans-Iran (KDP-I) zum Generalsekretär gewählt. Das Motto des Kongresses „Demokratie für Iran, Autonomie für Kurdistan“ sollte sein Leben bis zum Ende bestimmen.
Als Qasimlo 1976 nach Prag zurückkehrte, wurde er zur „unerwünschten Person“ erklärt. Daraufhin entschied er sich dafür, sich in Paris niederzulassen. In Paris erlangte er Doktorwürde an der Sorbonne und unterrichtete dort. Er bekleidete weiterhin das Amt des Generalsekretärs der KDP-I. Nachdem Schah Pahlevi 1978 gestürzt war, kehrte Qasimlo im November 1978 nach Kurdistan zurück.
Am 1. Februar 1979 startete ein Flugzeug von Paris aus und brachte Chomeini nach Teheran. Qasimlo hatte im Sommer 1978, als er vom Wandel im Iran hörte, mehrere Male Chomeini in seiner Wohnung im Stadtviertel Neauphle-le-Château in Paris besucht. Zehn Tage nach der Ankunft in Teheran rief Chomeini die Revolution aus und richtete die Worte „Wir werden uns auch mit euch treffen“ an die Kurden.
Als sich am 28. März eine kurdische Delegation mit Chomeini traf, gab es keinerlei Verhandlungen, er sagte: „Im Islam gibt es keine Kurden, Aserbeidschaner, Perser, Nationen oder Minderheiten. Wir sind alle die Umma Allahs.“
Am 17. August 1979 erklärte Chomenei Qasimlo zum „Feind Allahs“. Kurdistan stand eines der größten Massaker in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bevor. In dieser Zeit wurden mehr als 10.000 kurdische Zivilisten umgebracht.
Erste Verhandlungen mit dem iranischen Staat
Der 1980 beginnende Iran-Irak-Krieg änderte das Schicksal der ostkurdischen Bewegung. Der Krieg bis 1984 hatte eine grausame Bilanz. Etwa 10.000 Peschmerga verloren ihr Leben. Dr. Qasimlo zog das Hauptquartier in die an der ost- und südkurdischen Grenze liegenden Qendîl-Berge zurück. Unter der Vermittlung von Celal Talabani von der Patriotischen Union Kurdistans (YNK) fanden in der zweiten Hälfte der 80er Jahre die ersten Gespräche mit Teheran statt.
Die Parteien trafen sich zum ersten Mal am 30. Dezember 1988 im Haus des YNK-Mitglieds Xebat Maruf in Wien. Bei den zweitägigen Verhandlungen bestand Dr. Qasimlo auf der Forderung nach Bildung in kurdischer Muttersprache und Kurdisch als zweiter Amtssprache. Die Verhandlungen gingen ohne Resultat auseinander. Als Chomeini starb und Rafsandschani ihn ersetzte, bemühte sich Dr. Qasimlo um neue Verhandlungen.
Diesmal setzte sich der kurdische Lobbyist Fadil Resul für ein Zusammentreffen ein. Die Gespräche mit kurdischen Führern in Wien wurden von Resul arrangiert. Eigentlich hatte Dr. Qasimlo auf Paris als Ort des Treffens bestanden. Die Iraner bestanden jedoch auf Wien oder Berlin. Paris schlossen sie als Treffpunkt aus. So landete Qasimlos Flugzeug am 13. Juli in Wien.
Absage des Treffens zwischen Dr. Qasimlo und österreichischem Innenministerium wirft Fragen auf
Am gleichen Tag, an dem das Treffen mit der iranischen Delegation stattfinden sollte, hatte Dr. Qasimlo um 16.00 Uhr einen Termin im österreichischen Innenministerium. Der Termin sollte mit dem Büroleiter des Ministers, Manfred Matzka, stattfinden. Die Sekretärin Matzkas sagte allerdings, das Treffen sei abgesagt worden. Warum das Treffen abgesagt wurde und was Dr. Qasimlo der österreichischen Regierung mitteilen wollte, ist einer der kritischsten Punkte des immer noch nicht aufgeklärten Mordes.
Qasimlo verließ das Ministerium gegen 16.30 Uhr, ohne dass ein Gespräch stattgefunden hatte. Eine Stunde später sollte er sich mit der iranischen Delegation treffen. Den Ort der Zusammenkunft in der Linken Bahngasse hatte Fadil Resul aus Silêmanî organisiert.
Zu diesem Zeitpunkt verließen die drei Mitglieder der iranischen Delegation, Cafer Sahraroodi, Mustafa Ajvadi und Amir Mansour Bozorgian, das Hotel und kamen am Treffpunkt an. Alle drei sind mit Diplomatenpässen am 10. Juli in Wien eingetroffen. Der mit dem Chiffre „Zeuge D“ versehene Augenzeuge wird später aussagen, dass für die Delegation der 2005 zum Republikspräsidenten gewählte Mahmoud Ahmadinedschad als Aufklärer unterwegs war.
Die Parteien versammelten sich an einem Tisch und begannen mit den Verhandlungen. Die Gespräche wurden auf Band aufgenommen. Auf dem Band sollte später zu hören sein, wie Qasimlo sagt: „Ich werde mit leeren Händen zurückkehren und auch nicht sagen können, dass der Iran an der von ihm versprochenen Autonomie arbeitet.“ Danach sind Schüsse zu hören.
Die aus zwei Waffen abgeschossenen Kugeln trafen Qasimlo an der Schläfe und am Hals. Abdullah Kadir Azeri wurde regelrecht von Kugeln durchsiebt. Als die ersten Polizeieinheiten in die in ein Blutbad verwandelte Wohnung kamen, lag der Iraner Cafer Sahraroodi in seinem Blut. Sein Freund Mansour Bozorgian rief der Polizei zu: „Sie haben auf meinen Freund geschossen, rettet ihn“. Die Verletzung von Sahraroodi hatte den ganzen Plan umgeworfen. Sahraroodi wurde unter Polizeiaufsicht ins Krankenhaus gebracht. Bozorgian kam in die Polizeistation Schottenring.
Bozorgian wurde um 5.00 Uhr morgens der iranischen Botschaft übergeben, in der er sich mehrere Tage versteckt hielt. Am 22. Juli gab Österreich dem iranischen Druck nach und schickte Sahraroodi mit einem Flugzeug nach Teheran.
Der Mörder wurde in Hewlêr auf dem roten Teppich empfangen
Das Team, das Dr. Qasimlo und seine Freunde ermordet hatte, wurde wie Helden empfangen. Mansour Bozorgian erhielt nach seiner Rückkehr in den Iran den Rang eines Generals und wurde zum Leiter des Stützpunkts der Revolutionsgardisten in Urmiye, der Heimat von Dr. Qasimlo, ernannt.
Cafer Sahraroodi wurde nach seinem Dienst in Wien zum Kommandanten der Al-Quds-Einheiten für Auslandsoperationen des Irans. Im August 1996 leitete er die Operation gegen das in der Gemeinde Koy in Südkurdistan gelegene Hauptquartier der KDP-I.
Beide Mörder reisten weiterhin ganz offen durch Europa. Cafer Sahraroori reiste im Oktober 2013 von der Schweiz nach Kroatien. Obwohl es einen internationalen Haftbefehl gegen ihn gibt, lieferten beide Länder ihn nicht an Österreich aus.
2014 wurde Sahraroodi in Hewlêr auf dem roten Teppich empfangen. Er nahm an dem Besuch des iranischen Parlamentspräsidenten Ali Laricani auf Einladung der KDP-Irak teil. Sahraroodi präsentierte sich auf Fotos gemeinsam mit Ali Laricani, dessen Büroleiter er war, und den Anführern der KDP-Irak.
Österreich, das die Mörder mit Eskorte nach Teheran ausfliegen lassen hatte, setzte alles daran, den Mord zu vertuschen. Die Regierung in Wien behauptete immer wieder, es habe keinen Druck aus Teheran gegeben. Diese Erklärung war weder für die Kurden noch für die österreichische Öffentlichkeit glaubwürdig. Der Anstieg des Handels von Österreich mit dem Iran um 60 Prozent in den 90er Jahren wird als Lohn für die Freigabe der Mörder kommentiert.[1]